Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Als der Vater heimgegangen, Hat die Noth wohl angefangen Sich ins Häuslein einzuschleichen, Geld und Gut wollt' nicht mehr reichen, Mutter nirgends Hülf' erblickte, Bis sie uns der Herrgott schickte, Bis im Hospital Frau Dorten Kräutersammlerin geworden. Nun giebt's garnichts mehr zu klagen, Leben dort mit viel Behagen, Und ich denk' mit frohem Sinn, Daß ich wahrhaft glücklich bin!" Lachend hat's die Maid gesprochen Und sich plötzlich unterbrochen: "Fräulein, halt! auf Euerm Pfade Waltet heute Gottes Gnade Und viel Glück, -- doch unberufen! Seht vor Eures Rosses Hufen Im Gestein hier, frank und frei, Sproßt das Kräutlein Wohlverleih!" Gudula hat sich gebücket Und das Blümlein schnell gepflücket, Reicht's empor: "Was es wird bringen, Fräulein, laßt mich Euch jetzt singen: Wandle hurtig, holde Maid, Hin zum grünen Walde, Suche Dir zur Sommerszeit Blümlein wohlgestalte, Laß die Aeuglein geh'n im Rund, Gieb fein acht, welch' Glöcklein bunt Blüht auf Deinem Wege. Als der Vater heimgegangen, Hat die Noth wohl angefangen Sich ins Häuslein einzuſchleichen, Geld und Gut wollt' nicht mehr reichen, Mutter nirgends Hülf' erblickte, Bis ſie uns der Herrgott ſchickte, Bis im Hospital Frau Dorten Kräuterſammlerin geworden. Nun giebt's garnichts mehr zu klagen, Leben dort mit viel Behagen, Und ich denk' mit frohem Sinn, Daß ich wahrhaft glücklich bin!“ Lachend hat's die Maid geſprochen Und ſich plötzlich unterbrochen: „Fräulein, halt! auf Euerm Pfade Waltet heute Gottes Gnade Und viel Glück, — doch unberufen! Seht vor Eures Roſſes Hufen Im Geſtein hier, frank und frei, Sproßt das Kräutlein Wohlverleih!“ Gudula hat ſich gebücket Und das Blümlein ſchnell gepflücket, Reicht's empor: „Was es wird bringen, Fräulein, laßt mich Euch jetzt ſingen: Wandle hurtig, holde Maid, Hin zum grünen Walde, Suche Dir zur Sommerszeit Blümlein wohlgeſtalte, Laß die Aeuglein geh'n im Rund, Gieb fein acht, welch' Glöcklein bunt Blüht auf Deinem Wege. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0117" n="103"/> <lg n="5"> <l>Als der Vater heimgegangen,</l><lb/> <l>Hat die Noth wohl angefangen</l><lb/> <l>Sich ins Häuslein einzuſchleichen,</l><lb/> <l>Geld und Gut wollt' nicht mehr reichen,</l><lb/> <l>Mutter nirgends Hülf' erblickte,</l><lb/> <l>Bis ſie uns der Herrgott ſchickte,</l><lb/> <l>Bis im Hospital Frau Dorten</l><lb/> <l>Kräuterſammlerin geworden.</l><lb/> <l>Nun giebt's garnichts mehr zu klagen,</l><lb/> <l>Leben dort mit viel Behagen,</l><lb/> <l>Und ich denk' mit frohem Sinn,</l><lb/> <l>Daß ich wahrhaft glücklich bin!“</l><lb/> <l>Lachend hat's die Maid geſprochen</l><lb/> <l>Und ſich plötzlich unterbrochen:</l><lb/> <l>„Fräulein, halt! auf Euerm Pfade</l><lb/> <l>Waltet heute Gottes Gnade</l><lb/> <l>Und viel Glück, — doch unberufen!</l><lb/> <l>Seht vor Eures Roſſes Hufen</l><lb/> <l>Im Geſtein hier, frank und frei,</l><lb/> <l>Sproßt das Kräutlein Wohlverleih!“</l><lb/> <l>Gudula hat ſich gebücket</l><lb/> <l>Und das Blümlein ſchnell gepflücket,</l><lb/> <l>Reicht's empor: „Was es wird bringen,</l><lb/> <l>Fräulein, laßt mich Euch jetzt ſingen:</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l rendition="#et">Wandle hurtig, holde Maid,</l><lb/> <l rendition="#et">Hin zum grünen Walde,</l><lb/> <l rendition="#et">Suche Dir zur Sommerszeit</l><lb/> <l rendition="#et">Blümlein wohlgeſtalte,</l><lb/> <l rendition="#et">Laß die Aeuglein geh'n im Rund,</l><lb/> <l rendition="#et">Gieb fein acht, welch' Glöcklein bunt</l><lb/> <l rendition="#et">Blüht auf Deinem Wege.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [103/0117]
Als der Vater heimgegangen,
Hat die Noth wohl angefangen
Sich ins Häuslein einzuſchleichen,
Geld und Gut wollt' nicht mehr reichen,
Mutter nirgends Hülf' erblickte,
Bis ſie uns der Herrgott ſchickte,
Bis im Hospital Frau Dorten
Kräuterſammlerin geworden.
Nun giebt's garnichts mehr zu klagen,
Leben dort mit viel Behagen,
Und ich denk' mit frohem Sinn,
Daß ich wahrhaft glücklich bin!“
Lachend hat's die Maid geſprochen
Und ſich plötzlich unterbrochen:
„Fräulein, halt! auf Euerm Pfade
Waltet heute Gottes Gnade
Und viel Glück, — doch unberufen!
Seht vor Eures Roſſes Hufen
Im Geſtein hier, frank und frei,
Sproßt das Kräutlein Wohlverleih!“
Gudula hat ſich gebücket
Und das Blümlein ſchnell gepflücket,
Reicht's empor: „Was es wird bringen,
Fräulein, laßt mich Euch jetzt ſingen:
Wandle hurtig, holde Maid,
Hin zum grünen Walde,
Suche Dir zur Sommerszeit
Blümlein wohlgeſtalte,
Laß die Aeuglein geh'n im Rund,
Gieb fein acht, welch' Glöcklein bunt
Blüht auf Deinem Wege.
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Zitationshilfe: | Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/117>, abgerufen am 16.02.2025. |