an auf dem Rasen mit einander zu tanzen. Zuletzt kam auch noch der blasse Student neugierig hervor, warf einige verächtliche Blicke auf das Spektakel, und wollte ganz vornehm wieder weiter gehen. Ich aber nicht zu faul, sprang geschwind auf, erwischte ihn, eh' er sich's versah, bei seinem langen Ueberrock, und walzte tüchtig mit ihm herum. Er strengte sich nun an, recht zierlich und neumodisch zu tanzen, und füßelte so em¬ sig und künstlich, daß ihm der Schweiß vom Gesicht herunterfloß und die langen Rockschöße wie ein Rad um uns herum flogen. Dabei sah er mich aber manch¬ mal so kurios mit verdrehten Augen an, daß ich mich ordentlich vor ihm zu fürchten anfing und ihn plötzlich wieder los ließ.
Die Alte hätte nun gar zu gern erfahren, was in dem Briefe stand, und warum ich denn eigentlich heut' auf einmal so lustig war. Aber das war ja viel zu weitläuftig, um es ihr auseinandersetzen zu können. Ich zeigte blos auf ein paar Kraniche, die eben hoch über uns durch die Luft zogen, und sagte: "ich müßte nun auch so fort und immer fort, weit in die Ferne!" -- Da riß sie die vertrockneten Augen weit auf, und blickte, wie ein Basilisk, bald auf mich, bald auf den alten Mann hinüber. Dann bemerkte ich, wie die bei¬ den heimlich die Köpfe zusammensteckten, so oft ich mich wegwandte, und sehr eifrig miteinander sprachen, und mich dabei zuweilen von der Seite ansahen.
Das fiel mir auf. Ich sann hin und her, was sie wohl mit mir vorhaben möchten. Darüber wurde ich
an auf dem Raſen mit einander zu tanzen. Zuletzt kam auch noch der blaſſe Student neugierig hervor, warf einige veraͤchtliche Blicke auf das Spektakel, und wollte ganz vornehm wieder weiter gehen. Ich aber nicht zu faul, ſprang geſchwind auf, erwiſchte ihn, eh' er ſich's verſah, bei ſeinem langen Ueberrock, und walzte tuͤchtig mit ihm herum. Er ſtrengte ſich nun an, recht zierlich und neumodiſch zu tanzen, und fuͤßelte ſo em¬ ſig und kuͤnſtlich, daß ihm der Schweiß vom Geſicht herunterfloß und die langen Rockſchoͤße wie ein Rad um uns herum flogen. Dabei ſah er mich aber manch¬ mal ſo kurios mit verdrehten Augen an, daß ich mich ordentlich vor ihm zu fuͤrchten anfing und ihn ploͤtzlich wieder los ließ.
Die Alte haͤtte nun gar zu gern erfahren, was in dem Briefe ſtand, und warum ich denn eigentlich heut' auf einmal ſo luſtig war. Aber das war ja viel zu weitlaͤuftig, um es ihr auseinanderſetzen zu koͤnnen. Ich zeigte blos auf ein paar Kraniche, die eben hoch uͤber uns durch die Luft zogen, und ſagte: „ich muͤßte nun auch ſo fort und immer fort, weit in die Ferne!“ — Da riß ſie die vertrockneten Augen weit auf, und blickte, wie ein Baſilisk, bald auf mich, bald auf den alten Mann hinuͤber. Dann bemerkte ich, wie die bei¬ den heimlich die Koͤpfe zuſammenſteckten, ſo oft ich mich wegwandte, und ſehr eifrig miteinander ſprachen, und mich dabei zuweilen von der Seite anſahen.
Das fiel mir auf. Ich ſann hin und her, was ſie wohl mit mir vorhaben moͤchten. Daruͤber wurde ich
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[75/0085]
an auf dem Raſen mit einander zu tanzen. Zuletzt
kam auch noch der blaſſe Student neugierig hervor,
warf einige veraͤchtliche Blicke auf das Spektakel, und
wollte ganz vornehm wieder weiter gehen. Ich aber
nicht zu faul, ſprang geſchwind auf, erwiſchte ihn, eh'
er ſich's verſah, bei ſeinem langen Ueberrock, und walzte
tuͤchtig mit ihm herum. Er ſtrengte ſich nun an, recht
zierlich und neumodiſch zu tanzen, und fuͤßelte ſo em¬
ſig und kuͤnſtlich, daß ihm der Schweiß vom Geſicht
herunterfloß und die langen Rockſchoͤße wie ein Rad
um uns herum flogen. Dabei ſah er mich aber manch¬
mal ſo kurios mit verdrehten Augen an, daß ich mich
ordentlich vor ihm zu fuͤrchten anfing und ihn ploͤtzlich
wieder los ließ.
Die Alte haͤtte nun gar zu gern erfahren, was in
dem Briefe ſtand, und warum ich denn eigentlich heut'
auf einmal ſo luſtig war. Aber das war ja viel zu
weitlaͤuftig, um es ihr auseinanderſetzen zu koͤnnen.
Ich zeigte blos auf ein paar Kraniche, die eben hoch
uͤber uns durch die Luft zogen, und ſagte: „ich muͤßte
nun auch ſo fort und immer fort, weit in die Ferne!“ —
Da riß ſie die vertrockneten Augen weit auf, und
blickte, wie ein Baſilisk, bald auf mich, bald auf den
alten Mann hinuͤber. Dann bemerkte ich, wie die bei¬
den heimlich die Koͤpfe zuſammenſteckten, ſo oft ich mich
wegwandte, und ſehr eifrig miteinander ſprachen, und
mich dabei zuweilen von der Seite anſahen.
Das fiel mir auf. Ich ſann hin und her, was ſie
wohl mit mir vorhaben moͤchten. Daruͤber wurde ich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/85>, abgerufen am 11.08.2024.
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