nennen alle das schöne was daran ist, und wel- ches ihnen etwa bey lesung eines auctoris, der diese dinge observiret, in das gemüth leuchtet, ein je ne scais quoi, ein pathetisches wesen, eine glück- liche kühnheit, ein ich weiß nicht was.
§. 5. Wer nun seinen ausdruck in eine gu- te form bringen, und einen rechten stilum an- nehmen und gebrauchen will, der betrachtet gleich anfangs das obiectum davon er reden soll, nach allen seinen umständen und eigen- schaften, damit er demselben gemässe gedan- cken fassen und anständige regungen in sich er- wecken könne.a) Hiernächst siehet er auf die umstände, begriffe und neigungen des zu- hörers, und suchet ebenfalls darnach die von dem obiecto gefaste gedancken und regungen zu bilden,b) und endlich erweget er bey sich sei- ne eigene disposition, so wohl zum obiecto und dem zuhörer, als auch zur ausführung des für- gesetzten endzwecks bey seinem ausdruck.c)
a) Bey hohen obiectis muß man hohe gedancken haben, also auch einen stilum sublimem, bey pa- thetischen sachen muß ich solche affecten anneh- men, als das objectum erfodert, also auch einen affectuösen und vehementen stilum. Bey klei- nigkeiten hingegen ist es ungereimt viele hohei- ten suchen, oder bey theoretischen dingen viel affecten spühren lassen. Dannenhero ist es ein- fältig, wann sich die leute nur an einen stilum gewöhnen und alle obiecta gleich durch damit fürbilden, eben so, wie es einfältig wann ein mahler Käyser und Könige, bürger und bauern, warum nicht auch affen und pfauen, in quarre perrüquen und im harnisch mahlen wolte. Wer
und deſſelben eigenſchaften.
nennen alle das ſchoͤne was daran iſt, und wel- ches ihnen etwa bey leſung eines auctoris, der dieſe dinge obſerviret, in das gemuͤth leuchtet, ein je ne ſçais quoi, ein pathetiſches weſen, eine gluͤck- liche kuͤhnheit, ein ich weiß nicht was.
§. 5. Wer nun ſeinen ausdruck in eine gu- te form bringen, und einen rechten ſtilum an- nehmen und gebrauchen will, der betrachtet gleich anfangs das obiectum davon er reden ſoll, nach allen ſeinen umſtaͤnden und eigen- ſchaften, damit er demſelben gemaͤſſe gedan- cken faſſen und anſtaͤndige regungen in ſich er- wecken koͤnne.a) Hiernaͤchſt ſiehet er auf die umſtaͤnde, begriffe und neigungen des zu- hoͤrers, und ſuchet ebenfalls darnach die von dem obiecto gefaſte gedancken und regungen zu bilden,b) und endlich erweget er bey ſich ſei- ne eigene diſpoſition, ſo wohl zum obiecto und dem zuhoͤrer, als auch zur ausfuͤhrung des fuͤr- geſetzten endzwecks bey ſeinem ausdruck.c)
a) Bey hohen obiectis muß man hohe gedancken haben, alſo auch einen ſtilum ſublimem, bey pa- thetiſchen ſachen muß ich ſolche affecten anneh- men, als das objectum erfodert, alſo auch einen affectuoͤſen und vehementen ſtilum. Bey klei- nigkeiten hingegen iſt es ungereimt viele hohei- ten ſuchen, oder bey theoretiſchen dingen viel affecten ſpuͤhren laſſen. Dannenhero iſt es ein- faͤltig, wann ſich die leute nur an einen ſtilum gewoͤhnen und alle obiecta gleich durch damit fuͤrbilden, eben ſo, wie es einfaͤltig wann ein mahler Kaͤyſer und Koͤnige, buͤrger und bauern, warum nicht auch affen und pfauen, in quarre perruͤquen und im harniſch mahlen wolte. Wer
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[203/0221]
und deſſelben eigenſchaften.
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dieſe dinge obſerviret, in das gemuͤth leuchtet, ein
je ne ſçais quoi, ein pathetiſches weſen, eine gluͤck-
liche kuͤhnheit, ein ich weiß nicht was.
§. 5. Wer nun ſeinen ausdruck in eine gu-
te form bringen, und einen rechten ſtilum an-
nehmen und gebrauchen will, der betrachtet
gleich anfangs das obiectum davon er reden
ſoll, nach allen ſeinen umſtaͤnden und eigen-
ſchaften, damit er demſelben gemaͤſſe gedan-
cken faſſen und anſtaͤndige regungen in ſich er-
wecken koͤnne.
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Hiernaͤchſt ſiehet er auf
die umſtaͤnde, begriffe und neigungen des zu-
hoͤrers, und ſuchet ebenfalls darnach die von
dem obiecto gefaſte gedancken und regungen zu
bilden,
b⁾
und endlich erweget er bey ſich ſei-
ne eigene diſpoſition, ſo wohl zum obiecto und
dem zuhoͤrer, als auch zur ausfuͤhrung des fuͤr-
geſetzten endzwecks bey ſeinem ausdruck.
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a⁾ Bey hohen obiectis muß man hohe gedancken
haben, alſo auch einen ſtilum ſublimem, bey pa-
thetiſchen ſachen muß ich ſolche affecten anneh-
men, als das objectum erfodert, alſo auch einen
affectuoͤſen und vehementen ſtilum. Bey klei-
nigkeiten hingegen iſt es ungereimt viele hohei-
ten ſuchen, oder bey theoretiſchen dingen viel
affecten ſpuͤhren laſſen. Dannenhero iſt es ein-
faͤltig, wann ſich die leute nur an einen ſtilum
gewoͤhnen und alle obiecta gleich durch damit
fuͤrbilden, eben ſo, wie es einfaͤltig wann ein
mahler Kaͤyſer und Koͤnige, buͤrger und bauern,
warum nicht auch affen und pfauen, in quarre
perruͤquen und im harniſch mahlen wolte. Wer
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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/221>, abgerufen am 27.07.2024.
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