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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von denen unterschiedenen arten
bloß darauf, daß uns die geburt den purpur zu
verehrenauferlegte, da die freye wahl bey den al-
ten nur wohl verdienten die kronen aufgesetzet,
so möchte ich wissen, wer unter uns zum regieren
tüchtige personen aussuchen solte. Es mü-
sten solches ohnfehlbar leute seyn, welche eben-
falls nicht die geburt oder reichthum, sondern
die weißheit von andern unterschieden hätte,
und die müsten wiederum von denen aufgesu-
chet werden, welche keinen geringen grad der
weißheit erstiegen, diese von ebenfalls weisen
leuten. Auf solche art würde man von dem
gantzen menschlichen geschlecht etwas fodern,
welches man nur im stande der unschuld bey
demselben gefunden, und welches nur in ienem
leben vollkommen zu hoffen, nemlich eine all-
gemeine weißheit. Wen das recht der nach-
folge auf den fürstlichen stuhl gesetzet, hat ohne
dem eben so viel ursachen, sich durch fürstliche
tugenden dem volcke beliebt zu machen als wen
die freye wahl dazu erhoben. Jn den alten
zeiten musten sich unzehliche länder zu den
füssen eines eintzigen legen, und seinen neigun-
gen fast blinden gehorsam leisten; bey uns
hält die grosse anzahl der zugleich regierenden
häupter, sie selbst untereinander in den gehö-
rigen schrancken der billichkeit, und hat ia die
üble auferziehung das gute, welches man
von einem printzen erwarten konte, in der blü-
te der iahre zum theil ersticket, so ist der kluge
rath getreuer minister, die furcht für auswär-

tiger

von denen unterſchiedenen arten
bloß darauf, daß uns die geburt den purpur zu
verehrenauferlegte, da die freye wahl bey den al-
ten nur wohl verdienten die kronen aufgeſetzet,
ſo moͤchte ich wiſſen, wer unter uns zum regieren
tuͤchtige perſonen ausſuchen ſolte. Es muͤ-
ſten ſolches ohnfehlbar leute ſeyn, welche eben-
falls nicht die geburt oder reichthum, ſondern
die weißheit von andern unterſchieden haͤtte,
und die muͤſten wiederum von denen aufgeſu-
chet werden, welche keinen geringen grad der
weißheit erſtiegen, dieſe von ebenfalls weiſen
leuten. Auf ſolche art wuͤrde man von dem
gantzen menſchlichen geſchlecht etwas fodern,
welches man nur im ſtande der unſchuld bey
demſelben gefunden, und welches nur in ienem
leben vollkommen zu hoffen, nemlich eine all-
gemeine weißheit. Wen das recht der nach-
folge auf den fuͤrſtlichen ſtuhl geſetzet, hat ohne
dem eben ſo viel urſachen, ſich durch fuͤrſtliche
tugenden dem volcke beliebt zu machen als wen
die freye wahl dazu erhoben. Jn den alten
zeiten muſten ſich unzehliche laͤnder zu den
fuͤſſen eines eintzigen legen, und ſeinen neigun-
gen faſt blinden gehorſam leiſten; bey uns
haͤlt die groſſe anzahl der zugleich regierenden
haͤupter, ſie ſelbſt untereinander in den gehoͤ-
rigen ſchrancken der billichkeit, und hat ia die
uͤble auferziehung das gute, welches man
von einem printzen erwarten konte, in der bluͤ-
te der iahre zum theil erſticket, ſo iſt der kluge
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tiger
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[254/0272] von denen unterſchiedenen arten bloß darauf, daß uns die geburt den purpur zu verehrenauferlegte, da die freye wahl bey den al- ten nur wohl verdienten die kronen aufgeſetzet, ſo moͤchte ich wiſſen, wer unter uns zum regieren tuͤchtige perſonen ausſuchen ſolte. Es muͤ- ſten ſolches ohnfehlbar leute ſeyn, welche eben- falls nicht die geburt oder reichthum, ſondern die weißheit von andern unterſchieden haͤtte, und die muͤſten wiederum von denen aufgeſu- chet werden, welche keinen geringen grad der weißheit erſtiegen, dieſe von ebenfalls weiſen leuten. Auf ſolche art wuͤrde man von dem gantzen menſchlichen geſchlecht etwas fodern, welches man nur im ſtande der unſchuld bey demſelben gefunden, und welches nur in ienem leben vollkommen zu hoffen, nemlich eine all- gemeine weißheit. Wen das recht der nach- folge auf den fuͤrſtlichen ſtuhl geſetzet, hat ohne dem eben ſo viel urſachen, ſich durch fuͤrſtliche tugenden dem volcke beliebt zu machen als wen die freye wahl dazu erhoben. Jn den alten zeiten muſten ſich unzehliche laͤnder zu den fuͤſſen eines eintzigen legen, und ſeinen neigun- gen faſt blinden gehorſam leiſten; bey uns haͤlt die groſſe anzahl der zugleich regierenden haͤupter, ſie ſelbſt untereinander in den gehoͤ- rigen ſchrancken der billichkeit, und hat ia die uͤble auferziehung das gute, welches man von einem printzen erwarten konte, in der bluͤ- te der iahre zum theil erſticket, ſo iſt der kluge rath getreuer miniſter, die furcht fuͤr auswaͤr- tiger

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/272>, abgerufen am 22.11.2024.