paarmal hätte ich bald Verdruß bekommen mit meinem Herrn. Das einemal, wie ich bei schöner, sternklarer Nacht droben auf dem Bock die Geige zu spielen an¬ fing, und sodann späterhin wegen des Schlafes. Das war aber auch ganz zum Erstaunen! Ich wollte mir doch Italien recht genau besehen, und riß die Augen alle Viertelstunden weit auf. Aber kaum hatte ich ein Weilchen so vor mich hingesehen, so verschwirrten und verwickelten sich mir die sechszehn Pferdefüße vor mir wie Filet so hin und her und übers Kreuz, daß mir die Augen gleich wieder übergingen, und zuletzt gerieth ich in ein solches entsetzliches und unaufhaltsames Schlafen, daß gar kein Rath mehr war. Da mocht' es Tag oder Nacht, Regen oder Sonnenschein, Tyrol oder Italien seyn, ich hing bald rechts, bald links, bald rücklings über den Bock herunter, ja manchmal tunkte ich mit solcher Vehementz mit dem Kopfe nach dem Boden zu, daß mir der Hut weit vom Kopfe flog, und der Herr Guido im Wagen laut aufschrie.
So war ich, ich weiß selbst nicht wie, durch halb Welschland, das sie dort Lombardey nennen, durchge¬ kommen, als wir an einem schönen Abend vor einem Wirthshause auf dem Lande stillhielten. Die Post- Pferde waren in dem daranstoßenden Stations-Dorfe erst nach ein paar Stunden bestellt, die Herren Maler stiegen daher aus und ließen sich in ein besonderes Zimmer führen, um hier ein wenig zu rasten und einige Briefe zu schreiben. Ich aber war sehr vergnügt dar¬ über, und verfügte mich sogleich in die Gaststube, um
paarmal haͤtte ich bald Verdruß bekommen mit meinem Herrn. Das einemal, wie ich bei ſchoͤner, ſternklarer Nacht droben auf dem Bock die Geige zu ſpielen an¬ fing, und ſodann ſpaͤterhin wegen des Schlafes. Das war aber auch ganz zum Erſtaunen! Ich wollte mir doch Italien recht genau beſehen, und riß die Augen alle Viertelſtunden weit auf. Aber kaum hatte ich ein Weilchen ſo vor mich hingeſehen, ſo verſchwirrten und verwickelten ſich mir die ſechszehn Pferdefuͤße vor mir wie Filet ſo hin und her und uͤbers Kreuz, daß mir die Augen gleich wieder uͤbergingen, und zuletzt gerieth ich in ein ſolches entſetzliches und unaufhaltſames Schlafen, daß gar kein Rath mehr war. Da mocht' es Tag oder Nacht, Regen oder Sonnenſchein, Tyrol oder Italien ſeyn, ich hing bald rechts, bald links, bald ruͤcklings uͤber den Bock herunter, ja manchmal tunkte ich mit ſolcher Vehementz mit dem Kopfe nach dem Boden zu, daß mir der Hut weit vom Kopfe flog, und der Herr Guido im Wagen laut aufſchrie.
