Weg war mir unbekannt, die Nacht finster, ich konnte ihnen leicht wieder in die Hände fallen. Ich kletterte daher auf den Wipfel einer hohen Tanne hinauf, um bessere Gelegenheit abzuwarten.
Von dort konnte ich hören, wie auf dem Schloße eine Stimme nach der andern wach wurde. Einige Windlichter zeigten sich oben und warfen ihre wilden rothen Scheine über das alte Gemäuer des Schlos¬ ses und weit vom Berge in die schwarze Nacht hinein. Ich befahl meine Seele dem lieben Gott, denn das verworrene Getümmel wurde immer lau¬ ter und näherte sich immer mehr und mehr. Endlich stürzte der Student mit einer Fackel unter meinem Baume vorüber, daß ihm die Rockschöße weit im Winde nachflogen. Dann schienen sie sich alle nach und nach auf eine andere Seite des Berges hinzuwen¬ den, die Stimmen schallten immer ferner und ferner, und der Wind rauschte wieder durch den stillen Wald. Da stieg ich schnell von dem Baume herab, und lief athemlos weiter in das Thal und die Nacht hinaus.
Siebentes Kapitel.
Ich war Tag und Nacht eilig fortgegangen, denn es saußte mir lange in den Ohren, als kämen die von dem Berge mit ihrem Rufen, mit Fackeln und langen Messern noch immer hinter mir drein. Unterwegs erfuhr ich, daß ich nur noch ein paar Meilen von Rom wäre. Da erschrack ich ordentlich vor Freude. Denn von dem
Weg war mir unbekannt, die Nacht finſter, ich konnte ihnen leicht wieder in die Haͤnde fallen. Ich kletterte daher auf den Wipfel einer hohen Tanne hinauf, um beſſere Gelegenheit abzuwarten.
Von dort konnte ich hoͤren, wie auf dem Schloße eine Stimme nach der andern wach wurde. Einige Windlichter zeigten ſich oben und warfen ihre wilden rothen Scheine uͤber das alte Gemaͤuer des Schloſ¬ ſes und weit vom Berge in die ſchwarze Nacht hinein. Ich befahl meine Seele dem lieben Gott, denn das verworrene Getuͤmmel wurde immer lau¬ ter und naͤherte ſich immer mehr und mehr. Endlich ſtuͤrzte der Student mit einer Fackel unter meinem Baume voruͤber, daß ihm die Rockſchoͤße weit im Winde nachflogen. Dann ſchienen ſie ſich alle nach und nach auf eine andere Seite des Berges hinzuwen¬ den, die Stimmen ſchallten immer ferner und ferner, und der Wind rauſchte wieder durch den ſtillen Wald. Da ſtieg ich ſchnell von dem Baume herab, und lief athemlos weiter in das Thal und die Nacht hinaus.
Siebentes Kapitel.
Ich war Tag und Nacht eilig fortgegangen, denn es ſaußte mir lange in den Ohren, als kaͤmen die von dem Berge mit ihrem Rufen, mit Fackeln und langen Meſſern noch immer hinter mir drein. Unterwegs erfuhr ich, daß ich nur noch ein paar Meilen von Rom waͤre. Da erſchrack ich ordentlich vor Freude. Denn von dem
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Weg war mir unbekannt, die Nacht finſter, ich konnte
ihnen leicht wieder in die Haͤnde fallen. Ich kletterte
daher auf den Wipfel einer hohen Tanne hinauf, um
beſſere Gelegenheit abzuwarten.
Von dort konnte ich hoͤren, wie auf dem Schloße
eine Stimme nach der andern wach wurde. Einige
Windlichter zeigten ſich oben und warfen ihre wilden
rothen Scheine uͤber das alte Gemaͤuer des Schloſ¬
ſes und weit vom Berge in die ſchwarze Nacht
hinein. Ich befahl meine Seele dem lieben Gott,
denn das verworrene Getuͤmmel wurde immer lau¬
ter und naͤherte ſich immer mehr und mehr. Endlich
ſtuͤrzte der Student mit einer Fackel unter meinem
Baume voruͤber, daß ihm die Rockſchoͤße weit im
Winde nachflogen. Dann ſchienen ſie ſich alle nach
und nach auf eine andere Seite des Berges hinzuwen¬
den, die Stimmen ſchallten immer ferner und ferner,
und der Wind rauſchte wieder durch den ſtillen Wald.
Da ſtieg ich ſchnell von dem Baume herab, und lief
athemlos weiter in das Thal und die Nacht hinaus.
Siebentes Kapitel.
Ich war Tag und Nacht eilig fortgegangen, denn
es ſaußte mir lange in den Ohren, als kaͤmen die von
dem Berge mit ihrem Rufen, mit Fackeln und langen
Meſſern noch immer hinter mir drein. Unterwegs erfuhr
ich, daß ich nur noch ein paar Meilen von Rom waͤre.
Da erſchrack ich ordentlich vor Freude. Denn von dem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/90>, abgerufen am 23.07.2024.
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