äusserlichen schönheit mit sichern muthe ver- lassen will: Denn dieser ist einem dünnen glase, welches auch in den fürsichtigsten hän- den leicht zerbricht, billich zu vergleichen, und wird zwar mit einiger vergnügung besessen, hingegen mit vielfältiger sorgfalt gefahr und unruhe bewahret.
§. 19. Weil man aber hierdurch, sonderlich durch die pathetica, die kräfte des menschen in bewegung setzet, so erfodert die gerechtigkeit, daß man niemals malhonnette absichten habe, und wieder die wahrheit und tugend streite, oder den auditoren ohne noth beunruhige. Man muß auch nicht zu weit gehen, sondern sich allezeit in denen schrancken halten, da man für übeln fol- gerungen sicher ist, und also kan man die rege- machung und unterdruckung der affecten, als etwas indifferentes ansehen, welches, wofern wir honnette absichten haben, allezeit unserer freyen disposition überlassen wird.
§. 20. Die regeln der klugheit erfodern, daß man solche mittel, sich der menschen gemü- ther zu bemächtigen, ergreiffe, welche nicht ei- ne contraire würckung herfürbringen, sich im übrigen aber zu den umständen des auditoris, der sache, und des redners schicken, auch in ih- rem äusserlichen schein, die approbation der honnetten welt erhalten können.
Jch verstehe unter der honnetten welt, nicht eben die welt, welche gold und silber auf den kleidern, federn auf den hüten, weißheit und tugend in der einbildung trägt, in der that aber sich den eitelkeiten aufopfert; vielweniger dieienige
welt,
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von bewegungs-gruͤnden.
aͤuſſerlichen ſchoͤnheit mit ſichern muthe ver- laſſen will: Denn dieſer iſt einem duͤnnen glaſe, welches auch in den fuͤrſichtigſten haͤn- den leicht zerbricht, billich zu vergleichen, und wird zwar mit einiger vergnuͤgung beſeſſen, hingegen mit vielfaͤltiger ſorgfalt gefahr und unruhe bewahret.
§. 19. Weil man aber hierdurch, ſonderlich durch die pathetica, die kraͤfte des menſchen in bewegung ſetzet, ſo erfodert die gerechtigkeit, daß man niemals malhonnette abſichten habe, und wieder die wahrheit und tugend ſtreite, oder den auditorẽ ohne noth beunruhige. Man muß auch nicht zu weit gehen, ſondern ſich allezeit in denen ſchrancken halten, da man fuͤr uͤbeln fol- gerungen ſicher iſt, und alſo kan man die rege- machung und unterdruckung der affecten, als etwas indifferentes anſehen, welches, wofern wir honnette abſichten haben, allezeit unſerer freyen diſpoſition uͤberlaſſen wird.
§. 20. Die regeln der klugheit erfodern, daß man ſolche mittel, ſich der menſchen gemuͤ- ther zu bemaͤchtigen, ergreiffe, welche nicht ei- ne contraire wuͤrckung herfuͤrbringen, ſich im uͤbrigen aber zu den umſtaͤnden des auditoris, der ſache, und des redners ſchicken, auch in ih- rem aͤuſſerlichen ſchein, die approbation der honnetten welt erhalten koͤnnen.
Jch verſtehe unter der honnetten welt, nicht eben die welt, welche gold und ſilber auf den kleidern, federn auf den huͤten, weißheit und tugend in der einbildung traͤgt, in der that aber ſich den eitelkeiten aufopfert; vielweniger dieienige
welt,
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aͤuſſerlichen ſchoͤnheit mit ſichern muthe ver-
laſſen will: Denn dieſer iſt einem duͤnnen
glaſe, welches auch in den fuͤrſichtigſten haͤn-
den leicht zerbricht, billich zu vergleichen, und
wird zwar mit einiger vergnuͤgung beſeſſen,
hingegen mit vielfaͤltiger ſorgfalt gefahr und
unruhe bewahret.
§. 19. Weil man aber hierdurch, ſonderlich
durch die pathetica, die kraͤfte des menſchen in
bewegung ſetzet, ſo erfodert die gerechtigkeit,
daß man niemals malhonnette abſichten habe,
und wieder die wahrheit und tugend ſtreite, oder
den auditorẽ ohne noth beunruhige. Man muß
auch nicht zu weit gehen, ſondern ſich allezeit in
denen ſchrancken halten, da man fuͤr uͤbeln fol-
gerungen ſicher iſt, und alſo kan man die rege-
machung und unterdruckung der affecten, als
etwas indifferentes anſehen, welches, wofern
wir honnette abſichten haben, allezeit unſerer
freyen diſpoſition uͤberlaſſen wird.
§. 20. Die regeln der klugheit erfodern,
daß man ſolche mittel, ſich der menſchen gemuͤ-
ther zu bemaͤchtigen, ergreiffe, welche nicht ei-
ne contraire wuͤrckung herfuͤrbringen, ſich im
uͤbrigen aber zu den umſtaͤnden des auditoris,
der ſache, und des redners ſchicken, auch in ih-
rem aͤuſſerlichen ſchein, die approbation der
honnetten welt erhalten koͤnnen.
Jch verſtehe unter der honnetten welt, nicht eben
die welt, welche gold und ſilber auf den kleidern,
federn auf den huͤten, weißheit und tugend in
der einbildung traͤgt, in der that aber ſich den
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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/155>, abgerufen am 29.11.2024.
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