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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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vernünftige anleitung
den unterschiedenen beschaffenheiten der per-
sonen und sachen, damit er umgehet, seine ge-
dancken einzurichten und fürzutragen, wel-
ches die höchstnöthige prudentia oratoria ist.

§. 14. Bey der sache, davon er redet, hat
er zu sehen, ob es eine theoretische, alte, un-
streitige, beliebte, traurige, geistliche, etc. oder
practische, neue, wahrscheinliche, bittere, lusti-
ge, weltliche, etc. sache sey, da eine iede von ietzt-
erzehlten, andere einrichtung, ausführung und
stellungen erfordert.

§. 15. Unter denen personen, muß er ei-
nes theils sich selbst prüfen, andern theils sei-
ne zuhörer, oder wahrscheinliche leser. Bey
seiner eigenen person hat er entweder seine in-
nerlichen beschaffenheiten, oder seine äusserli-
chen umstände zu beobachten. Jene betrach-
tung führet ihn auf die kräfte seines verstan-
des, und auf die neigungen seines willens,
diese aber auf das eigentliche decorum ora-
torium.

§. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas
fürträget, muß er ihren verstand, willen, al-
ter, geschlecht, stand, vermögen, und andere
umstände in erwegung ziehen, ob sie wahr-
heiten annehmen, vertragen oder mißbrau-
chen können und dergleichen.

§. 17. Letzlich müssen alle andere umstän-
de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des
wohlstandes überhaupt, fürnemlich die regeln
der gerechtigkeit und honnettete, sorgfältig in

be-

vernuͤnftige anleitung
den unterſchiedenen beſchaffenheiten der per-
ſonen und ſachen, damit er umgehet, ſeine ge-
dancken einzurichten und fuͤrzutragen, wel-
ches die hoͤchſtnoͤthige prudentia oratoria iſt.

§. 14. Bey der ſache, davon er redet, hat
er zu ſehen, ob es eine theoretiſche, alte, un-
ſtreitige, beliebte, traurige, geiſtliche, ꝛc. oder
practiſche, neue, wahrſcheinliche, bittere, luſti-
ge, weltliche, ꝛc. ſache ſey, da eine iede von ietzt-
erzehlten, andere einrichtung, ausfuͤhrung und
ſtellungen erfordert.

§. 15. Unter denen perſonen, muß er ei-
nes theils ſich ſelbſt pruͤfen, andern theils ſei-
ne zuhoͤrer, oder wahrſcheinliche leſer. Bey
ſeiner eigenen perſon hat er entweder ſeine in-
nerlichen beſchaffenheiten, oder ſeine aͤuſſerli-
chen umſtaͤnde zu beobachten. Jene betrach-
tung fuͤhret ihn auf die kraͤfte ſeines verſtan-
des, und auf die neigungen ſeines willens,
dieſe aber auf das eigentliche decorum ora-
torium.

§. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas
fuͤrtraͤget, muß er ihren verſtand, willen, al-
ter, geſchlecht, ſtand, vermoͤgen, und andere
umſtaͤnde in erwegung ziehen, ob ſie wahr-
heiten annehmen, vertragen oder mißbrau-
chen koͤnnen und dergleichen.

§. 17. Letzlich muͤſſen alle andere umſtaͤn-
de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des
wohlſtandes uͤberhaupt, fuͤrnemlich die regeln
der gerechtigkeit und honnettete, ſorgfaͤltig in

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[14/0032] vernuͤnftige anleitung den unterſchiedenen beſchaffenheiten der per- ſonen und ſachen, damit er umgehet, ſeine ge- dancken einzurichten und fuͤrzutragen, wel- ches die hoͤchſtnoͤthige prudentia oratoria iſt. §. 14. Bey der ſache, davon er redet, hat er zu ſehen, ob es eine theoretiſche, alte, un- ſtreitige, beliebte, traurige, geiſtliche, ꝛc. oder practiſche, neue, wahrſcheinliche, bittere, luſti- ge, weltliche, ꝛc. ſache ſey, da eine iede von ietzt- erzehlten, andere einrichtung, ausfuͤhrung und ſtellungen erfordert. §. 15. Unter denen perſonen, muß er ei- nes theils ſich ſelbſt pruͤfen, andern theils ſei- ne zuhoͤrer, oder wahrſcheinliche leſer. Bey ſeiner eigenen perſon hat er entweder ſeine in- nerlichen beſchaffenheiten, oder ſeine aͤuſſerli- chen umſtaͤnde zu beobachten. Jene betrach- tung fuͤhret ihn auf die kraͤfte ſeines verſtan- des, und auf die neigungen ſeines willens, dieſe aber auf das eigentliche decorum ora- torium. §. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas fuͤrtraͤget, muß er ihren verſtand, willen, al- ter, geſchlecht, ſtand, vermoͤgen, und andere umſtaͤnde in erwegung ziehen, ob ſie wahr- heiten annehmen, vertragen oder mißbrau- chen koͤnnen und dergleichen. §. 17. Letzlich muͤſſen alle andere umſtaͤn- de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des wohlſtandes uͤberhaupt, fuͤrnemlich die regeln der gerechtigkeit und honnettete, ſorgfaͤltig in be-

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/32>, abgerufen am 18.12.2024.