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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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von den erben und erbnemen.
wenn man auch findet: daß die Teutsche, nach ein-
gefüreten christentume, die stiftungen der erblasser
zu den seelenmessen gehalten, und erfüllet haben;
so war es doch nicht sowohl bei inen, wie bei den
Römern, ein quasi contractus, als vilmehr der aber-
glaube, und die furcht für den pfaffen; immassen
dise inen, wenn sie die vermächtnisse zur seelen-
messe nicht halten wollten, die hölle heiß genug ma-
cheten. Von einer feierlichen antretung einer erb-
schaft wußte der Teutsche auch nichts, noch war sie
nohtwendig, sondern man ist mit blossen handelun-
gen dißfalls zufriden, woraus abzunemen stehet,
daß einer erbe seyn wolle; sotane handelungen
brauchet der erbe nicht selbst auszuüben, wie bei
den Römern die feierliche antretung einer erbschaft
erfoderte; sondern sie können auch durch gevoll-
mächtigte geschehen. Jnzwischen brauchet nach
dem heutigen gerichtsbrauche das leibliche kind,
als erbe, nach der regel, keine legitimation zur sa-
che; wie allenfalls bei den seiten-verwandten ge-
fodert werden kan, und noch mehr, ein anderer,
welcher erbnahm oder erbgenahm heissen will (§
3110 des 2ten th.), d. i. welcher vermöge des ge-
blütsrechtes nicht sowohl folget; sondern vermittels
eines testamentes, auch kraft eines erbfolge, gedin-
ges, oder besonderen rechtes, z. e. als ganerbe, erb-
verbrüderter. Wenn allso Sachsen gänzlich aus-
sterben sollte, ist Hessen etc. erbnahm. Jnzwischen
werden die erbneme, erbgename etc. öfters überhaubt
von den erben gebrauchet, Haltaus sp. 379 sp. 380,
Hartm. Pistor lib. I qu. 21 u. 3 9 s. 205, Leipz.
1592 gr. 4to, Wachter sp. 383 Besold im the-
sauro pract.
s. 236, unter dem worte: erben, erbne-
men. Von den erbnemen sind unterschiden: die
nachkommen. Dises wort bedeutet nicht allein die
abkömmlinge; sondern auch andere, z. e. ambts-

nach-

von den erben und erbnemen.
wenn man auch findet: daß die Teutſche, nach ein-
gefuͤreten chriſtentume, die ſtiftungen der erblaſſer
zu den ſeelenmeſſen gehalten, und erfuͤllet haben;
ſo war es doch nicht ſowohl bei inen, wie bei den
Roͤmern, ein quaſi contractus, als vilmehr der aber-
glaube, und die furcht fuͤr den pfaffen; immaſſen
diſe inen, wenn ſie die vermaͤchtniſſe zur ſeelen-
meſſe nicht halten wollten, die hoͤlle heiß genug ma-
cheten. Von einer feierlichen antretung einer erb-
ſchaft wußte der Teutſche auch nichts, noch war ſie
nohtwendig, ſondern man iſt mit bloſſen handelun-
gen dißfalls zufriden, woraus abzunemen ſtehet,
daß einer erbe ſeyn wolle; ſotane handelungen
brauchet der erbe nicht ſelbſt auszuuͤben, wie bei
den Roͤmern die feierliche antretung einer erbſchaft
erfoderte; ſondern ſie koͤnnen auch durch gevoll-
maͤchtigte geſchehen. Jnzwiſchen brauchet nach
dem heutigen gerichtsbrauche das leibliche kind,
als erbe, nach der regel, keine legitimation zur ſa-
che; wie allenfalls bei den ſeiten-verwandten ge-
fodert werden kan, und noch mehr, ein anderer,
welcher erbnahm oder erbgenahm heiſſen will (§
3110 des 2ten th.), d. i. welcher vermoͤge des ge-
bluͤtsrechtes nicht ſowohl folget; ſondern vermittels
eines teſtamentes, auch kraft eines erbfolge, gedin-
ges, oder beſonderen rechtes, z. e. als ganerbe, erb-
verbruͤderter. Wenn allſo Sachſen gaͤnzlich aus-
ſterben ſollte, iſt Heſſen ꝛc. erbnahm. Jnzwiſchen
werden die erbneme, erbgename ꝛc. oͤfters uͤberhaubt
von den erben gebrauchet, Haltaus ſp. 379 ſp. 380,
Hartm. Piſtor lib. I qu. 21 u. 3 9 ſ. 205, Leipz.
1592 gr. 4to, Wachter ſp. 383 Beſold im the-
ſauro pract.
ſ. 236, unter dem worte: erben, erbne-
men. Von den erbnemen ſind unterſchiden: die
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[1083/1107] von den erben und erbnemen. wenn man auch findet: daß die Teutſche, nach ein- gefuͤreten chriſtentume, die ſtiftungen der erblaſſer zu den ſeelenmeſſen gehalten, und erfuͤllet haben; ſo war es doch nicht ſowohl bei inen, wie bei den Roͤmern, ein quaſi contractus, als vilmehr der aber- glaube, und die furcht fuͤr den pfaffen; immaſſen diſe inen, wenn ſie die vermaͤchtniſſe zur ſeelen- meſſe nicht halten wollten, die hoͤlle heiß genug ma- cheten. Von einer feierlichen antretung einer erb- ſchaft wußte der Teutſche auch nichts, noch war ſie nohtwendig, ſondern man iſt mit bloſſen handelun- gen dißfalls zufriden, woraus abzunemen ſtehet, daß einer erbe ſeyn wolle; ſotane handelungen brauchet der erbe nicht ſelbſt auszuuͤben, wie bei den Roͤmern die feierliche antretung einer erbſchaft erfoderte; ſondern ſie koͤnnen auch durch gevoll- maͤchtigte geſchehen. Jnzwiſchen brauchet nach dem heutigen gerichtsbrauche das leibliche kind, als erbe, nach der regel, keine legitimation zur ſa- che; wie allenfalls bei den ſeiten-verwandten ge- fodert werden kan, und noch mehr, ein anderer, welcher erbnahm oder erbgenahm heiſſen will (§ 3110 des 2ten th.), d. i. welcher vermoͤge des ge- bluͤtsrechtes nicht ſowohl folget; ſondern vermittels eines teſtamentes, auch kraft eines erbfolge, gedin- ges, oder beſonderen rechtes, z. e. als ganerbe, erb- verbruͤderter. Wenn allſo Sachſen gaͤnzlich aus- ſterben ſollte, iſt Heſſen ꝛc. erbnahm. Jnzwiſchen werden die erbneme, erbgename ꝛc. oͤfters uͤberhaubt von den erben gebrauchet, Haltaus ſp. 379 ſp. 380, Hartm. Piſtor lib. I qu. 21 u. 3 9 ſ. 205, Leipz. 1592 gr. 4to, Wachter ſp. 383 Beſold im the- ſauro pract. ſ. 236, unter dem worte: erben, erbne- men. Von den erbnemen ſind unterſchiden: die nachkommen. Diſes wort bedeutet nicht allein die abkoͤmmlinge; ſondern auch andere, z. e. ambts- nach-

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 1083. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1107>, abgerufen am 22.11.2024.