Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Wieder zog's durchs Laub wie zartes
Rauschen, und die hohen Buchen Steckten ihre Köpf' zusammen, Und sie rauschten: "Seltsam, seltsam, Wer versteht wohl Mädchenherzen?" Und die Sonnenstrahlen huschten Goldigglänzend durch die Stämme, Schmeichelten beim Glockenblümchen Und dem schlanken Farrenkraute Um den köstlich klaren Frühtrunk, Den der Thau in ihren Kelchen Demantglitzernd ausgegossen. Kuckuck lachte aus dem Thalgrund, Und der Meister Specht, der biedre, War schon fleißig bei der Arbeit, Klopfte, daß die Spähne flogen Mahnend in den Schooß des Dirnleins. Gudula erhob sich langsam, Griff zur Seite nach dem Körbchen, Drin in duftend hohen Packen Heilsam Waldkraut eingesammelt, Und schritt sinnend, suchend weiter, Dachte d'ran, daß sie versprochen, Nach den ausgestellten Netzen Und den Sprenkeln auf der Wiese Und nach gutem Fang zu schauen. In Gedanken war sie langsam In dem Walde hingeschritten, Bis er endlich, lichter werdend, An dem Wiesenhange grenzte. Wogend Grün schwamm vor den Blicken, Wieder zog's durchs Laub wie zartes
Rauſchen, und die hohen Buchen Steckten ihre Köpf' zuſammen, Und ſie rauſchten: „Seltſam, ſeltſam, Wer verſteht wohl Mädchenherzen?“ Und die Sonnenſtrahlen huſchten Goldigglänzend durch die Stämme, Schmeichelten beim Glockenblümchen Und dem ſchlanken Farrenkraute Um den köſtlich klaren Frühtrunk, Den der Thau in ihren Kelchen Demantglitzernd ausgegoſſen. Kuckuck lachte aus dem Thalgrund, Und der Meiſter Specht, der biedre, War ſchon fleißig bei der Arbeit, Klopfte, daß die Spähne flogen Mahnend in den Schooß des Dirnleins. Gudula erhob ſich langſam, Griff zur Seite nach dem Körbchen, Drin in duftend hohen Packen Heilſam Waldkraut eingeſammelt, Und ſchritt ſinnend, ſuchend weiter, Dachte d'ran, daß ſie verſprochen, Nach den ausgeſtellten Netzen Und den Sprenkeln auf der Wieſe Und nach gutem Fang zu ſchauen. In Gedanken war ſie langſam In dem Walde hingeſchritten, Bis er endlich, lichter werdend, An dem Wieſenhange grenzte. Wogend Grün ſchwamm vor den Blicken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0082" n="68"/> <lg n="8"> <l>Wieder zog's durchs Laub wie zartes</l><lb/> <l>Rauſchen, und die hohen Buchen</l><lb/> <l>Steckten ihre Köpf' zuſammen,</l><lb/> <l>Und ſie rauſchten: „Seltſam, ſeltſam,</l><lb/> <l>Wer verſteht wohl Mädchenherzen?“</l><lb/> <l>Und die Sonnenſtrahlen huſchten</l><lb/> <l>Goldigglänzend durch die Stämme,</l><lb/> <l>Schmeichelten beim Glockenblümchen</l><lb/> <l>Und dem ſchlanken Farrenkraute</l><lb/> <l>Um den köſtlich klaren Frühtrunk,</l><lb/> <l>Den der Thau in ihren Kelchen</l><lb/> <l>Demantglitzernd ausgegoſſen.</l><lb/> <l>Kuckuck lachte aus dem Thalgrund,</l><lb/> <l>Und der Meiſter Specht, der biedre,</l><lb/> <l>War ſchon fleißig bei der Arbeit,</l><lb/> <l>Klopfte, daß die Spähne flogen</l><lb/> <l>Mahnend in den Schooß des Dirnleins.</l><lb/> <l>Gudula erhob ſich langſam,</l><lb/> <l>Griff zur Seite nach dem Körbchen,</l><lb/> <l>Drin in duftend hohen Packen</l><lb/> <l>Heilſam Waldkraut eingeſammelt,</l><lb/> <l>Und ſchritt ſinnend, ſuchend weiter,</l><lb/> <l>Dachte d'ran, daß ſie verſprochen,</l><lb/> <l>Nach den ausgeſtellten Netzen</l><lb/> <l>Und den Sprenkeln auf der Wieſe</l><lb/> <l>Und nach gutem Fang zu ſchauen.</l><lb/> <l>In Gedanken war ſie langſam</l><lb/> <l>In dem Walde hingeſchritten,</l><lb/> <l>Bis er endlich, lichter werdend,</l><lb/> <l>An dem Wieſenhange grenzte.</l><lb/> <l>Wogend Grün ſchwamm vor den Blicken,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [68/0082]
Wieder zog's durchs Laub wie zartes
Rauſchen, und die hohen Buchen
Steckten ihre Köpf' zuſammen,
Und ſie rauſchten: „Seltſam, ſeltſam,
Wer verſteht wohl Mädchenherzen?“
Und die Sonnenſtrahlen huſchten
Goldigglänzend durch die Stämme,
Schmeichelten beim Glockenblümchen
Und dem ſchlanken Farrenkraute
Um den köſtlich klaren Frühtrunk,
Den der Thau in ihren Kelchen
Demantglitzernd ausgegoſſen.
Kuckuck lachte aus dem Thalgrund,
Und der Meiſter Specht, der biedre,
War ſchon fleißig bei der Arbeit,
Klopfte, daß die Spähne flogen
Mahnend in den Schooß des Dirnleins.
Gudula erhob ſich langſam,
Griff zur Seite nach dem Körbchen,
Drin in duftend hohen Packen
Heilſam Waldkraut eingeſammelt,
Und ſchritt ſinnend, ſuchend weiter,
Dachte d'ran, daß ſie verſprochen,
Nach den ausgeſtellten Netzen
Und den Sprenkeln auf der Wieſe
Und nach gutem Fang zu ſchauen.
In Gedanken war ſie langſam
In dem Walde hingeſchritten,
Bis er endlich, lichter werdend,
An dem Wieſenhange grenzte.
Wogend Grün ſchwamm vor den Blicken,
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Zitationshilfe: | Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/82>, abgerufen am 16.02.2025. |