Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.unverhofft Deutsch sprechen hörte, war es nicht anders Er führte mich lange hin und her durch eine unverhofft Deutſch ſprechen hoͤrte, war es nicht anders Er fuͤhrte mich lange hin und her durch eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0096" n="86"/> unverhofft Deutſch ſprechen hoͤrte, war es nicht anders<lb/> im Herzen, als wenn die Glocke aus meinem Dorfe<lb/> am ſtillen Sonntagsmorgen ploͤtzlich zu mir heruͤber<lb/> klaͤnge. „Gott, willkommen, beſter Herr Landsmann!“<lb/> rief ich aus und ſprang voller Vergnuͤgen von dem<lb/> ſteinernen Brunnen herab. Der junge Mann laͤchelte<lb/> und ſah mich von oben bis unten an. „Aber was treibt<lb/> Ihr denn eigentlich hier in Rom?“ fragte er endlich.<lb/> Da wußte ich nun nicht gleich, was ich ſagen ſollte,<lb/> denn daß ich ſo eben der ſchoͤnen gnaͤdigen Frau nach¬<lb/> ſpraͤnge, moͤcht' ich ihm nicht ſagen. „Ich treibe,“ er¬<lb/> wiederte ich, „mich ſelbſt ein bischen herum, um die<lb/> Welt zu ſehn.“ — „So ſo!“ verſetzte der junge Mann<lb/> und lachte laut auf, „da haben wir ja <hi rendition="#g">ein</hi> Metier.<lb/> Das thu' ich eben auch, um die Welt zu ſehn, und<lb/> hinterdrein abzumalen.“ — „Alſo ein Maler!“ rief<lb/> ich froͤhlich aus, denn mir fiel dabei Herr Leonhard<lb/> und Guido ein. Aber der Herr ließ mich nicht zu<lb/> Worte kommen. „Ich denke,“ ſagte er, „Du gehſt mit<lb/> und fruͤhſtuͤckſt bei mir, da will ich Dich ſelbſt abkon¬<lb/> terfeyen, daß es eine Freude ſeyn ſoll!“ — Das ließ<lb/> ich mir gern gefallen, und wanderte nun mit dem Ma¬<lb/> ler durch die leeren Straßen, wo nur hin und wieder<lb/> erſt einige Fenſterladen aufgemacht wurden und bald<lb/> ein paar weiße Arme, bald ein verſchlafnes Geſichtchen<lb/> in die friſche Morgenluft hinausguckte.</p><lb/> <p>Er fuͤhrte mich lange hin und her durch eine<lb/> Menge konfuſer enger und dunkler Gaſſen, bis wir end¬<lb/> lich in ein altes verraͤuchertes Haus hineinwuſchten.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0096]
unverhofft Deutſch ſprechen hoͤrte, war es nicht anders
im Herzen, als wenn die Glocke aus meinem Dorfe
am ſtillen Sonntagsmorgen ploͤtzlich zu mir heruͤber
klaͤnge. „Gott, willkommen, beſter Herr Landsmann!“
rief ich aus und ſprang voller Vergnuͤgen von dem
ſteinernen Brunnen herab. Der junge Mann laͤchelte
und ſah mich von oben bis unten an. „Aber was treibt
Ihr denn eigentlich hier in Rom?“ fragte er endlich.
Da wußte ich nun nicht gleich, was ich ſagen ſollte,
denn daß ich ſo eben der ſchoͤnen gnaͤdigen Frau nach¬
ſpraͤnge, moͤcht' ich ihm nicht ſagen. „Ich treibe,“ er¬
wiederte ich, „mich ſelbſt ein bischen herum, um die
Welt zu ſehn.“ — „So ſo!“ verſetzte der junge Mann
und lachte laut auf, „da haben wir ja ein Metier.
Das thu' ich eben auch, um die Welt zu ſehn, und
hinterdrein abzumalen.“ — „Alſo ein Maler!“ rief
ich froͤhlich aus, denn mir fiel dabei Herr Leonhard
und Guido ein. Aber der Herr ließ mich nicht zu
Worte kommen. „Ich denke,“ ſagte er, „Du gehſt mit
und fruͤhſtuͤckſt bei mir, da will ich Dich ſelbſt abkon¬
terfeyen, daß es eine Freude ſeyn ſoll!“ — Das ließ
ich mir gern gefallen, und wanderte nun mit dem Ma¬
ler durch die leeren Straßen, wo nur hin und wieder
erſt einige Fenſterladen aufgemacht wurden und bald
ein paar weiße Arme, bald ein verſchlafnes Geſichtchen
in die friſche Morgenluft hinausguckte.
Er fuͤhrte mich lange hin und her durch eine
Menge konfuſer enger und dunkler Gaſſen, bis wir end¬
lich in ein altes verraͤuchertes Haus hineinwuſchten.
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