Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Reiz und Liebe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–79. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

geschmackvolles Theegeräthe wurde hereingebracht, eine Fülle ausländischer Blumen prangte an den Fenstern, englische Kupferstiche hingen an der Wand, und der schönste, geschmackvollste Hausrath enthielt zugleich einen Schrank voll Bücher in den prächtigsten Bänden. In ihrem Anzug war etwas Eigenes von zierlicher Bescheidenheit, Alles saß ihr gut und genau wie es sollte, der schönste Körperbau war sichtbar und verhüllt, ein hinreißender Anblick! Nach wenigen Worten schien unser Zusammensein schon eine lange Gewohnheit, sie war überaus gütig, ja so zuvorkommend mit vertraulichen Aeußerungen, daß ich ganz wie ein alter, vieljähriger Bekannter war und mich nicht erinnere, jemals wieder ein so zufriedenes Behagen, eine so heimische Ruhe empfunden zu haben. Die Kinder kamen herein, und durch ihr vergnügtes, spielhaftes Anschmiegen erhielt unser Gespräch die munterste Bewegung, schwankend in willkommenen Störungen. Der tiefste Ernst wechselte mit kindischer Lust, und Eugenie und ich befanden uns dabei nicht schlimmer, als die Kinder, die außerordentlich zufrieden waren. Mir entfuhr dazwischen eine Redensart, die, sobald man sie mit Absicht gesprochen glaubte, einen dreisten Vorwitz auszudrücken schien; mich verdroß es ungemein, den Ausdruck gebraucht zu haben, der mir doch nie entschlüpft wäre, wenn meine Seele irgend ein Arg dabei gehabt hätte. Allein Eugenie befreite mich auf die liebenswürdigste Weise aus meiner Verlegenheit, indem sie meine Frage,

geschmackvolles Theegeräthe wurde hereingebracht, eine Fülle ausländischer Blumen prangte an den Fenstern, englische Kupferstiche hingen an der Wand, und der schönste, geschmackvollste Hausrath enthielt zugleich einen Schrank voll Bücher in den prächtigsten Bänden. In ihrem Anzug war etwas Eigenes von zierlicher Bescheidenheit, Alles saß ihr gut und genau wie es sollte, der schönste Körperbau war sichtbar und verhüllt, ein hinreißender Anblick! Nach wenigen Worten schien unser Zusammensein schon eine lange Gewohnheit, sie war überaus gütig, ja so zuvorkommend mit vertraulichen Aeußerungen, daß ich ganz wie ein alter, vieljähriger Bekannter war und mich nicht erinnere, jemals wieder ein so zufriedenes Behagen, eine so heimische Ruhe empfunden zu haben. Die Kinder kamen herein, und durch ihr vergnügtes, spielhaftes Anschmiegen erhielt unser Gespräch die munterste Bewegung, schwankend in willkommenen Störungen. Der tiefste Ernst wechselte mit kindischer Lust, und Eugenie und ich befanden uns dabei nicht schlimmer, als die Kinder, die außerordentlich zufrieden waren. Mir entfuhr dazwischen eine Redensart, die, sobald man sie mit Absicht gesprochen glaubte, einen dreisten Vorwitz auszudrücken schien; mich verdroß es ungemein, den Ausdruck gebraucht zu haben, der mir doch nie entschlüpft wäre, wenn meine Seele irgend ein Arg dabei gehabt hätte. Allein Eugenie befreite mich auf die liebenswürdigste Weise aus meiner Verlegenheit, indem sie meine Frage,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0023"/>
geschmackvolles                Theegeräthe wurde hereingebracht, eine Fülle ausländischer Blumen prangte an den                Fenstern, englische Kupferstiche hingen an der Wand, und der schönste,                geschmackvollste Hausrath enthielt zugleich einen Schrank voll Bücher in den                prächtigsten Bänden. In ihrem Anzug war etwas Eigenes von zierlicher Bescheidenheit,                Alles saß ihr gut und genau wie es sollte, der schönste Körperbau war sichtbar und                verhüllt, ein hinreißender Anblick! Nach wenigen Worten schien unser Zusammensein                schon eine lange Gewohnheit, sie war überaus gütig, ja so zuvorkommend mit                vertraulichen Aeußerungen, daß ich ganz wie ein alter, vieljähriger Bekannter war und                mich nicht erinnere, jemals wieder ein so zufriedenes Behagen, eine so heimische Ruhe                empfunden zu haben. Die Kinder kamen herein, und durch ihr vergnügtes, spielhaftes                Anschmiegen erhielt unser Gespräch die munterste Bewegung, schwankend in willkommenen                Störungen. Der tiefste Ernst wechselte mit kindischer Lust, und Eugenie und ich                befanden uns dabei nicht schlimmer, als die Kinder, die außerordentlich zufrieden                waren. Mir entfuhr dazwischen eine Redensart, die, sobald man sie mit Absicht                gesprochen glaubte, einen dreisten Vorwitz auszudrücken schien; mich verdroß es                ungemein, den Ausdruck gebraucht zu haben, der mir doch nie entschlüpft wäre, wenn                meine Seele irgend ein Arg dabei gehabt hätte. Allein Eugenie befreite mich auf die                liebenswürdigste Weise aus meiner Verlegenheit, indem sie meine Frage,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] geschmackvolles Theegeräthe wurde hereingebracht, eine Fülle ausländischer Blumen prangte an den Fenstern, englische Kupferstiche hingen an der Wand, und der schönste, geschmackvollste Hausrath enthielt zugleich einen Schrank voll Bücher in den prächtigsten Bänden. In ihrem Anzug war etwas Eigenes von zierlicher Bescheidenheit, Alles saß ihr gut und genau wie es sollte, der schönste Körperbau war sichtbar und verhüllt, ein hinreißender Anblick! Nach wenigen Worten schien unser Zusammensein schon eine lange Gewohnheit, sie war überaus gütig, ja so zuvorkommend mit vertraulichen Aeußerungen, daß ich ganz wie ein alter, vieljähriger Bekannter war und mich nicht erinnere, jemals wieder ein so zufriedenes Behagen, eine so heimische Ruhe empfunden zu haben. Die Kinder kamen herein, und durch ihr vergnügtes, spielhaftes Anschmiegen erhielt unser Gespräch die munterste Bewegung, schwankend in willkommenen Störungen. Der tiefste Ernst wechselte mit kindischer Lust, und Eugenie und ich befanden uns dabei nicht schlimmer, als die Kinder, die außerordentlich zufrieden waren. Mir entfuhr dazwischen eine Redensart, die, sobald man sie mit Absicht gesprochen glaubte, einen dreisten Vorwitz auszudrücken schien; mich verdroß es ungemein, den Ausdruck gebraucht zu haben, der mir doch nie entschlüpft wäre, wenn meine Seele irgend ein Arg dabei gehabt hätte. Allein Eugenie befreite mich auf die liebenswürdigste Weise aus meiner Verlegenheit, indem sie meine Frage,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:43:47Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:43:47Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ense_liebe_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ense_liebe_1910/23
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Reiz und Liebe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–79. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ense_liebe_1910/23>, abgerufen am 25.11.2024.