draußen aufgemacht, und ein alter langer Mann mit einer kleinen Laterne sah mich unter seinen dicken Au¬ genbraunen grämlich an. Er faßte mich dann unter den Arm und half mir, wie einem großen Herrn, aus dem Wagen heraus. Draußen vor der Hausthür stand eine alte, sehr häßliche Frau im schwarzen Kamisol und Rock, mit einer weißen Schürze und schwarzen Haube, von der ihr ein langer Schnipper bis an die Nase her¬ unter hing. Sie hatte an der einen Hüfte einen gro¬ ßen Bund Schlüssel hängen und hielt in der andern einen altmodischen Armleuchter mit zwei brennenden Wachskerzen. Sobald sie mich erblickte, fing sie an tiefe Knixe zu machen und sprach und frug sehr viel durcheinander. Ich verstant aber nichts davon und machte immerfort Kratzfüße vor ihr, und es war mir eigentlich recht unheimlich zu Muthe.
Der alte Mann hatte unterdeß mit seiner Laterne den Wagen von allen Seiten beleuchtet und brummte und schüttelte den Kopf, als er nirgend einen Koffer oder Bagage fand. Der Kutscher fuhr darauf, ohne Trinkgeld von mir zu fordern, den Wagen in einen al¬ ten Schoppen, der auf der Seite des Hofes schon offen stand. Die alte Frau aber bat mich sehr höflich durch allerlei Zeichen, ihr zu folgen. Sie führte mich mit ihren Wachskerzen durch einen langen schmalen Gang, und dann eine kleine steinerne Treppe herauf. Als wir an der Küche vorbei gingen, streckten ein paar junge Mägde neugierig die Köpfe durch die halbgeöffnete Thür und guckten mich so starr an, und winkten und
draußen aufgemacht, und ein alter langer Mann mit einer kleinen Laterne ſah mich unter ſeinen dicken Au¬ genbraunen graͤmlich an. Er faßte mich dann unter den Arm und half mir, wie einem großen Herrn, aus dem Wagen heraus. Draußen vor der Hausthuͤr ſtand eine alte, ſehr haͤßliche Frau im ſchwarzen Kamiſol und Rock, mit einer weißen Schuͤrze und ſchwarzen Haube, von der ihr ein langer Schnipper bis an die Naſe her¬ unter hing. Sie hatte an der einen Huͤfte einen gro¬ ßen Bund Schluͤſſel haͤngen und hielt in der andern einen altmodiſchen Armleuchter mit zwei brennenden Wachskerzen. Sobald ſie mich erblickte, fing ſie an tiefe Knixe zu machen und ſprach und frug ſehr viel durcheinander. Ich verſtant aber nichts davon und machte immerfort Kratzfuͤße vor ihr, und es war mir eigentlich recht unheimlich zu Muthe.
Der alte Mann hatte unterdeß mit ſeiner Laterne den Wagen von allen Seiten beleuchtet und brummte und ſchuͤttelte den Kopf, als er nirgend einen Koffer oder Bagage fand. Der Kutſcher fuhr darauf, ohne Trinkgeld von mir zu fordern, den Wagen in einen al¬ ten Schoppen, der auf der Seite des Hofes ſchon offen ſtand. Die alte Frau aber bat mich ſehr hoͤflich durch allerlei Zeichen, ihr zu folgen. Sie fuͤhrte mich mit ihren Wachskerzen durch einen langen ſchmalen Gang, und dann eine kleine ſteinerne Treppe herauf. Als wir an der Kuͤche vorbei gingen, ſtreckten ein paar junge Maͤgde neugierig die Koͤpfe durch die halbgeoͤffnete Thuͤr und guckten mich ſo ſtarr an, und winkten und
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[64/0074]
draußen aufgemacht, und ein alter langer Mann mit
einer kleinen Laterne ſah mich unter ſeinen dicken Au¬
genbraunen graͤmlich an. Er faßte mich dann unter
den Arm und half mir, wie einem großen Herrn, aus
dem Wagen heraus. Draußen vor der Hausthuͤr ſtand
eine alte, ſehr haͤßliche Frau im ſchwarzen Kamiſol und
Rock, mit einer weißen Schuͤrze und ſchwarzen Haube,
von der ihr ein langer Schnipper bis an die Naſe her¬
unter hing. Sie hatte an der einen Huͤfte einen gro¬
ßen Bund Schluͤſſel haͤngen und hielt in der andern
einen altmodiſchen Armleuchter mit zwei brennenden
Wachskerzen. Sobald ſie mich erblickte, fing ſie an
tiefe Knixe zu machen und ſprach und frug ſehr viel
durcheinander. Ich verſtant aber nichts davon und
machte immerfort Kratzfuͤße vor ihr, und es war mir
eigentlich recht unheimlich zu Muthe.
Der alte Mann hatte unterdeß mit ſeiner Laterne
den Wagen von allen Seiten beleuchtet und brummte
und ſchuͤttelte den Kopf, als er nirgend einen Koffer
oder Bagage fand. Der Kutſcher fuhr darauf, ohne
Trinkgeld von mir zu fordern, den Wagen in einen al¬
ten Schoppen, der auf der Seite des Hofes ſchon offen
ſtand. Die alte Frau aber bat mich ſehr hoͤflich durch
allerlei Zeichen, ihr zu folgen. Sie fuͤhrte mich mit
ihren Wachskerzen durch einen langen ſchmalen Gang,
und dann eine kleine ſteinerne Treppe herauf. Als wir
an der Kuͤche vorbei gingen, ſtreckten ein paar junge
Maͤgde neugierig die Koͤpfe durch die halbgeoͤffnete
Thuͤr und guckten mich ſo ſtarr an, und winkten und
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/74>, abgerufen am 10.08.2024.
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