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Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

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halten, und ist ja leider heut zu Tage es so weit
kommen, daß alle Untreu, Betrügerey, Schalck-
heit, Finantzerey mit dem Titul der Politic
beleget wird. Kan einer den andern berücken
oder betrügen, so wird der erste vor einen vor-
trefslichen Politicum, der andere aber und Be-
trogene vor einen Lappen und einfältigen Men-
schen gehalten. Wohl, sagte jener Bauer zu
Porcilla. Wie du dich dessen mein liebster Bru-
der, noch wohl wirst zu erinnern wissen: Ja
ihr Herren, da ein Wagen ein Wagen, eine Hu-
re eine Hure, und ein Schelm ein Schelm hies-
se, da war es noch gute Zeit, und kunte einer den
andern trauen. Nun aber ein Wagen eine
Chaise, eine Hure eine Dame, und ein Schelm
ein Politicus heisset, so ist die Redligkeit aus der
Welt geflohen, und muß man wohl zusehen,
was man redet, und weme zu trauen ist. Kan
nun ein einfältiger Bauer hierinnen einen Un-
terscheid erkennen, so gieb dich zu frieden: Es
werden auch gescheuete Leuthe seyn, die einen
Unterscheid unter einen Landstreicher und Po-
rels-Doctor, und einen von Jugend auf infor-
mir
ten Artzt, und rechtschaffenen creirten Do-
ctor
machen. Mein werthester Herr Gotthart
sagte Eckarth: Er hat sehr wohl raisonnirt
und geurtheilet: Es bleibet freylich wohl ein
Unterscheid unter einen genereusen Pferd und

Maul-

halten, und iſt ja leider heut zu Tage es ſo weit
kom̃en, daß alle Untreu, Betruͤgerey, Schalck-
heit, Finantzerey mit dem Titul der Politic
beleget wird. Kan einer den andern beruͤcken
oder betruͤgen, ſo wird der erſte vor einen vor-
trefſlichen Politicum, der andere aber und Be-
trogene voꝛ einen Lappen und einfaͤltigen Men-
ſchen gehalten. Wohl, ſagte jener Bauer zu
Porcilla. Wie du dich deſſen mein liebſter Bru-
der, noch wohl wirſt zu erinnern wiſſen: Ja
ihr Herren, da ein Wagen ein Wagen, eine Hu-
re eine Hure, und ein Schelm ein Schelm hieſ-
ſe, da war es noch gute Zeit, und kunte einer den
andern trauen. Nun aber ein Wagen eine
Chaiſe, eine Hure eine Dame, und ein Schelm
ein Politicus heiſſet, ſo iſt die Redligkeit aus der
Welt geflohen, und muß man wohl zuſehen,
was man redet, und weme zu trauen iſt. Kan
nun ein einfaͤltiger Bauer hierinnen einen Un-
terſcheid erkennen, ſo gieb dich zu frieden: Es
werden auch geſcheuete Leuthe ſeyn, die einen
Unterſcheid unter einen Landſtreicher und Po-
rels-Doctor, und einen von Jugend auf infor-
mir
ten Artzt, und rechtſchaffenen creirten Do-
ctor
machen. Mein wertheſter Herr Gotthart
ſagte Eckarth: Er hat ſehr wohl raiſonnirt
und geurtheilet: Es bleibet freylich wohl ein
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[655/0671] halten, und iſt ja leider heut zu Tage es ſo weit kom̃en, daß alle Untreu, Betruͤgerey, Schalck- heit, Finantzerey mit dem Titul der Politic beleget wird. Kan einer den andern beruͤcken oder betruͤgen, ſo wird der erſte vor einen vor- trefſlichen Politicum, der andere aber und Be- trogene voꝛ einen Lappen und einfaͤltigen Men- ſchen gehalten. Wohl, ſagte jener Bauer zu Porcilla. Wie du dich deſſen mein liebſter Bru- der, noch wohl wirſt zu erinnern wiſſen: Ja ihr Herren, da ein Wagen ein Wagen, eine Hu- re eine Hure, und ein Schelm ein Schelm hieſ- ſe, da war es noch gute Zeit, und kunte einer den andern trauen. Nun aber ein Wagen eine Chaiſe, eine Hure eine Dame, und ein Schelm ein Politicus heiſſet, ſo iſt die Redligkeit aus der Welt geflohen, und muß man wohl zuſehen, was man redet, und weme zu trauen iſt. Kan nun ein einfaͤltiger Bauer hierinnen einen Un- terſcheid erkennen, ſo gieb dich zu frieden: Es werden auch geſcheuete Leuthe ſeyn, die einen Unterſcheid unter einen Landſtreicher und Po- rels-Doctor, und einen von Jugend auf infor- mirten Artzt, und rechtſchaffenen creirten Do- ctor machen. Mein wertheſter Herr Gotthart ſagte Eckarth: Er hat ſehr wohl raiſonnirt und geurtheilet: Es bleibet freylich wohl ein Unterſcheid unter einen genereuſen Pferd und Maul-

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Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/671>, abgerufen am 22.11.2024.