dem Gurt, die recht hübsch im Mondschein funkelte. "Mein Liebster," sagte er dabei sehr freundschaftlich zu mir, während er bald den Lauf der Pistole abwischte, bald wieder prüfend an die Augen hielt, "mein Lieb¬ ster, Du wirst wohl so gut seyn, selber nach B. vor¬ auszugehn."
Da war ich nun recht übel daran. Traf ich den Weg, so kam ich gewiß zu der Räuberbande und be¬ kam Prügel, da ich kein Geld bei mir hatte, traf ich ihn nicht -- so bekam ich auch Prügel. Ich besann mich also nicht lange und schlug den ersten besten Weg ein, der an dem Wirthshause vorüber vom Dorfe ab¬ führte. Der Reiter sprengte schnell zu seinem Beglei¬ ter zurück, und beide folgten mir dann in einiger Ent¬ fernung langsam nach. So zogen wir eigentlich recht närrisch auf gut Glück in die mondhelle Nacht hinein. Der Weg lief immerfort im Walde an einem Berges¬ hange fort. Zuweilen konnte man über die Tannen¬ wipfel, die von unten herauflangten und sich dunkel rührten, weit in die tiefen stillen Thäler hinaussehen, hin und her schlug eine Nachtigall, Hunde bellten in der Ferne in den Dörfern. Ein Fluß rauschte bestän¬ dig aus der Tiefe und blitzte zuweilen im Mondschein auf. Dabei das einförmige Pferdegetrappel und das Wirren und Schwirren der Reiter hinter mir, die un¬ aufhörlich in einer fremden Sprache mit einander plauderten, und das helle Mondlicht und die langen Schatten der Baumstämme, die wechselnd über die bei¬ den Reiter wegflogen, daß sie mir bald schwarz, bald
dem Gurt, die recht huͤbſch im Mondſchein funkelte. „Mein Liebſter,“ ſagte er dabei ſehr freundſchaftlich zu mir, waͤhrend er bald den Lauf der Piſtole abwiſchte, bald wieder pruͤfend an die Augen hielt, „mein Lieb¬ ſter, Du wirſt wohl ſo gut ſeyn, ſelber nach B. vor¬ auszugehn.“
Da war ich nun recht uͤbel daran. Traf ich den Weg, ſo kam ich gewiß zu der Raͤuberbande und be¬ kam Pruͤgel, da ich kein Geld bei mir hatte, traf ich ihn nicht — ſo bekam ich auch Pruͤgel. Ich beſann mich alſo nicht lange und ſchlug den erſten beſten Weg ein, der an dem Wirthshauſe voruͤber vom Dorfe ab¬ fuͤhrte. Der Reiter ſprengte ſchnell zu ſeinem Beglei¬ ter zuruͤck, und beide folgten mir dann in einiger Ent¬ fernung langſam nach. So zogen wir eigentlich recht naͤrriſch auf gut Gluͤck in die mondhelle Nacht hinein. Der Weg lief immerfort im Walde an einem Berges¬ hange fort. Zuweilen konnte man uͤber die Tannen¬ wipfel, die von unten herauflangten und ſich dunkel ruͤhrten, weit in die tiefen ſtillen Thaͤler hinausſehen, hin und her ſchlug eine Nachtigall, Hunde bellten in der Ferne in den Doͤrfern. Ein Fluß rauſchte beſtaͤn¬ dig aus der Tiefe und blitzte zuweilen im Mondſchein auf. Dabei das einfoͤrmige Pferdegetrappel und das Wirren und Schwirren der Reiter hinter mir, die un¬ aufhoͤrlich in einer fremden Sprache mit einander plauderten, und das helle Mondlicht und die langen Schatten der Baumſtaͤmme, die wechſelnd uͤber die bei¬ den Reiter wegflogen, daß ſie mir bald ſchwarz, bald
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dem Gurt, die recht huͤbſch im Mondſchein funkelte.
„Mein Liebſter,“ ſagte er dabei ſehr freundſchaftlich zu
mir, waͤhrend er bald den Lauf der Piſtole abwiſchte,
bald wieder pruͤfend an die Augen hielt, „mein Lieb¬
ſter, Du wirſt wohl ſo gut ſeyn, ſelber nach B. vor¬
auszugehn.“
Da war ich nun recht uͤbel daran. Traf ich den
Weg, ſo kam ich gewiß zu der Raͤuberbande und be¬
kam Pruͤgel, da ich kein Geld bei mir hatte, traf ich
ihn nicht — ſo bekam ich auch Pruͤgel. Ich beſann
mich alſo nicht lange und ſchlug den erſten beſten Weg
ein, der an dem Wirthshauſe voruͤber vom Dorfe ab¬
fuͤhrte. Der Reiter ſprengte ſchnell zu ſeinem Beglei¬
ter zuruͤck, und beide folgten mir dann in einiger Ent¬
fernung langſam nach. So zogen wir eigentlich recht
naͤrriſch auf gut Gluͤck in die mondhelle Nacht hinein.
Der Weg lief immerfort im Walde an einem Berges¬
hange fort. Zuweilen konnte man uͤber die Tannen¬
wipfel, die von unten herauflangten und ſich dunkel
ruͤhrten, weit in die tiefen ſtillen Thaͤler hinausſehen,
hin und her ſchlug eine Nachtigall, Hunde bellten in
der Ferne in den Doͤrfern. Ein Fluß rauſchte beſtaͤn¬
dig aus der Tiefe und blitzte zuweilen im Mondſchein
auf. Dabei das einfoͤrmige Pferdegetrappel und das
Wirren und Schwirren der Reiter hinter mir, die un¬
aufhoͤrlich in einer fremden Sprache mit einander
plauderten, und das helle Mondlicht und die langen
Schatten der Baumſtaͤmme, die wechſelnd uͤber die bei¬
den Reiter wegflogen, daß ſie mir bald ſchwarz, bald
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/57>, abgerufen am 23.07.2024.
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