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Varnhagen von Ense, Karl August: Reiz und Liebe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–79. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Hausgenossen zu betrachten, wollte mir das Zimmer öffnen, um die Rückkunft Eugeniens abzuwarten, allein meine Ungeduld ließ mich nicht ruhen, ich rannte fort und versprach in einer Stunde wiederzukommen. Ich beschloß einen Spaziergang auf der Bastei zu machen, wo die freie Aussicht nach den im Kreise herum aufgethürmten Vorstädten und die vom Lande frisch heranströmende Luft meine beklommene Brust erleichtern sollten. Die Sonne schien prächtig auf den hohen Schnee herab, der Himmel war rein, nur die Ferne schwebte in glänzenden Nebeln. Eine große Anzahl Spaziergänger eilte schon durcheinander hin und nahm mit jedem Augenblicke zu, so daß ich bei der kaiserlichen Burg, wo der Zusammenfluß am größten ist, aus dem Gedränge hinweg und einen einsamern Theil des Walles zu suchen ging.

Kaum war ich eine Strecke fortgeschritten, als ich zwei Frauenzimmer daherkommen sah und meinen Augen nicht trauen wollte, die Theresen und Eugenien in ihnen zu erkennen glaubten. Das fremdartigste Erstaunen hemmte meinen Schritt, ich blieb verwundert stehen, und indem ich noch ungewiß überlegte, ob sie es wären, wurden mir alle Zweifel benommen durch die lachende Anrede Eugeniens, der das überraschte und verlegene Wesen, womit ich sie, nachdem ich sie endlich erkannt, begrüßte, noch lange zur Belustigung diente. Therese, die von meiner innern Bewegung keinen Grund wußte, lachte mit und fragte, was denn Außerordentliches an

Hausgenossen zu betrachten, wollte mir das Zimmer öffnen, um die Rückkunft Eugeniens abzuwarten, allein meine Ungeduld ließ mich nicht ruhen, ich rannte fort und versprach in einer Stunde wiederzukommen. Ich beschloß einen Spaziergang auf der Bastei zu machen, wo die freie Aussicht nach den im Kreise herum aufgethürmten Vorstädten und die vom Lande frisch heranströmende Luft meine beklommene Brust erleichtern sollten. Die Sonne schien prächtig auf den hohen Schnee herab, der Himmel war rein, nur die Ferne schwebte in glänzenden Nebeln. Eine große Anzahl Spaziergänger eilte schon durcheinander hin und nahm mit jedem Augenblicke zu, so daß ich bei der kaiserlichen Burg, wo der Zusammenfluß am größten ist, aus dem Gedränge hinweg und einen einsamern Theil des Walles zu suchen ging.

Kaum war ich eine Strecke fortgeschritten, als ich zwei Frauenzimmer daherkommen sah und meinen Augen nicht trauen wollte, die Theresen und Eugenien in ihnen zu erkennen glaubten. Das fremdartigste Erstaunen hemmte meinen Schritt, ich blieb verwundert stehen, und indem ich noch ungewiß überlegte, ob sie es wären, wurden mir alle Zweifel benommen durch die lachende Anrede Eugeniens, der das überraschte und verlegene Wesen, womit ich sie, nachdem ich sie endlich erkannt, begrüßte, noch lange zur Belustigung diente. Therese, die von meiner innern Bewegung keinen Grund wußte, lachte mit und fragte, was denn Außerordentliches an

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Reiz und Liebe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–79. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ense_liebe_1910/45>, abgerufen am 24.11.2024.