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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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das Gerüst hin, und ich mußte mich nun darauf setzen
und mein Gesicht etwas von der Seite, nach dem Ma¬
ler zu, wenden. -- So saß ich ein paar Minuten ganz
still, ohne mich zu rühren. Aber ich weiß nicht, zuletzt
konnt' ich's gar nicht recht aushalten, bald juckte mich's
da, bald juckte mich's dort. Auch hing mir grade ge¬
genüber ein zerbrochner halber Spiegel, da mußt ich
immerfort hineinsehn, und machte, wenn er eben malte,
aus Langeweile allerlei Gesichter und Grimassen. Der
Maler, der es bemerkte, lachte endlich laut auf und
winckte mir mit der Hand, daß ich wieder aufstehen
sollte. Mein Gesicht auf dem Hirten war auch schon
fertig, und sah so klar aus, das ich mir ordentlich sel¬
ber gefiel.

Er zeichnete nun in der frischen Morgenkühle im¬
mer fleißig fort, während er ein Liedchen dazu sang
und zuweilen durch das offne Fenster in die prächtige
Gegend hinausblickte. Ich aber schnitt mir unterdeß
noch eine Butterstolle und ging damit vergnügt im
Zimmer auf und ab und besah mir die Bilder, die an
der Wand aufgestellt waren. Zwei darunter gefielen
mir ganz besonders gut. "Habt Ihr die auch gemalt?"
frug ich den Maler. "Warum nicht gar!" erwiederte
er, "die sind von den berühmten Meistern Leonardo da
Vinci und Guido Reni -- aber da weißt Du ja doch
nichts davon!" -- Mich ärgerte der Schluß der Rede.
"O," versetzte ich ganz gelassen, "die beiden Meister
kenne ich wie meine eigne Tasche." -- Da machte er
große Augen. "Wie so?" frug er geschwind. "Nun,"

das Geruͤſt hin, und ich mußte mich nun darauf ſetzen
und mein Geſicht etwas von der Seite, nach dem Ma¬
ler zu, wenden. — So ſaß ich ein paar Minuten ganz
ſtill, ohne mich zu ruͤhren. Aber ich weiß nicht, zuletzt
konnt' ich's gar nicht recht aushalten, bald juckte mich's
da, bald juckte mich's dort. Auch hing mir grade ge¬
genuͤber ein zerbrochner halber Spiegel, da mußt ich
immerfort hineinſehn, und machte, wenn er eben malte,
aus Langeweile allerlei Geſichter und Grimaſſen. Der
Maler, der es bemerkte, lachte endlich laut auf und
winckte mir mit der Hand, daß ich wieder aufſtehen
ſollte. Mein Geſicht auf dem Hirten war auch ſchon
fertig, und ſah ſo klar aus, das ich mir ordentlich ſel¬
ber gefiel.

Er zeichnete nun in der friſchen Morgenkuͤhle im¬
mer fleißig fort, waͤhrend er ein Liedchen dazu ſang
und zuweilen durch das offne Fenſter in die praͤchtige
Gegend hinausblickte. Ich aber ſchnitt mir unterdeß
noch eine Butterſtolle und ging damit vergnuͤgt im
Zimmer auf und ab und beſah mir die Bilder, die an
der Wand aufgeſtellt waren. Zwei darunter gefielen
mir ganz beſonders gut. „Habt Ihr die auch gemalt?“
frug ich den Maler. „Warum nicht gar!“ erwiederte
er, „die ſind von den beruͤhmten Meiſtern Leonardo da
Vinci und Guido Reni — aber da weißt Du ja doch
nichts davon!“ — Mich aͤrgerte der Schluß der Rede.
„O,“ verſetzte ich ganz gelaſſen, „die beiden Meiſter
kenne ich wie meine eigne Taſche.“ — Da machte er
große Augen. „Wie ſo?“ frug er geſchwind. „Nun,“

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[89/0099] das Geruͤſt hin, und ich mußte mich nun darauf ſetzen und mein Geſicht etwas von der Seite, nach dem Ma¬ ler zu, wenden. — So ſaß ich ein paar Minuten ganz ſtill, ohne mich zu ruͤhren. Aber ich weiß nicht, zuletzt konnt' ich's gar nicht recht aushalten, bald juckte mich's da, bald juckte mich's dort. Auch hing mir grade ge¬ genuͤber ein zerbrochner halber Spiegel, da mußt ich immerfort hineinſehn, und machte, wenn er eben malte, aus Langeweile allerlei Geſichter und Grimaſſen. Der Maler, der es bemerkte, lachte endlich laut auf und winckte mir mit der Hand, daß ich wieder aufſtehen ſollte. Mein Geſicht auf dem Hirten war auch ſchon fertig, und ſah ſo klar aus, das ich mir ordentlich ſel¬ ber gefiel. Er zeichnete nun in der friſchen Morgenkuͤhle im¬ mer fleißig fort, waͤhrend er ein Liedchen dazu ſang und zuweilen durch das offne Fenſter in die praͤchtige Gegend hinausblickte. Ich aber ſchnitt mir unterdeß noch eine Butterſtolle und ging damit vergnuͤgt im Zimmer auf und ab und beſah mir die Bilder, die an der Wand aufgeſtellt waren. Zwei darunter gefielen mir ganz beſonders gut. „Habt Ihr die auch gemalt?“ frug ich den Maler. „Warum nicht gar!“ erwiederte er, „die ſind von den beruͤhmten Meiſtern Leonardo da Vinci und Guido Reni — aber da weißt Du ja doch nichts davon!“ — Mich aͤrgerte der Schluß der Rede. „O,“ verſetzte ich ganz gelaſſen, „die beiden Meiſter kenne ich wie meine eigne Taſche.“ — Da machte er große Augen. „Wie ſo?“ frug er geſchwind. „Nun,“

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/99>, abgerufen am 23.11.2024.