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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758.

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von den erben und erbnemen.
§ 3103

Erbe bedeutet jeweilen kinder und nachkommen;
immasen bei den Teutschen die kinder erben, und in
deren ermangelung die blutsverwandten waren,
Hert de vet. Germ. populis P. I cap. 3, § 16, s. 32,
vol. II T. I repertorium iuris priuati II s. 1454 § 1.

§ 3104

Das wort erbe ist mit dem Römischen begriffedas wort:
erbe, darf
nicht im
Römischen
verstande
genommen
werden.

eines erben durchaus nicht zu vermischen. Die
Römische meinung, daß ein erbe den verstorbenen
fürstelle, und dessen handelung zu leisten habe, ist
den Teutschen unbekannt gewesen. Denn bei den
Teutschen war der erbe nicht schuldig zu leisten,
was der verstorbene für sich getan hatte, und wie
war der Teutsche schuldig, eine Römische erfin-
dung, oder einbildung für eine wahrheit anzune-
men? Nach ausweise des Florus hilte der Teut-
sche dergleichen Römische spizfindigkeiten für vi-
pern-stiche; wie würde man den Teutschen aushö-
nen, wenn er sagte: der todte färet in den erben,
und schauet disem aus den augen heraus! Gleich-
wol betet man solche Römische alfanzereien kniend
an; als wenn Gott alle weisheit nur auf die Rö-
mer geleget, und andre völkerschaften zur dumm-
heit verurteilet hätte.

§ 3105

Derowegen sahen die Teutschen nicht sowohldie Teutschen
hatten keine
not-erben,
wie die Rö-
mer,

auf den lezt verstorbenen, als ersten erwerber.
Sie wusten von den not-erben, wie die Römer
nichts. Jndeß sagen die Römisch-Teutschen rechts-
gelehrten, wenn einer heut zu tage verstirbet, und
keine kinder, oder verwandten hinterlässet, saget
man: er ist one not-erben verstorben.

§ 3106
von den erben und erbnemen.
§ 3103

Erbe bedeutet jeweilen kinder und nachkommen;
immaſen bei den Teutſchen die kinder erben, und in
deren ermangelung die blutsverwandten waren,
Hert de vet. Germ. populis P. I cap. 3, § 16, ſ. 32,
vol. II T. I repertorium iuris priuati II ſ. 1454 § 1.

§ 3104

Das wort erbe iſt mit dem Roͤmiſchen begriffedas wort:
erbe, darf
nicht im
Roͤmiſchen
verſtande
genommen
werden.

eines erben durchaus nicht zu vermiſchen. Die
Roͤmiſche meinung, daß ein erbe den verſtorbenen
fuͤrſtelle, und deſſen handelung zu leiſten habe, iſt
den Teutſchen unbekannt geweſen. Denn bei den
Teutſchen war der erbe nicht ſchuldig zu leiſten,
was der verſtorbene fuͤr ſich getan hatte, und wie
war der Teutſche ſchuldig, eine Roͤmiſche erfin-
dung, oder einbildung fuͤr eine wahrheit anzune-
men? Nach ausweiſe des Florus hilte der Teut-
ſche dergleichen Roͤmiſche ſpizfindigkeiten fuͤr vi-
pern-ſtiche; wie wuͤrde man den Teutſchen aushoͤ-
nen, wenn er ſagte: der todte faͤret in den erben,
und ſchauet diſem aus den augen heraus! Gleich-
wol betet man ſolche Roͤmiſche alfanzereien kniend
an; als wenn Gott alle weisheit nur auf die Roͤ-
mer geleget, und andre voͤlkerſchaften zur dumm-
heit verurteilet haͤtte.

§ 3105

Derowegen ſahen die Teutſchen nicht ſowohldie Teutſchen
hatten keine
not-erben,
wie die Roͤ-
mer,

auf den lezt verſtorbenen, als erſten erwerber.
Sie wuſten von den not-erben, wie die Roͤmer
nichts. Jndeß ſagen die Roͤmiſch-Teutſchen rechts-
gelehrten, wenn einer heut zu tage verſtirbet, und
keine kinder, oder verwandten hinterlaͤſſet, ſaget
man: er iſt one not-erben verſtorben.

§ 3106
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[109/0161] von den erben und erbnemen. § 3103 Erbe bedeutet jeweilen kinder und nachkommen; immaſen bei den Teutſchen die kinder erben, und in deren ermangelung die blutsverwandten waren, Hert de vet. Germ. populis P. I cap. 3, § 16, ſ. 32, vol. II T. I repertorium iuris priuati II ſ. 1454 § 1. § 3104 Das wort erbe iſt mit dem Roͤmiſchen begriffe eines erben durchaus nicht zu vermiſchen. Die Roͤmiſche meinung, daß ein erbe den verſtorbenen fuͤrſtelle, und deſſen handelung zu leiſten habe, iſt den Teutſchen unbekannt geweſen. Denn bei den Teutſchen war der erbe nicht ſchuldig zu leiſten, was der verſtorbene fuͤr ſich getan hatte, und wie war der Teutſche ſchuldig, eine Roͤmiſche erfin- dung, oder einbildung fuͤr eine wahrheit anzune- men? Nach ausweiſe des Florus hilte der Teut- ſche dergleichen Roͤmiſche ſpizfindigkeiten fuͤr vi- pern-ſtiche; wie wuͤrde man den Teutſchen aushoͤ- nen, wenn er ſagte: der todte faͤret in den erben, und ſchauet diſem aus den augen heraus! Gleich- wol betet man ſolche Roͤmiſche alfanzereien kniend an; als wenn Gott alle weisheit nur auf die Roͤ- mer geleget, und andre voͤlkerſchaften zur dumm- heit verurteilet haͤtte. das wort: erbe, darf nicht im Roͤmiſchen verſtande genommen werden. § 3105 Derowegen ſahen die Teutſchen nicht ſowohl auf den lezt verſtorbenen, als erſten erwerber. Sie wuſten von den not-erben, wie die Roͤmer nichts. Jndeß ſagen die Roͤmiſch-Teutſchen rechts- gelehrten, wenn einer heut zu tage verſtirbet, und keine kinder, oder verwandten hinterlaͤſſet, ſaget man: er iſt one not-erben verſtorben. die Teutſchen hatten keine not-erben, wie die Roͤ- mer, § 3106

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit02_1758/161>, abgerufen am 22.11.2024.