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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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I haubtst. von der wirklichkeit
allgemeine Reichs-landesgesäze, besondere, die per-
sonen, und sachen angehende rechte, zu deren erläu-
terung des Marculfs formulae gehören. Die
capitularia bedeuten überhaubt so vil; als sazun-
gen (gesäze) der fränkischen Könige, und Kaiser über
geistliche, und weltliche händel. Nächstdem ste-
hen diselbe von den eigentlichen gesäzen im enge-
ren sinne zu unterscheiden, wenn sie nur zusäze, und
anhänge derselben abgeben; iedoch hatten sie ge-
säzliche kraft, besage des dü Fresne gloss. unter
dem worte: capitulum. Disen sind beizufügen:
die gesäze der Friesen, Angeln, Werinen, Sach-
sen
etc. Die Sachsen haben iederzeit besondere
gesäze, und eine eigene regirungs-form gehabt.
Jre drei gesäze hat der nunmehr verstorbene
Reichs Hofraht von Gärtner, samt andern, her-
aus gegeben, Leipz. 1730, 4t.

§ 6
ob die alte
teutsche gesäze
noch einigen
nuz haben?

Nach dem irrwahne verschidener gelehrten
sollen die alte teutsche gesäze nichts mehr taugen.
Man räumet zwar ein: daß verschidenes von der-
selben inhalte veraltet, durch die öfteren krige vi-
les vergessen, auch abgeschaffet worden sey; be-
vorab, da der zustand des teutschen Reiches, und
die zeiten in vilen stücken; folglich auch die gesä-
ze, und gewonheiten einigermasen sich geändert
haben; allein bei disen umständen muß man auf
alle zeitpuncte achtung geben; obschon von dem
veralteten keine grosse frage mehr ist; sondern es
stehet auf dasjenige vorzüglich das augenmerk zu
richten, was aus den alten teutschen gesäzen, und
gewonheiten, auch sitten, noch im brauche ist;
anbenebst zur erläuterung der noch im schwange
gehenden überbleibsel dienet, von Senkenberg in
der vorläufigen einleitung etc s. 159 (b). Sol-

chemnach

I haubtſt. von der wirklichkeit
allgemeine Reichs-landesgeſaͤze, beſondere, die per-
ſonen, und ſachen angehende rechte, zu deren erlaͤu-
terung des Marculfs formulae gehoͤren. Die
capitularia bedeuten uͤberhaubt ſo vil; als ſazun-
gen (geſaͤze) der fraͤnkiſchen Koͤnige, und Kaiſer uͤber
geiſtliche, und weltliche haͤndel. Naͤchſtdem ſte-
hen diſelbe von den eigentlichen geſaͤzen im enge-
ren ſinne zu unterſcheiden, wenn ſie nur zuſaͤze, und
anhaͤnge derſelben abgeben; iedoch hatten ſie ge-
ſaͤzliche kraft, beſage des duͤ Fresne gloſſ. unter
dem worte: capitulum. Diſen ſind beizufuͤgen:
die geſaͤze der Frieſen, Angeln, Werinen, Sach-
ſen
ꝛc. Die Sachſen haben iederzeit beſondere
geſaͤze, und eine eigene regirungs-form gehabt.
Jre drei geſaͤze hat der nunmehr verſtorbene
Reichs Hofraht von Gaͤrtner, ſamt andern, her-
aus gegeben, Leipz. 1730, 4t.

§ 6
ob die alte
teutſche geſaͤze
noch einigen
nuz haben?

Nach dem irrwahne verſchidener gelehrten
ſollen die alte teutſche geſaͤze nichts mehr taugen.
Man raͤumet zwar ein: daß verſchidenes von der-
ſelben inhalte veraltet, durch die oͤfteren krige vi-
les vergeſſen, auch abgeſchaffet worden ſey; be-
vorab, da der zuſtand des teutſchen Reiches, und
die zeiten in vilen ſtuͤcken; folglich auch die geſaͤ-
ze, und gewonheiten einigermaſen ſich geaͤndert
haben; allein bei diſen umſtaͤnden muß man auf
alle zeitpuncte achtung geben; obſchon von dem
veralteten keine groſſe frage mehr iſt; ſondern es
ſtehet auf dasjenige vorzuͤglich das augenmerk zu
richten, was aus den alten teutſchen geſaͤzen, und
gewonheiten, auch ſitten, noch im brauche iſt;
anbenebſt zur erlaͤuterung der noch im ſchwange
gehenden uͤberbleibſel dienet, von Senkenberg in
der vorlaͤufigen einleitung ꝛc ſ. 159 (b). Sol-

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[14/0038] I haubtſt. von der wirklichkeit allgemeine Reichs-landesgeſaͤze, beſondere, die per- ſonen, und ſachen angehende rechte, zu deren erlaͤu- terung des Marculfs formulae gehoͤren. Die capitularia bedeuten uͤberhaubt ſo vil; als ſazun- gen (geſaͤze) der fraͤnkiſchen Koͤnige, und Kaiſer uͤber geiſtliche, und weltliche haͤndel. Naͤchſtdem ſte- hen diſelbe von den eigentlichen geſaͤzen im enge- ren ſinne zu unterſcheiden, wenn ſie nur zuſaͤze, und anhaͤnge derſelben abgeben; iedoch hatten ſie ge- ſaͤzliche kraft, beſage des duͤ Fresne gloſſ. unter dem worte: capitulum. Diſen ſind beizufuͤgen: die geſaͤze der Frieſen, Angeln, Werinen, Sach- ſen ꝛc. Die Sachſen haben iederzeit beſondere geſaͤze, und eine eigene regirungs-form gehabt. Jre drei geſaͤze hat der nunmehr verſtorbene Reichs Hofraht von Gaͤrtner, ſamt andern, her- aus gegeben, Leipz. 1730, 4t. § 6 Nach dem irrwahne verſchidener gelehrten ſollen die alte teutſche geſaͤze nichts mehr taugen. Man raͤumet zwar ein: daß verſchidenes von der- ſelben inhalte veraltet, durch die oͤfteren krige vi- les vergeſſen, auch abgeſchaffet worden ſey; be- vorab, da der zuſtand des teutſchen Reiches, und die zeiten in vilen ſtuͤcken; folglich auch die geſaͤ- ze, und gewonheiten einigermaſen ſich geaͤndert haben; allein bei diſen umſtaͤnden muß man auf alle zeitpuncte achtung geben; obſchon von dem veralteten keine groſſe frage mehr iſt; ſondern es ſtehet auf dasjenige vorzuͤglich das augenmerk zu richten, was aus den alten teutſchen geſaͤzen, und gewonheiten, auch ſitten, noch im brauche iſt; anbenebſt zur erlaͤuterung der noch im ſchwange gehenden uͤberbleibſel dienet, von Senkenberg in der vorlaͤufigen einleitung ꝛc ſ. 159 (b). Sol- chemnach

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/38>, abgerufen am 21.11.2024.