Und sein Hütlein in die Luft Wirft der Mensch vor Lust und ruft: Hat Gesang doch auch noch Schwingen, Nun so will ich fröhlich singen!
Dabei spielten die röthlichen Morgenscheine recht anmuthig über sein etwas blasses Gesicht und die schwarzen verliebten Augen. Ich aber war so müde, daß sich mir die Worte und Noten, während er so sang, immer mehr verwirrten, bis ich zuletzt fest einschlief.
Als ich nach und nach wieder zu mir selber kam, hörte ich wie im Traume die beiden Maler noch im¬ mer neben mir sprechen und die Vögel über mir sin¬ gen, und die Morgenstrahlen schimmerten mir durch die geschlossenen Augen, daß mir's innerlich so dunkel¬ hell war, wie wenn die Sonne durch rothseidene Gar¬ dinen scheint. Come e bello! hört' ich da dicht neben mir ausrufen. Ich schlug die Augen auf, und erblickte den jungen Maler, der im funkelnden Morgenlicht über mich hergebeugt stand, so daß beinah nur die großen schwarzen Augen zwischen den herabhängenden Locken zu sehen waren.
Ich sprang geschwind auf, denn es war schon hel¬ ler Tag geworden. Der Herr Leonhard schien ver¬ drüßlich zu seyn, er hatte zwei zornige Falten auf der Stirn und trieb hastig zum Aufbruch. Der andere Maler aber schüttelte seine Locken aus dem Gesicht und trällerte, während er sein Pferd aufzäumte, ruhig ein Liedchen vor sich hin, bis Leonhard zuletzt plötzlich laut auflachte, schnell eine Flasche ergriff, die noch auf
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Und ſein Huͤtlein in die Luft Wirft der Menſch vor Luſt und ruft: Hat Geſang doch auch noch Schwingen, Nun ſo will ich froͤhlich ſingen!
Dabei ſpielten die roͤthlichen Morgenſcheine recht anmuthig uͤber ſein etwas blaſſes Geſicht und die ſchwarzen verliebten Augen. Ich aber war ſo muͤde, daß ſich mir die Worte und Noten, waͤhrend er ſo ſang, immer mehr verwirrten, bis ich zuletzt feſt einſchlief.
Als ich nach und nach wieder zu mir ſelber kam, hoͤrte ich wie im Traume die beiden Maler noch im¬ mer neben mir ſprechen und die Voͤgel uͤber mir ſin¬ gen, und die Morgenſtrahlen ſchimmerten mir durch die geſchloſſenen Augen, daß mir's innerlich ſo dunkel¬ hell war, wie wenn die Sonne durch rothſeidene Gar¬ dinen ſcheint. Come é bello! hoͤrt' ich da dicht neben mir ausrufen. Ich ſchlug die Augen auf, und erblickte den jungen Maler, der im funkelnden Morgenlicht uͤber mich hergebeugt ſtand, ſo daß beinah nur die großen ſchwarzen Augen zwiſchen den herabhaͤngenden Locken zu ſehen waren.
Ich ſprang geſchwind auf, denn es war ſchon hel¬ ler Tag geworden. Der Herr Leonhard ſchien ver¬ druͤßlich zu ſeyn, er hatte zwei zornige Falten auf der Stirn und trieb haſtig zum Aufbruch. Der andere Maler aber ſchuͤttelte ſeine Locken aus dem Geſicht und traͤllerte, waͤhrend er ſein Pferd aufzaͤumte, ruhig ein Liedchen vor ſich hin, bis Leonhard zuletzt ploͤtzlich laut auflachte, ſchnell eine Flaſche ergriff, die noch auf
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Und ſein Huͤtlein in die Luft
Wirft der Menſch vor Luſt und ruft:
Hat Geſang doch auch noch Schwingen,
Nun ſo will ich froͤhlich ſingen!
Dabei ſpielten die roͤthlichen Morgenſcheine recht
anmuthig uͤber ſein etwas blaſſes Geſicht und die
ſchwarzen verliebten Augen. Ich aber war ſo muͤde,
daß ſich mir die Worte und Noten, waͤhrend er ſo ſang,
immer mehr verwirrten, bis ich zuletzt feſt einſchlief.
Als ich nach und nach wieder zu mir ſelber kam,
hoͤrte ich wie im Traume die beiden Maler noch im¬
mer neben mir ſprechen und die Voͤgel uͤber mir ſin¬
gen, und die Morgenſtrahlen ſchimmerten mir durch
die geſchloſſenen Augen, daß mir's innerlich ſo dunkel¬
hell war, wie wenn die Sonne durch rothſeidene Gar¬
dinen ſcheint. Come é bello! hoͤrt' ich da dicht neben
mir ausrufen. Ich ſchlug die Augen auf, und erblickte
den jungen Maler, der im funkelnden Morgenlicht uͤber
mich hergebeugt ſtand, ſo daß beinah nur die großen
ſchwarzen Augen zwiſchen den herabhaͤngenden Locken
zu ſehen waren.
Ich ſprang geſchwind auf, denn es war ſchon hel¬
ler Tag geworden. Der Herr Leonhard ſchien ver¬
druͤßlich zu ſeyn, er hatte zwei zornige Falten auf der
Stirn und trieb haſtig zum Aufbruch. Der andere
Maler aber ſchuͤttelte ſeine Locken aus dem Geſicht
und traͤllerte, waͤhrend er ſein Pferd aufzaͤumte, ruhig
ein Liedchen vor ſich hin, bis Leonhard zuletzt ploͤtzlich
laut auflachte, ſchnell eine Flaſche ergriff, die noch auf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/61>, abgerufen am 16.02.2025.
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