spazierte damit auf dem Gange vor dem Hause auf und nieder, und spielte und sang das Lied von der schönen Frau, und spielte voll Vergnügen alle meine Lieder durch, die ich damals in den schönen Sommer¬ nächten im Schloßgarten, oder auf der Bank vor dem Zollhause gespielt hatte, daß es weit bis in die Fenster des Schlosses hinüber klang. -- Aber es half alles nichts, es rührte und regte sich Niemand im ganzen Hause. Da steckte ich endlich meine Geige traurig ein, und legte mich auf die Schwelle vor der Hausthür hin, denn ich war sehr müde von dem langen Marsch. Die Nacht war warm, die Blumenbeete vor dem Hause dufteten lieblich, eine Wasserkunst weiter unten im Garten plätscherte immerfort dazwischen. Mir träumte von himmelblauen Blumen, von schönen, dunkelgrü¬ nen, einsamen Gründen, wo Quellen rauschten und Bächlein gingen, und bunte Vögel wunderbar sangen, bis ich endlich fest einschlief.
Als ich aufwachte, rieselte mir die Morgenluft durch alle Glieder. Die Vögel waren schon wach und zwit¬ scherten auf den Bäumen um mich herum, als ob sie mich für'n Narren haben wollten. Ich sprang rasch auf und sah mich nach allen Seiten um. Die Wasser¬ kunst im Garten rauschte noch immerfort, aber in dem Hause war kein Laut zu vernehmen. Ich guckte durch die grünen Jalousien in das eine Zimmer hinein. Da war ein Sopha, und ein großer runder Tisch mit grauer Leinwand verhangen, die Stühle standen alle in großer Ordnung und unverrückt an den Wänden herum; von
ſpazierte damit auf dem Gange vor dem Hauſe auf und nieder, und ſpielte und ſang das Lied von der ſchoͤnen Frau, und ſpielte voll Vergnuͤgen alle meine Lieder durch, die ich damals in den ſchoͤnen Sommer¬ naͤchten im Schloßgarten, oder auf der Bank vor dem Zollhauſe geſpielt hatte, daß es weit bis in die Fenſter des Schloſſes hinuͤber klang. — Aber es half alles nichts, es ruͤhrte und regte ſich Niemand im ganzen Hauſe. Da ſteckte ich endlich meine Geige traurig ein, und legte mich auf die Schwelle vor der Hausthuͤr hin, denn ich war ſehr muͤde von dem langen Marſch. Die Nacht war warm, die Blumenbeete vor dem Hauſe dufteten lieblich, eine Waſſerkunſt weiter unten im Garten plaͤtſcherte immerfort dazwiſchen. Mir traͤumte von himmelblauen Blumen, von ſchoͤnen, dunkelgruͤ¬ nen, einſamen Gruͤnden, wo Quellen rauſchten und Baͤchlein gingen, und bunte Voͤgel wunderbar ſangen, bis ich endlich feſt einſchlief.
Als ich aufwachte, rieſelte mir die Morgenluft durch alle Glieder. Die Voͤgel waren ſchon wach und zwit¬ ſcherten auf den Baͤumen um mich herum, als ob ſie mich fuͤr'n Narren haben wollten. Ich ſprang raſch auf und ſah mich nach allen Seiten um. Die Waſſer¬ kunſt im Garten rauſchte noch immerfort, aber in dem Hauſe war kein Laut zu vernehmen. Ich guckte durch die gruͤnen Jalouſien in das eine Zimmer hinein. Da war ein Sopha, und ein großer runder Tiſch mit grauer Leinwand verhangen, die Stuͤhle ſtanden alle in großer Ordnung und unverruͤckt an den Waͤnden herum; von
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ſpazierte damit auf dem Gange vor dem Hauſe auf
und nieder, und ſpielte und ſang das Lied von der
ſchoͤnen Frau, und ſpielte voll Vergnuͤgen alle meine
Lieder durch, die ich damals in den ſchoͤnen Sommer¬
naͤchten im Schloßgarten, oder auf der Bank vor dem
Zollhauſe geſpielt hatte, daß es weit bis in die Fenſter
des Schloſſes hinuͤber klang. — Aber es half alles nichts,
es ruͤhrte und regte ſich Niemand im ganzen Hauſe.
Da ſteckte ich endlich meine Geige traurig ein, und
legte mich auf die Schwelle vor der Hausthuͤr hin,
denn ich war ſehr muͤde von dem langen Marſch. Die
Nacht war warm, die Blumenbeete vor dem Hauſe
dufteten lieblich, eine Waſſerkunſt weiter unten im
Garten plaͤtſcherte immerfort dazwiſchen. Mir traͤumte
von himmelblauen Blumen, von ſchoͤnen, dunkelgruͤ¬
nen, einſamen Gruͤnden, wo Quellen rauſchten und
Baͤchlein gingen, und bunte Voͤgel wunderbar ſangen,
bis ich endlich feſt einſchlief.
Als ich aufwachte, rieſelte mir die Morgenluft durch
alle Glieder. Die Voͤgel waren ſchon wach und zwit¬
ſcherten auf den Baͤumen um mich herum, als ob ſie
mich fuͤr'n Narren haben wollten. Ich ſprang raſch
auf und ſah mich nach allen Seiten um. Die Waſſer¬
kunſt im Garten rauſchte noch immerfort, aber in dem
Hauſe war kein Laut zu vernehmen. Ich guckte durch
die gruͤnen Jalouſien in das eine Zimmer hinein. Da
war ein Sopha, und ein großer runder Tiſch mit grauer
Leinwand verhangen, die Stuͤhle ſtanden alle in großer
Ordnung und unverruͤckt an den Waͤnden herum; von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/94>, abgerufen am 23.07.2024.
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