Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. stens führt der österreichische Sänger und Ritter Nithart in seinenGedichten immer auf's Neue Klage über den Uebermuth und Aufwand der Bauern, die es in Sitte und Tracht den Rittern gleich thun wollen. Wenn hier ein solches Gelüste des Bauern- standes auch nicht zu verkennen oder hinwegzuleugnen ist, so ist doch wohl anzunehmen, daß es zu jener Zeit nur in vereinzelten, vorzugsweise gesegneten Gegenden Deutschlands statt gefunden habe, wie in der glücklichen Donauebene bei Wien, dem Schau- platz der Thaten Nitharts des Bauernfeindes, im Allgemeinen aber dürften seine Vorwürfe den deutschen Bauernstand nicht treffen. Der eigentlichen Bauerntracht ist bereits oben Erwäh- II. Das Mittelalter. ſtens führt der öſterreichiſche Sänger und Ritter Nithart in ſeinenGedichten immer auf’s Neue Klage über den Uebermuth und Aufwand der Bauern, die es in Sitte und Tracht den Rittern gleich thun wollen. Wenn hier ein ſolches Gelüſte des Bauern- ſtandes auch nicht zu verkennen oder hinwegzuleugnen iſt, ſo iſt doch wohl anzunehmen, daß es zu jener Zeit nur in vereinzelten, vorzugsweiſe geſegneten Gegenden Deutſchlands ſtatt gefunden habe, wie in der glücklichen Donauebene bei Wien, dem Schau- platz der Thaten Nitharts des Bauernfeindes, im Allgemeinen aber dürften ſeine Vorwürfe den deutſchen Bauernſtand nicht treffen. Der eigentlichen Bauerntracht iſt bereits oben Erwäh- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0172" n="154"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> ſtens führt der öſterreichiſche Sänger und Ritter Nithart in ſeinen<lb/> Gedichten immer auf’s Neue Klage über den Uebermuth und<lb/> Aufwand der Bauern, die es in Sitte und Tracht den Rittern<lb/> gleich thun wollen. Wenn hier ein ſolches Gelüſte des Bauern-<lb/> ſtandes auch nicht zu verkennen oder hinwegzuleugnen iſt, ſo iſt<lb/> doch wohl anzunehmen, daß es zu jener Zeit nur in vereinzelten,<lb/> vorzugsweiſe geſegneten Gegenden Deutſchlands ſtatt gefunden<lb/> habe, wie in der glücklichen Donauebene bei Wien, dem Schau-<lb/> platz der Thaten Nitharts des Bauernfeindes, im Allgemeinen aber<lb/> dürften ſeine Vorwürfe den deutſchen Bauernſtand nicht treffen.</p><lb/> <p>Der eigentlichen <hi rendition="#g">Bauerntracht</hi> iſt bereits oben Erwäh-<lb/> nung geſchehen und namentlich ihre Bein- und Fußbekleidung<lb/> und Kopfbedeckung näher beſchrieben worden. Die unterſcheidende<lb/> Eigenthümlichkeit beſtand ihrerſeits in der Form ihres einzigen<lb/> Rockes, welcher, urſprünglich ein und derſelbe mit dem der<lb/> höhern Stände, die Wandlungen des letzteren nicht mitgemacht<lb/> hatte. Ihm war daher ſowohl die größere Weite wie Kürze ge-<lb/> blieben, und namentlich an der letzteren Eigenthümlichkeit ſind<lb/> auf den Bildern die Leute niedern Standes alſogleich zu erkennen.<lb/> Denſelben kurzen, kaum bis ans Knie reichenden Rock, über den<lb/> Hüften mit einem kleinen überhängenden Bauſch gegürtet, tragen<lb/> auch die Geſchäfts- und Gewerbsleute in den Städten. Einen<lb/> Mantel legten ſie nur im Winter oder auf einer Reiſe an; auf<lb/> dem Lande wurde dieſes Kleidungsſtück für gewöhnlich ſchon durch<lb/> die Arbeit verboten. Bergleute und wohl noch andere, nament-<lb/> lich ſolche, deren Geſchäft ſie viel auf Reiſen führte, trugen auch<lb/> um Schultern und Kopf die bereits oben beſchriebene Gugel in<lb/> derſelben Weiſe, wie ſie in der Jägertracht häufig vorkommt. So<lb/> erſcheinen auch die Waffenſchmiede, die Knappen und die ſonſti-<lb/> gen Diener im Gefolge der Ritter, und ebenfalls die vagirenden<lb/> Leute, die Schüler, die Spielleute und anderes heimathloſes Volk<lb/> — alle diejenigen, denen das Herkommen gebot, kurzgeſchornes<lb/> Haar zu tragen. Die Spielleute und ihres Gleichen von dem<lb/> fahrenden Volk, leicht, eitel und phantaſtiſch wie ſie ſind, ſchnit-<lb/> ten häufig den untern Saum ihres bunt zuſammengeſetzten Rockes<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [154/0172]