So war ich, ich weiß ſelbſt nicht wie, durch halb Welſchland, das ſie dort Lombardey nennen, durchge¬ kommen, als wir an einem ſchoͤnen Abend vor einem Wirthshauſe auf dem Lande ſtillhielten. Die Poſt- Pferde waren in dem daranſtoßenden Stations-Dorfe erſt nach ein paar Stunden beſtellt, die Herren Maler ſtiegen daher aus und ließen ſich in ein beſonderes Zimmer fuͤhren, um hier ein wenig zu raſten und einige Briefe zu ſchreiben. Ich aber war ſehr vergnuͤgt dar¬ uͤber, und verfuͤgte mich ſogleich in die Gaſtſtube, um
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0064"n="54"/>
paarmal haͤtte ich bald Verdruß bekommen mit meinem<lb/>
Herrn. Das einemal, wie ich bei ſchoͤner, ſternklarer<lb/>
Nacht droben auf dem Bock die Geige zu ſpielen an¬<lb/>
fing, und ſodann ſpaͤterhin wegen des Schlafes. Das<lb/>
war aber auch ganz zum Erſtaunen! Ich wollte mir<lb/>
doch Italien recht genau beſehen, und riß die Augen<lb/>
alle Viertelſtunden weit auf. Aber kaum hatte ich ein<lb/>
Weilchen ſo vor mich hingeſehen, ſo verſchwirrten und<lb/>
verwickelten ſich mir die ſechszehn Pferdefuͤße vor mir<lb/>
wie Filet ſo hin und her und uͤbers Kreuz, daß mir<lb/>
die Augen gleich wieder uͤbergingen, und zuletzt gerieth<lb/>
ich in ein ſolches entſetzliches und unaufhaltſames<lb/>
Schlafen, daß gar kein Rath mehr war. Da mocht'<lb/>
es Tag oder Nacht, Regen oder Sonnenſchein, Tyrol<lb/>
oder Italien ſeyn, ich hing bald rechts, bald links,<lb/>
bald ruͤcklings uͤber den Bock herunter, ja manchmal<lb/>
tunkte ich mit ſolcher Vehementz mit dem Kopfe nach<lb/>
dem Boden zu, daß mir der Hut weit vom Kopfe flog,<lb/>
und der Herr Guido im Wagen laut aufſchrie.</p><lb/><p>So war ich, ich weiß ſelbſt nicht wie, durch halb<lb/>
Welſchland, das ſie dort Lombardey nennen, durchge¬<lb/>
kommen, als wir an einem ſchoͤnen Abend vor einem<lb/>
Wirthshauſe auf dem Lande ſtillhielten. Die Poſt-<lb/>
Pferde waren in dem daranſtoßenden Stations-Dorfe<lb/>
erſt nach ein paar Stunden beſtellt, die Herren Maler<lb/>ſtiegen daher aus und ließen ſich in ein beſonderes<lb/>
Zimmer fuͤhren, um hier ein wenig zu raſten und einige<lb/>
Briefe zu ſchreiben. Ich aber war ſehr vergnuͤgt dar¬<lb/>
uͤber, und verfuͤgte mich ſogleich in die Gaſtſtube, um<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[54/0064]
paarmal haͤtte ich bald Verdruß bekommen mit meinem
Herrn. Das einemal, wie ich bei ſchoͤner, ſternklarer
Nacht droben auf dem Bock die Geige zu ſpielen an¬
fing, und ſodann ſpaͤterhin wegen des Schlafes. Das
war aber auch ganz zum Erſtaunen! Ich wollte mir
doch Italien recht genau beſehen, und riß die Augen
alle Viertelſtunden weit auf. Aber kaum hatte ich ein
Weilchen ſo vor mich hingeſehen, ſo verſchwirrten und
verwickelten ſich mir die ſechszehn Pferdefuͤße vor mir
wie Filet ſo hin und her und uͤbers Kreuz, daß mir
die Augen gleich wieder uͤbergingen, und zuletzt gerieth
ich in ein ſolches entſetzliches und unaufhaltſames
Schlafen, daß gar kein Rath mehr war. Da mocht'
es Tag oder Nacht, Regen oder Sonnenſchein, Tyrol
oder Italien ſeyn, ich hing bald rechts, bald links,
bald ruͤcklings uͤber den Bock herunter, ja manchmal
tunkte ich mit ſolcher Vehementz mit dem Kopfe nach
dem Boden zu, daß mir der Hut weit vom Kopfe flog,
und der Herr Guido im Wagen laut aufſchrie.
So war ich, ich weiß ſelbſt nicht wie, durch halb
Welſchland, das ſie dort Lombardey nennen, durchge¬
kommen, als wir an einem ſchoͤnen Abend vor einem
Wirthshauſe auf dem Lande ſtillhielten. Die Poſt-
Pferde waren in dem daranſtoßenden Stations-Dorfe
erſt nach ein paar Stunden beſtellt, die Herren Maler
ſtiegen daher aus und ließen ſich in ein beſonderes
Zimmer fuͤhren, um hier ein wenig zu raſten und einige
Briefe zu ſchreiben. Ich aber war ſehr vergnuͤgt dar¬
uͤber, und verfuͤgte mich ſogleich in die Gaſtſtube, um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/64>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.