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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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des stili insonderheit.
gei gemüth nicht in solche bekümmerniß gera-
then seyn, daß er in dem unergründlichen meere
einen grund seiner leidenschaft gesuchet. Und
derienige ist ohnstreitig unter die klugen zu rech-
nen, welcher nach den befehlen der vernunft,
sich bald so, bald anders aufführet. Also scheint
zwischen der bewegungs kraft des gemüthes
durch die verderbte einbildung, und durch die
verbesserte vernunft der gröste unterschied da-
rinn zubestehen, daß iene durch die menschliche
neigungen, theils närrische theils schädliche
würckungen herfürbringet, diese hingegen,
durch eben selbige, unumgänglich nöthige und
nützliche veränderungen verursachet. Beyde
sind also bewegende ursachen des menschlichen
glücks und unglücks, nur daß iene dem glücke
mehrentheils unterlieget, oder an statt eines
balles mit dem menschen zu spielen pfleget, diese
aber auch dem glücke befehlen und mitten un-
ter den mördlichsten waffen und feindseligkeiten
dennoch triumphiren kan. Mehr redete ich,
mehr hätte ich zu reden, allein ich besorge, H.
und H. A. meine stammlende zunge werde ver-
mögend seyn, Dero beständig geneigtes auf-
mercken, in einen wiederwillen zu verändern.
Redete ich also mit leuten, welche nur den nah-
men von dem Christenthum entlehnet, so wür-
de ich zum beschluß mich bemühen müssen, ihre
gemüther von den irrdischen wandelbahren
thälern, auf die unbeweglich stehende berge
Jsraelis zu führen. Denn wer da stehet darf

sich
S 2

des ſtili inſonderheit.
gei gemuͤth nicht in ſolche bekuͤmmerniß gera-
then ſeyn, daß er in dem unergruͤndlichen meere
einen grund ſeiner leidenſchaft geſuchet. Und
derienige iſt ohnſtreitig unter die klugen zu rech-
nen, welcher nach den befehlen der vernunft,
ſich bald ſo, bald anders auffuͤhret. Alſo ſcheint
zwiſchen der bewegungs kraft des gemuͤthes
durch die verderbte einbildung, und durch die
verbeſſerte vernunft der groͤſte unterſchied da-
rinn zubeſtehen, daß iene durch die menſchliche
neigungen, theils naͤrriſche theils ſchaͤdliche
wuͤrckungen herfuͤrbringet, dieſe hingegen,
durch eben ſelbige, unumgaͤnglich noͤthige und
nuͤtzliche veraͤnderungen verurſachet. Beyde
ſind alſo bewegende urſachen des menſchlichen
gluͤcks und ungluͤcks, nur daß iene dem gluͤcke
mehrentheils unterlieget, oder an ſtatt eines
balles mit dem menſchen zu ſpielen pfleget, dieſe
aber auch dem gluͤcke befehlen und mitten un-
ter den moͤrdlichſten waffen uñ feindſeligkeiten
dennoch triumphiren kan. Mehr redete ich,
mehr haͤtte ich zu reden, allein ich beſorge, H.
und H. A. meine ſtammlende zunge werde ver-
moͤgend ſeyn, Dero beſtaͤndig geneigtes auf-
mercken, in einen wiederwillen zu veraͤndern.
Redete ich alſo mit leuten, welche nur den nah-
men von dem Chriſtenthum entlehnet, ſo wuͤr-
de ich zum beſchluß mich bemuͤhen muͤſſen, ihre
gemuͤther von den irrdiſchen wandelbahren
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Jſraelis zu fuͤhren. Denn wer da ſtehet darf

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[275/0293] des ſtili inſonderheit. gei gemuͤth nicht in ſolche bekuͤmmerniß gera- then ſeyn, daß er in dem unergruͤndlichen meere einen grund ſeiner leidenſchaft geſuchet. Und derienige iſt ohnſtreitig unter die klugen zu rech- nen, welcher nach den befehlen der vernunft, ſich bald ſo, bald anders auffuͤhret. Alſo ſcheint zwiſchen der bewegungs kraft des gemuͤthes durch die verderbte einbildung, und durch die verbeſſerte vernunft der groͤſte unterſchied da- rinn zubeſtehen, daß iene durch die menſchliche neigungen, theils naͤrriſche theils ſchaͤdliche wuͤrckungen herfuͤrbringet, dieſe hingegen, durch eben ſelbige, unumgaͤnglich noͤthige und nuͤtzliche veraͤnderungen verurſachet. Beyde ſind alſo bewegende urſachen des menſchlichen gluͤcks und ungluͤcks, nur daß iene dem gluͤcke mehrentheils unterlieget, oder an ſtatt eines balles mit dem menſchen zu ſpielen pfleget, dieſe aber auch dem gluͤcke befehlen und mitten un- ter den moͤrdlichſten waffen uñ feindſeligkeiten dennoch triumphiren kan. Mehr redete ich, mehr haͤtte ich zu reden, allein ich beſorge, H. und H. A. meine ſtammlende zunge werde ver- moͤgend ſeyn, Dero beſtaͤndig geneigtes auf- mercken, in einen wiederwillen zu veraͤndern. Redete ich alſo mit leuten, welche nur den nah- men von dem Chriſtenthum entlehnet, ſo wuͤr- de ich zum beſchluß mich bemuͤhen muͤſſen, ihre gemuͤther von den irrdiſchen wandelbahren thaͤlern, auf die unbeweglich ſtehende berge Jſraelis zu fuͤhren. Denn wer da ſtehet darf ſich S 2

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/293>, abgerufen am 25.11.2024.