Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.prächtigen Rom hatte ich schon zu Hause als Kind Ich kam nun zuerst auf eine große, einsame Haide, F
praͤchtigen Rom hatte ich ſchon zu Hauſe als Kind Ich kam nun zuerſt auf eine große, einſame Haide, F
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="81"/> praͤchtigen Rom hatte ich ſchon zu Hauſe als Kind<lb/> viele wunderbare Geſchichten gehoͤrt, und wenn ich dann<lb/> an Sonntags-Nachmittagen vor der Muͤhle im Graſe<lb/> lag und alles ringsum ſo ſtille war, da dachte ich mir<lb/> Rom wie die ziehenden Wolken uͤber mir, mit wunder¬<lb/> ſamen Bergen und Abgruͤnden am blauen Meer, und<lb/> goldnen Thoren und hohen glaͤnzenden Thuͤrmen, von<lb/> denen Engel in goldenen Gewaͤndern ſangen. — Die<lb/> Nacht war ſchon wieder lange hereingebrochen, und der<lb/> Mond ſchien praͤchtig, als ich endlich auf einem Huͤgel<lb/> aus dem Walde heraustrat, und auf einmal die Stadt<lb/> in der Ferne vor mir ſah. — Das Meer leuchtete von<lb/> weiten, der Himmel blitzte und funkelte unuͤberſehbar<lb/> mit unzaͤhligen Sternen, darunter lag die heilige Stadt,<lb/> von der man nur einen langen Nebelſtreif erkennen<lb/> konnte, wie ein eingeſchlafner Loͤwe auf der ſtillen Erde,<lb/> und Berge ſtanden daneben, wie dunkle Rieſen, die<lb/> ihn bewachten.</p><lb/> <p>Ich kam nun zuerſt auf eine große, einſame Haide,<lb/> auf der es ſo grau und ſtill war, wie im Grabe. Nur<lb/> hin und her ſtand ein altes verfallenes Gemaͤuer oder<lb/> ein trockener wunderbar gewundener Strauch; manch¬<lb/> mal ſchwirrten Nachtvoͤgel durch die Luft, und mein<lb/> eigener Schatten ſtrich immerfort lang und dunkel in<lb/> der Einſamkeit neben mir her. Sie ſagen, daß hier<lb/> eine uralte Stadt und die Frau Venus begraben liegt,<lb/> und die alten Heiden zuweilen noch aus ihren Graͤbern<lb/> heraufſteigen und bei ſtiller Nacht uͤber die Haide gehn<lb/> und die Wanderer verwirren. Aber ich ging immer<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0091]
praͤchtigen Rom hatte ich ſchon zu Hauſe als Kind
viele wunderbare Geſchichten gehoͤrt, und wenn ich dann
an Sonntags-Nachmittagen vor der Muͤhle im Graſe
lag und alles ringsum ſo ſtille war, da dachte ich mir
Rom wie die ziehenden Wolken uͤber mir, mit wunder¬
ſamen Bergen und Abgruͤnden am blauen Meer, und
goldnen Thoren und hohen glaͤnzenden Thuͤrmen, von
denen Engel in goldenen Gewaͤndern ſangen. — Die
Nacht war ſchon wieder lange hereingebrochen, und der
Mond ſchien praͤchtig, als ich endlich auf einem Huͤgel
aus dem Walde heraustrat, und auf einmal die Stadt
in der Ferne vor mir ſah. — Das Meer leuchtete von
weiten, der Himmel blitzte und funkelte unuͤberſehbar
mit unzaͤhligen Sternen, darunter lag die heilige Stadt,
von der man nur einen langen Nebelſtreif erkennen
konnte, wie ein eingeſchlafner Loͤwe auf der ſtillen Erde,
und Berge ſtanden daneben, wie dunkle Rieſen, die
ihn bewachten.
Ich kam nun zuerſt auf eine große, einſame Haide,
auf der es ſo grau und ſtill war, wie im Grabe. Nur
hin und her ſtand ein altes verfallenes Gemaͤuer oder
ein trockener wunderbar gewundener Strauch; manch¬
mal ſchwirrten Nachtvoͤgel durch die Luft, und mein
eigener Schatten ſtrich immerfort lang und dunkel in
der Einſamkeit neben mir her. Sie ſagen, daß hier
eine uralte Stadt und die Frau Venus begraben liegt,
und die alten Heiden zuweilen noch aus ihren Graͤbern
heraufſteigen und bei ſtiller Nacht uͤber die Haide gehn
und die Wanderer verwirren. Aber ich ging immer
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