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Varnhagen von Ense, Karl August: Reiz und Liebe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–79. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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unserm Begegnen sei? Eugenie, der in diesem Augenblick das gestrige Gespräch einfallen mochte, ward über und über roth, ein Feuer, das sich meinem Gesichte sogleich mittheilte, und Therese, die uns Beide so plötzlich erröthen sah, wurde gleichfalls roth, so daß wir seltsam genug alle Drei denselben Zustand äußerten und gewahr wurden. Ich mußte nun mit umkehren, und die vielen Menschen, die uns entgegenkamen und störten, ließen glücklicherweise kein Gespräch zu, in welchem meine Verlegenheit sich unfehlbar offenbart hätte, denn die Dinge, die ich vorgehen sah, hörten nicht auf mich zu verwirren. Ich wußte nicht, wie ich Eugeniens Munterkeit, die keinen Groll im Hintergründe zeigte, zu nehmen habe, denn ich konnte keinen Grund ersinnen, der sie heute so innig versöhnt mit Derjenigen spazieren gehen ließ, durch deren bloße Erwähnung sie noch gestern so feindselig angeregt wurde. Therese machte mir freundliche Vorwürfe, daß ich sie so lange nicht besucht und auch im Schauspiel fast gar nicht mehr zu sehn sei; sie habe geglaubt, ich sei krank oder vielleicht nicht mehr in Wien, bis ihr heute auf der Probe, von der sie eben herkämen, Eugenie gesagt, o ich sei noch gar sehr hier, denn ich habe sie gestern erst tüchtig geärgert. Das geht doch zu weit, dachte ich; also mit gutem Bewußtsein übt sie diese Freundlichkeit und hat wohl gar des Gegenstandes erwähnt, über den wir gesprochen? Ist das angelegte, weitaussehende Verstellung oder unbegreiflicher Leichtsinn? Therese fragte darauf

unserm Begegnen sei? Eugenie, der in diesem Augenblick das gestrige Gespräch einfallen mochte, ward über und über roth, ein Feuer, das sich meinem Gesichte sogleich mittheilte, und Therese, die uns Beide so plötzlich erröthen sah, wurde gleichfalls roth, so daß wir seltsam genug alle Drei denselben Zustand äußerten und gewahr wurden. Ich mußte nun mit umkehren, und die vielen Menschen, die uns entgegenkamen und störten, ließen glücklicherweise kein Gespräch zu, in welchem meine Verlegenheit sich unfehlbar offenbart hätte, denn die Dinge, die ich vorgehen sah, hörten nicht auf mich zu verwirren. Ich wußte nicht, wie ich Eugeniens Munterkeit, die keinen Groll im Hintergründe zeigte, zu nehmen habe, denn ich konnte keinen Grund ersinnen, der sie heute so innig versöhnt mit Derjenigen spazieren gehen ließ, durch deren bloße Erwähnung sie noch gestern so feindselig angeregt wurde. Therese machte mir freundliche Vorwürfe, daß ich sie so lange nicht besucht und auch im Schauspiel fast gar nicht mehr zu sehn sei; sie habe geglaubt, ich sei krank oder vielleicht nicht mehr in Wien, bis ihr heute auf der Probe, von der sie eben herkämen, Eugenie gesagt, o ich sei noch gar sehr hier, denn ich habe sie gestern erst tüchtig geärgert. Das geht doch zu weit, dachte ich; also mit gutem Bewußtsein übt sie diese Freundlichkeit und hat wohl gar des Gegenstandes erwähnt, über den wir gesprochen? Ist das angelegte, weitaussehende Verstellung oder unbegreiflicher Leichtsinn? Therese fragte darauf

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[0046] unserm Begegnen sei? Eugenie, der in diesem Augenblick das gestrige Gespräch einfallen mochte, ward über und über roth, ein Feuer, das sich meinem Gesichte sogleich mittheilte, und Therese, die uns Beide so plötzlich erröthen sah, wurde gleichfalls roth, so daß wir seltsam genug alle Drei denselben Zustand äußerten und gewahr wurden. Ich mußte nun mit umkehren, und die vielen Menschen, die uns entgegenkamen und störten, ließen glücklicherweise kein Gespräch zu, in welchem meine Verlegenheit sich unfehlbar offenbart hätte, denn die Dinge, die ich vorgehen sah, hörten nicht auf mich zu verwirren. Ich wußte nicht, wie ich Eugeniens Munterkeit, die keinen Groll im Hintergründe zeigte, zu nehmen habe, denn ich konnte keinen Grund ersinnen, der sie heute so innig versöhnt mit Derjenigen spazieren gehen ließ, durch deren bloße Erwähnung sie noch gestern so feindselig angeregt wurde. Therese machte mir freundliche Vorwürfe, daß ich sie so lange nicht besucht und auch im Schauspiel fast gar nicht mehr zu sehn sei; sie habe geglaubt, ich sei krank oder vielleicht nicht mehr in Wien, bis ihr heute auf der Probe, von der sie eben herkämen, Eugenie gesagt, o ich sei noch gar sehr hier, denn ich habe sie gestern erst tüchtig geärgert. Das geht doch zu weit, dachte ich; also mit gutem Bewußtsein übt sie diese Freundlichkeit und hat wohl gar des Gegenstandes erwähnt, über den wir gesprochen? Ist das angelegte, weitaussehende Verstellung oder unbegreiflicher Leichtsinn? Therese fragte darauf

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Reiz und Liebe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–79. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ense_liebe_1910/46>, abgerufen am 22.11.2024.