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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von politischen reden
sinnliches schencken, hingegen der todt uns al-
les dessen beraubet, so ist es kein wunder daß
der menschlichen natur, nichts so erschrecklich
und unerträglich fürkommt, als eben die
nothwendigkeit zu sterben. Jedoch wann
man die sache nach der wahrheit untersuchet,
so muß man gestehen, daß eben diese noth-
wendigkeit, mehr angenehmer, als fürchter-
lich seyn müsse, und daß der todt, zumahl
bey tugendhaften, mehr den nahmen einer
geburt und des anfangs zum leben, als des
todes und endlichen beschlusses unserer jahre
verdiene. Es ist bekannt, daß die allerfür-
treflichsten artzeneyen, die allerkostbarsten din-
ge, durch nichts anders gezeuget werden, als
durch den todt. Die tägliche erfahrung leh-
ret, daß leute, welche dem gemeinen wesen
noch so fürtreflich gedienet, welche ihrem ne-
ben-menschen noch so vernünftig, christlich,
und aufrichtig begegnet, dennoch nicht son-
derlich geachtet, beneidet, und bald auf diese
bald auf eine andere weise verfolget werden.
Kaum aber legen sie sich auf das sterbe-bette,
so fängt man an sie zu bedauren, der neid zieht
gantz beschämt zurücke, und alle angestellte
verfolgungen fallen auf ihre eigne anstifter
zurück. Denn so lange sie leben, sind ihre
verdienste in etwas eingehüllet, welches in die
äusserlichen sinne föllet, und vielleicht mit vie-
len sinnlichen schwachheiten vermischet ist.
Nimmt aber der todt diese hülle hinweg, so

dringen

von politiſchen reden
ſinnliches ſchencken, hingegen der todt uns al-
les deſſen beraubet, ſo iſt es kein wunder daß
der menſchlichen natur, nichts ſo erſchrecklich
und unertraͤglich fuͤrkommt, als eben die
nothwendigkeit zu ſterben. Jedoch wann
man die ſache nach der wahrheit unterſuchet,
ſo muß man geſtehen, daß eben dieſe noth-
wendigkeit, mehr angenehmer, als fuͤrchter-
lich ſeyn muͤſſe, und daß der todt, zumahl
bey tugendhaften, mehr den nahmen einer
geburt und des anfangs zum leben, als des
todes und endlichen beſchluſſes unſerer jahre
verdiene. Es iſt bekannt, daß die allerfuͤr-
treflichſten artzeneyen, die allerkoſtbarſten din-
ge, durch nichts anders gezeuget werden, als
durch den todt. Die taͤgliche erfahrung leh-
ret, daß leute, welche dem gemeinen weſen
noch ſo fuͤrtreflich gedienet, welche ihrem ne-
ben-menſchen noch ſo vernuͤnftig, chriſtlich,
und aufrichtig begegnet, dennoch nicht ſon-
derlich geachtet, beneidet, und bald auf dieſe
bald auf eine andere weiſe verfolget werden.
Kaum aber legen ſie ſich auf das ſterbe-bette,
ſo faͤngt man an ſie zu bedauren, der neid zieht
gantz beſchaͤmt zuruͤcke, und alle angeſtellte
verfolgungen fallen auf ihre eigne anſtifter
zuruͤck. Denn ſo lange ſie leben, ſind ihre
verdienſte in etwas eingehuͤllet, welches in die
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len ſinnlichen ſchwachheiten vermiſchet iſt.
Nimmt aber der todt dieſe huͤlle hinweg, ſo

dringen
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[459/0477] von politiſchen reden ſinnliches ſchencken, hingegen der todt uns al- les deſſen beraubet, ſo iſt es kein wunder daß der menſchlichen natur, nichts ſo erſchrecklich und unertraͤglich fuͤrkommt, als eben die nothwendigkeit zu ſterben. Jedoch wann man die ſache nach der wahrheit unterſuchet, ſo muß man geſtehen, daß eben dieſe noth- wendigkeit, mehr angenehmer, als fuͤrchter- lich ſeyn muͤſſe, und daß der todt, zumahl bey tugendhaften, mehr den nahmen einer geburt und des anfangs zum leben, als des todes und endlichen beſchluſſes unſerer jahre verdiene. Es iſt bekannt, daß die allerfuͤr- treflichſten artzeneyen, die allerkoſtbarſten din- ge, durch nichts anders gezeuget werden, als durch den todt. Die taͤgliche erfahrung leh- ret, daß leute, welche dem gemeinen weſen noch ſo fuͤrtreflich gedienet, welche ihrem ne- ben-menſchen noch ſo vernuͤnftig, chriſtlich, und aufrichtig begegnet, dennoch nicht ſon- derlich geachtet, beneidet, und bald auf dieſe bald auf eine andere weiſe verfolget werden. Kaum aber legen ſie ſich auf das ſterbe-bette, ſo faͤngt man an ſie zu bedauren, der neid zieht gantz beſchaͤmt zuruͤcke, und alle angeſtellte verfolgungen fallen auf ihre eigne anſtifter zuruͤck. Denn ſo lange ſie leben, ſind ihre verdienſte in etwas eingehuͤllet, welches in die aͤuſſerlichen ſinne foͤllet, und vielleicht mit vie- len ſinnlichen ſchwachheiten vermiſchet iſt. Nimmt aber der todt dieſe huͤlle hinweg, ſo dringen

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/477>, abgerufen am 25.11.2024.