Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. faßt und ein wenig in die Höhe gehoben, daß der untre Theilfaltig wieder herab fiel. So sah man den Ueberzug und das Hermelinunterfutter mit dem Zobelbräm, beides mit einander. Ihr blondes Haar umschlang ein schmaler goldener Reif von schöner Arbeit und in zierlicher Fassung mit kleinen leuchtenden Edelsteinen belegt. Ihr Haar war von so schönem goldigen Blond, daß man den Reif nicht hätte von ihm unterscheiden können, wenn nicht die lichten Steine darin gewesen wären. So ging Isolde neben ihrer Mutter her, grade und schlank und frei, aber gemessen und züchtig bewegt, gleich dem schwanken Rohr oder dem leichten, graziosen Sperber, mit Tritten, die nach höfischer Sitte weder zu kurz noch zu lang waren. Mit ruhig gehaltenem Kopfe bewegte sie nur ein wenig die Augen um sich spähend, wie es der Falke auf dem Aste thut, und ließ sie leise und süß herumweiden, während denen, die in diese Augen, in die zwei Spiegelgläser blickten, sie ein Wunder und eine Wonne däuchten. Ruhig ant- wortete sie den Grüßen der Menge. Während die Mutter hierhin und dahin voll Leutseligkeit auch ein freundliches Wort hatte, schwieg die Tochter und grüßte nur durch sanftes Verneigen und eine leise Bewegung der Hand, ohne den Mantel loszulassen. Die Carricatur einer solchen ächt weiblichen Erscheinung, In welcher Weise sich im Allgemeinen der Charakter der II. Das Mittelalter. faßt und ein wenig in die Höhe gehoben, daß der untre Theilfaltig wieder herab fiel. So ſah man den Ueberzug und das Hermelinunterfutter mit dem Zobelbräm, beides mit einander. Ihr blondes Haar umſchlang ein ſchmaler goldener Reif von ſchöner Arbeit und in zierlicher Faſſung mit kleinen leuchtenden Edelſteinen belegt. Ihr Haar war von ſo ſchönem goldigen Blond, daß man den Reif nicht hätte von ihm unterſcheiden können, wenn nicht die lichten Steine darin geweſen wären. So ging Iſolde neben ihrer Mutter her, grade und ſchlank und frei, aber gemeſſen und züchtig bewegt, gleich dem ſchwanken Rohr oder dem leichten, grazioſen Sperber, mit Tritten, die nach höfiſcher Sitte weder zu kurz noch zu lang waren. Mit ruhig gehaltenem Kopfe bewegte ſie nur ein wenig die Augen um ſich ſpähend, wie es der Falke auf dem Aſte thut, und ließ ſie leiſe und ſüß herumweiden, während denen, die in dieſe Augen, in die zwei Spiegelgläſer blickten, ſie ein Wunder und eine Wonne däuchten. Ruhig ant- wortete ſie den Grüßen der Menge. Während die Mutter hierhin und dahin voll Leutſeligkeit auch ein freundliches Wort hatte, ſchwieg die Tochter und grüßte nur durch ſanftes Verneigen und eine leiſe Bewegung der Hand, ohne den Mantel loszulaſſen. Die Carricatur einer ſolchen ächt weiblichen Erſcheinung, In welcher Weiſe ſich im Allgemeinen der Charakter der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0144" n="126"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> faßt und ein wenig in die Höhe gehoben, daß der untre Theil<lb/> faltig wieder herab fiel. So ſah man den Ueberzug und das<lb/> Hermelinunterfutter mit dem Zobelbräm, beides mit einander.<lb/> Ihr blondes Haar umſchlang ein ſchmaler goldener Reif von<lb/> ſchöner Arbeit und in zierlicher Faſſung mit kleinen leuchtenden<lb/> Edelſteinen belegt. Ihr Haar war von ſo ſchönem goldigen Blond,<lb/> daß man den Reif nicht hätte von ihm unterſcheiden können,<lb/> wenn nicht die lichten Steine darin geweſen wären. 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II. Das Mittelalter.
faßt und ein wenig in die Höhe gehoben, daß der untre Theil
faltig wieder herab fiel. So ſah man den Ueberzug und das
Hermelinunterfutter mit dem Zobelbräm, beides mit einander.
Ihr blondes Haar umſchlang ein ſchmaler goldener Reif von
ſchöner Arbeit und in zierlicher Faſſung mit kleinen leuchtenden
Edelſteinen belegt. Ihr Haar war von ſo ſchönem goldigen Blond,
daß man den Reif nicht hätte von ihm unterſcheiden können,
wenn nicht die lichten Steine darin geweſen wären. So ging
Iſolde neben ihrer Mutter her, grade und ſchlank und frei, aber
gemeſſen und züchtig bewegt, gleich dem ſchwanken Rohr oder dem
leichten, grazioſen Sperber, mit Tritten, die nach höfiſcher Sitte
weder zu kurz noch zu lang waren. Mit ruhig gehaltenem Kopfe
bewegte ſie nur ein wenig die Augen um ſich ſpähend, wie es der
Falke auf dem Aſte thut, und ließ ſie leiſe und ſüß herumweiden,
während denen, die in dieſe Augen, in die zwei Spiegelgläſer
blickten, ſie ein Wunder und eine Wonne däuchten. Ruhig ant-
wortete ſie den Grüßen der Menge. Während die Mutter hierhin
und dahin voll Leutſeligkeit auch ein freundliches Wort hatte,
ſchwieg die Tochter und grüßte nur durch ſanftes Verneigen und
eine leiſe Bewegung der Hand, ohne den Mantel loszulaſſen.
Die Carricatur einer ſolchen ächt weiblichen Erſcheinung,
gleich ausgezeichnet durch Anmuth, Adel und züchtiges Weſen,
giebt Ulrich von Liechtenſtein, da er als Frau gekleidet, von
Frauen begleitet, zur Meſſe ſich begab. Da er den Gang anfing
mit ſanftem Auftreten und Schritte machte, die kaum Hände breit
waren, da er das ſanfte Neigen und die natürlich zurückhaltenden
Bewegungen, wie ſie Anmuth und Schicklichkeit gebieten, in über-
triebenem Maße und affectirter Ziererei nachahmte, da erhob ſich
um ihn her ein allſeitiges Gelächter. — —
In welcher Weiſe ſich im Allgemeinen der Charakter der
männlichen Kleidung auf Grundlage der vorhandenen For-
men änderte, haben wir ſchon oben geſehen. Er geht in ſeinen
Wandlungen der weiblichen Tracht parallel und nähert ſich ihr in
Einzelheiten in auffallender Weiſe. Die Anzahl und die Bedeu-
tung der Kleidungsſtücke, welche zur vollſtändigen und gewöhn-
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