II. Das Mittelalter.
ſtens führt der öſterreichiſche Sänger und Ritter Nithart in ſeinen
Gedichten immer auf’s Neue Klage über den Uebermuth und
Aufwand der Bauern, die es in Sitte und Tracht den Rittern
gleich thun wollen. Wenn hier ein ſolches Gelüſte des Bauern-
ſtandes auch nicht zu verkennen oder hinwegzuleugnen iſt, ſo iſt
doch wohl anzunehmen, daß es zu jener Zeit nur in vereinzelten,
vorzugsweiſe geſegneten Gegenden Deutſchlands ſtatt gefunden
habe, wie in der glücklichen Donauebene bei Wien, dem Schau-
platz der Thaten Nitharts des Bauernfeindes, im Allgemeinen aber
dürften ſeine Vorwürfe den deutſchen Bauernſtand nicht treffen.
Der eigentlichen Bauerntracht iſt bereits oben Erwäh-
nung geſchehen und namentlich ihre Bein- und Fußbekleidung
und Kopfbedeckung näher beſchrieben worden. Die unterſcheidende
Eigenthümlichkeit beſtand ihrerſeits in der Form ihres einzigen
Rockes, welcher, urſprünglich ein und derſelbe mit dem der
höhern Stände, die Wandlungen des letzteren nicht mitgemacht
hatte. Ihm war daher ſowohl die größere Weite wie Kürze ge-
blieben, und namentlich an der letzteren Eigenthümlichkeit ſind
auf den Bildern die Leute niedern Standes alſogleich zu erkennen.
Denſelben kurzen, kaum bis ans Knie reichenden Rock, über den
Hüften mit einem kleinen überhängenden Bauſch gegürtet, tragen
auch die Geſchäfts- und Gewerbsleute in den Städten. Einen
Mantel legten ſie nur im Winter oder auf einer Reiſe an; auf
dem Lande wurde dieſes Kleidungsſtück für gewöhnlich ſchon durch
die Arbeit verboten. Bergleute und wohl noch andere, nament-
lich ſolche, deren Geſchäft ſie viel auf Reiſen führte, trugen auch
um Schultern und Kopf die bereits oben beſchriebene Gugel in
derſelben Weiſe, wie ſie in der Jägertracht häufig vorkommt. So
erſcheinen auch die Waffenſchmiede, die Knappen und die ſonſti-
gen Diener im Gefolge der Ritter, und ebenfalls die vagirenden
Leute, die Schüler, die Spielleute und anderes heimathloſes Volk
— alle diejenigen, denen das Herkommen gebot, kurzgeſchornes
Haar zu tragen. Die Spielleute und ihres Gleichen von dem
fahrenden Volk, leicht, eitel und phantaſtiſch wie ſie ſind, ſchnit-
ten häufig den untern Saum ihres bunt zuſammengeſetzten Rockes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |