Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

pen_499.001
wird. Man sieht ganz deutlich, daß pen_499.002
bei ihnen diese Freiheit nicht Nachlässigkeit, pen_499.003
daß sie mit Fleiß gesuchte und bedeutende pen_499.004
Schönheit ist. In Liedern hingegen pen_499.005
wäre eine solche Freiheit wahre pen_499.006
Nachlässigkeit, wahrer Flecken. In diesen pen_499.007
erwartet man weit mehr Einförmigkeit pen_499.008
in Beobachtung der Abschnitte; man pen_499.009
erlaubt weniger Verschlingung der Zeilen, pen_499.010
weniger Verflechtung der Perioden; mit pen_499.011
dem Schluß jeder Strophe will man, daß pen_499.012
der Gedanke vollendet, die Periode geschlossen pen_499.013
sei. - Ferner liebt der Odendichter pen_499.014
die vollern, tönendern, prächtigern pen_499.015
Sylbenmaße, die den Mund mehr pen_499.016
füllen, den Athem mehr anstrengen; auch pen_499.017
die aus mancherlei Füßen zusammengesetzen, pen_499.018
die weniger bestimmten, die sich pen_499.019
wie der Hexameter mannichfaltig ausbilden pen_499.020
lassen: so, daß er auch hier sich Freiheit

pen_499.001
wird. Man sieht ganz deutlich, daß pen_499.002
bei ihnen diese Freiheit nicht Nachlässigkeit, pen_499.003
daß sie mit Fleiß gesuchte und bedeutende pen_499.004
Schönheit ist. In Liedern hingegen pen_499.005
wäre eine solche Freiheit wahre pen_499.006
Nachlässigkeit, wahrer Flecken. In diesen pen_499.007
erwartet man weit mehr Einförmigkeit pen_499.008
in Beobachtung der Abschnitte; man pen_499.009
erlaubt weniger Verschlingung der Zeilen, pen_499.010
weniger Verflechtung der Perioden; mit pen_499.011
dem Schluß jeder Strophe will man, daß pen_499.012
der Gedanke vollendet, die Periode geschlossen pen_499.013
sei. – Ferner liebt der Odendichter pen_499.014
die vollern, tönendern, prächtigern pen_499.015
Sylbenmaße, die den Mund mehr pen_499.016
füllen, den Athem mehr anstrengen; auch pen_499.017
die aus mancherlei Füßen zusammengesetzen, pen_499.018
die weniger bestimmten, die sich pen_499.019
wie der Hexameter mannichfaltig ausbilden pen_499.020
lassen: so, daß er auch hier sich Freiheit 

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0542" n="499"/><lb n="pen_499.001"/>
wird. Man sieht ganz deutlich, daß <lb n="pen_499.002"/>
bei ihnen diese Freiheit nicht Nachlässigkeit, <lb n="pen_499.003"/>
daß sie mit Fleiß gesuchte und bedeutende <lb n="pen_499.004"/>
Schönheit ist. In <hi rendition="#i">Liedern</hi> hingegen <lb n="pen_499.005"/>
wäre eine solche Freiheit wahre <lb n="pen_499.006"/>
Nachlässigkeit, wahrer Flecken. In diesen <lb n="pen_499.007"/>
erwartet man weit mehr Einförmigkeit <lb n="pen_499.008"/>
in Beobachtung der Abschnitte; man <lb n="pen_499.009"/>
erlaubt weniger Verschlingung der Zeilen, <lb n="pen_499.010"/>
weniger Verflechtung der Perioden; mit <lb n="pen_499.011"/>
dem Schluß jeder Strophe will man, daß <lb n="pen_499.012"/>
der Gedanke vollendet, die Periode geschlossen <lb n="pen_499.013"/>
sei. &#x2013; Ferner liebt der Odendichter <lb n="pen_499.014"/>
die vollern, tönendern, prächtigern <lb n="pen_499.015"/>
Sylbenmaße, die den Mund mehr <lb n="pen_499.016"/>
füllen, den Athem mehr anstrengen; auch <lb n="pen_499.017"/>
die aus mancherlei Füßen zusammengesetzen, <lb n="pen_499.018"/>
die weniger bestimmten, die sich <lb n="pen_499.019"/>
wie der Hexameter mannichfaltig ausbilden <lb n="pen_499.020"/>
lassen: so, daß er auch hier sich Freiheit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[499/0542] pen_499.001 wird. Man sieht ganz deutlich, daß pen_499.002 bei ihnen diese Freiheit nicht Nachlässigkeit, pen_499.003 daß sie mit Fleiß gesuchte und bedeutende pen_499.004 Schönheit ist. In Liedern hingegen pen_499.005 wäre eine solche Freiheit wahre pen_499.006 Nachlässigkeit, wahrer Flecken. In diesen pen_499.007 erwartet man weit mehr Einförmigkeit pen_499.008 in Beobachtung der Abschnitte; man pen_499.009 erlaubt weniger Verschlingung der Zeilen, pen_499.010 weniger Verflechtung der Perioden; mit pen_499.011 dem Schluß jeder Strophe will man, daß pen_499.012 der Gedanke vollendet, die Periode geschlossen pen_499.013 sei. – Ferner liebt der Odendichter pen_499.014 die vollern, tönendern, prächtigern pen_499.015 Sylbenmaße, die den Mund mehr pen_499.016 füllen, den Athem mehr anstrengen; auch pen_499.017 die aus mancherlei Füßen zusammengesetzen, pen_499.018 die weniger bestimmten, die sich pen_499.019 wie der Hexameter mannichfaltig ausbilden pen_499.020 lassen: so, daß er auch hier sich Freiheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/542
Zitationshilfe: Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/542>, abgerufen am 22.11.2024.