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Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

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Mäntel, satzten sich auf die Kutsche und schlief-
fen. Jndem Eckarth in der grösten Andacht
und Nachsinnen sein Pfeiffgen Taback
schmauchte, hörete er in der Stube an denen
Wänden ein Geräusche herumbstreichen, bald
darauff praesentirte sich ein Gespenste dessen
Leib gleich einer Mumie umbhüllet war, die
Augen sahen als ein dunckel rothes Feuer aus;
Eckarth ohne einiges Entsetzen fragte das Ge-
spenste: Wer bist du? was hast du hier zu schaf-
fen! und was ist dein Anliegen? Der Geist
brüllete erstlich erschröcklich, endlich fieng er an:
Wer ich bin, das habe ich nie gewust, biß ich ge-
storben bin, alsdenn habe ich erst erfahren zu
seyn/ der ich zu seyn in meinen Leben mir nicht
eingebildet habe. Jch war alles und doch nichts.
Die Einbildung hatte mich über alle menschli-
che Künste erhoben, und Niemand verstunde
derselben nach mehr als ich. Jch war, du ken-
nest mich wohl Eckarth, ein Soldat, ein Artzt,
und der vornehmsten einer unter denen Land-
streichern, frage mich nicht weiter, ich will dir es
sagen, schaue meine Gestalt recht an, so wirst
du hier vor dir sehen den verwegenen Curidor,
der ich dir ehemahl getreue Dienste dir unwis-
send vielmahl erwiesen habe; Eckarth nahm die
Pfeiffe vom Munde und wolte reden, der Geist
aber sprach, schweige und höre ferner: Wie

offte
K k 4

Maͤntel, ſatzten ſich auf die Kutſche und ſchlief-
fen. Jndem Eckarth in der groͤſten Andacht
und Nachſinnen ſein Pfeiffgen Taback
ſchmauchte, hoͤrete er in der Stube an denen
Waͤnden ein Geraͤuſche herumbſtreichen, bald
darauff præſentirte ſich ein Geſpenſte deſſen
Leib gleich einer Mumie umbhuͤllet war, die
Augen ſahen als ein dunckel rothes Feuer aus;
Eckarth ohne einiges Entſetzen fragte das Ge-
ſpenſte: Wer biſt du? was haſt du hier zu ſchaf-
fen! und was iſt dein Anliegen? Der Geiſt
bruͤllete erſtlich erſchroͤcklich, endlich fieng er an:
Wer ich bin, das habe ich nie gewuſt, biß ich ge-
ſtorben bin, alsdenn habe ich erſt erfahren zu
ſeyn/ der ich zu ſeyn in meinen Leben mir nicht
eingebildet habe. Jch war alles und doch nichts.
Die Einbildung hatte mich uͤber alle menſchli-
che Kuͤnſte erhoben, und Niemand verſtunde
derſelben nach mehr als ich. Jch war, du ken-
neſt mich wohl Eckarth, ein Soldat, ein Artzt,
und der vornehmſten einer unter denen Land-
ſtreichern, frage mich nicht weiter, ich will dir es
ſagen, ſchaue meine Geſtalt recht an, ſo wirſt
du hier vor dir ſehen den verwegenen Curidor,
der ich dir ehemahl getreue Dienſte dir unwiſ-
ſend vielmahl erwieſen habe; Eckarth nahm die
Pfeiffe vom Munde und wolte reden, der Geiſt
aber ſprach, ſchweige und hoͤre ferner: Wie

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[519/0535] Maͤntel, ſatzten ſich auf die Kutſche und ſchlief- fen. Jndem Eckarth in der groͤſten Andacht und Nachſinnen ſein Pfeiffgen Taback ſchmauchte, hoͤrete er in der Stube an denen Waͤnden ein Geraͤuſche herumbſtreichen, bald darauff præſentirte ſich ein Geſpenſte deſſen Leib gleich einer Mumie umbhuͤllet war, die Augen ſahen als ein dunckel rothes Feuer aus; Eckarth ohne einiges Entſetzen fragte das Ge- ſpenſte: Wer biſt du? was haſt du hier zu ſchaf- fen! und was iſt dein Anliegen? Der Geiſt bruͤllete erſtlich erſchroͤcklich, endlich fieng er an: Wer ich bin, das habe ich nie gewuſt, biß ich ge- ſtorben bin, alsdenn habe ich erſt erfahren zu ſeyn/ der ich zu ſeyn in meinen Leben mir nicht eingebildet habe. Jch war alles und doch nichts. Die Einbildung hatte mich uͤber alle menſchli- che Kuͤnſte erhoben, und Niemand verſtunde derſelben nach mehr als ich. Jch war, du ken- neſt mich wohl Eckarth, ein Soldat, ein Artzt, und der vornehmſten einer unter denen Land- ſtreichern, frage mich nicht weiter, ich will dir es ſagen, ſchaue meine Geſtalt recht an, ſo wirſt du hier vor dir ſehen den verwegenen Curidor, der ich dir ehemahl getreue Dienſte dir unwiſ- ſend vielmahl erwieſen habe; Eckarth nahm die Pfeiffe vom Munde und wolte reden, der Geiſt aber ſprach, ſchweige und hoͤre ferner: Wie offte K k 4

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Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/535>, abgerufen am 22.11.2024.