den unterschiedenen beschaffenheiten der per- sonen und sachen, damit er umgehet, seine ge- dancken einzurichten und fürzutragen, wel- ches die höchstnöthige prudentia oratoria ist.
§. 14. Bey der sache, davon er redet, hat er zu sehen, ob es eine theoretische, alte, un- streitige, beliebte, traurige, geistliche, etc. oder practische, neue, wahrscheinliche, bittere, lusti- ge, weltliche, etc. sache sey, da eine iede von ietzt- erzehlten, andere einrichtung, ausführung und stellungen erfordert.
§. 15. Unter denen personen, muß er ei- nes theils sich selbst prüfen, andern theils sei- ne zuhörer, oder wahrscheinliche leser. Bey seiner eigenen person hat er entweder seine in- nerlichen beschaffenheiten, oder seine äusserli- chen umstände zu beobachten. Jene betrach- tung führet ihn auf die kräfte seines verstan- des, und auf die neigungen seines willens, diese aber auf das eigentliche decorum ora- torium.
§. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas fürträget, muß er ihren verstand, willen, al- ter, geschlecht, stand, vermögen, und andere umstände in erwegung ziehen, ob sie wahr- heiten annehmen, vertragen oder mißbrau- chen können und dergleichen.
§. 17. Letzlich müssen alle andere umstän- de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des wohlstandes überhaupt, fürnemlich die regeln der gerechtigkeit und honnettete, sorgfältig in
be-
vernuͤnftige anleitung
den unterſchiedenen beſchaffenheiten der per- ſonen und ſachen, damit er umgehet, ſeine ge- dancken einzurichten und fuͤrzutragen, wel- ches die hoͤchſtnoͤthige prudentia oratoria iſt.
§. 14. Bey der ſache, davon er redet, hat er zu ſehen, ob es eine theoretiſche, alte, un- ſtreitige, beliebte, traurige, geiſtliche, ꝛc. oder practiſche, neue, wahrſcheinliche, bittere, luſti- ge, weltliche, ꝛc. ſache ſey, da eine iede von ietzt- erzehlten, andere einrichtung, ausfuͤhrung und ſtellungen erfordert.
§. 15. Unter denen perſonen, muß er ei- nes theils ſich ſelbſt pruͤfen, andern theils ſei- ne zuhoͤrer, oder wahrſcheinliche leſer. Bey ſeiner eigenen perſon hat er entweder ſeine in- nerlichen beſchaffenheiten, oder ſeine aͤuſſerli- chen umſtaͤnde zu beobachten. Jene betrach- tung fuͤhret ihn auf die kraͤfte ſeines verſtan- des, und auf die neigungen ſeines willens, dieſe aber auf das eigentliche decorum ora- torium.
§. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas fuͤrtraͤget, muß er ihren verſtand, willen, al- ter, geſchlecht, ſtand, vermoͤgen, und andere umſtaͤnde in erwegung ziehen, ob ſie wahr- heiten annehmen, vertragen oder mißbrau- chen koͤnnen und dergleichen.
§. 17. Letzlich muͤſſen alle andere umſtaͤn- de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des wohlſtandes uͤberhaupt, fuͤrnemlich die regeln der gerechtigkeit und honnettete, ſorgfaͤltig in
be-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0032"n="14"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">vernuͤnftige anleitung</hi></fw><lb/>
den unterſchiedenen beſchaffenheiten der per-<lb/>ſonen und ſachen, damit er umgehet, ſeine ge-<lb/>
dancken einzurichten und fuͤrzutragen, wel-<lb/>
ches die hoͤchſtnoͤthige <hirendition="#aq">prudentia oratoria</hi> iſt.</p><lb/><p>§. 14. Bey der ſache, davon er redet, hat<lb/>
er zu ſehen, ob es eine theoretiſche, alte, un-<lb/>ſtreitige, beliebte, traurige, geiſtliche, ꝛc. oder<lb/>
practiſche, neue, wahrſcheinliche, bittere, luſti-<lb/>
ge, weltliche, ꝛc. ſache ſey, da eine iede von ietzt-<lb/>
erzehlten, andere einrichtung, ausfuͤhrung und<lb/>ſtellungen erfordert.</p><lb/><p>§. 15. Unter denen perſonen, muß er ei-<lb/>
nes theils ſich ſelbſt pruͤfen, andern theils ſei-<lb/>
ne zuhoͤrer, oder wahrſcheinliche leſer. Bey<lb/>ſeiner eigenen perſon hat er entweder ſeine in-<lb/>
nerlichen beſchaffenheiten, oder ſeine aͤuſſerli-<lb/>
chen umſtaͤnde zu beobachten. Jene betrach-<lb/>
tung fuͤhret ihn auf die kraͤfte ſeines verſtan-<lb/>
des, und auf die neigungen ſeines willens,<lb/>
dieſe aber auf das eigentliche <hirendition="#aq">decorum ora-<lb/>
torium.</hi></p><lb/><p>§. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas<lb/>
fuͤrtraͤget, muß er ihren verſtand, willen, al-<lb/>
ter, geſchlecht, ſtand, vermoͤgen, und andere<lb/>
umſtaͤnde in erwegung ziehen, ob ſie wahr-<lb/>
heiten annehmen, vertragen oder mißbrau-<lb/>
chen koͤnnen und dergleichen.</p><lb/><p>§. 17. Letzlich muͤſſen alle andere umſtaͤn-<lb/>
de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des<lb/>
wohlſtandes uͤberhaupt, fuͤrnemlich die regeln<lb/>
der gerechtigkeit und honnettete, ſorgfaͤltig in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">be-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[14/0032]
vernuͤnftige anleitung
den unterſchiedenen beſchaffenheiten der per-
ſonen und ſachen, damit er umgehet, ſeine ge-
dancken einzurichten und fuͤrzutragen, wel-
ches die hoͤchſtnoͤthige prudentia oratoria iſt.
§. 14. Bey der ſache, davon er redet, hat
er zu ſehen, ob es eine theoretiſche, alte, un-
ſtreitige, beliebte, traurige, geiſtliche, ꝛc. oder
practiſche, neue, wahrſcheinliche, bittere, luſti-
ge, weltliche, ꝛc. ſache ſey, da eine iede von ietzt-
erzehlten, andere einrichtung, ausfuͤhrung und
ſtellungen erfordert.
§. 15. Unter denen perſonen, muß er ei-
nes theils ſich ſelbſt pruͤfen, andern theils ſei-
ne zuhoͤrer, oder wahrſcheinliche leſer. Bey
ſeiner eigenen perſon hat er entweder ſeine in-
nerlichen beſchaffenheiten, oder ſeine aͤuſſerli-
chen umſtaͤnde zu beobachten. Jene betrach-
tung fuͤhret ihn auf die kraͤfte ſeines verſtan-
des, und auf die neigungen ſeines willens,
dieſe aber auf das eigentliche decorum ora-
torium.
§. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas
fuͤrtraͤget, muß er ihren verſtand, willen, al-
ter, geſchlecht, ſtand, vermoͤgen, und andere
umſtaͤnde in erwegung ziehen, ob ſie wahr-
heiten annehmen, vertragen oder mißbrau-
chen koͤnnen und dergleichen.
§. 17. Letzlich muͤſſen alle andere umſtaͤn-
de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des
wohlſtandes uͤberhaupt, fuͤrnemlich die regeln
der gerechtigkeit und honnettete, ſorgfaͤltig in
be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/32>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.