Die Alten waren unterdeß von ihrem Spiel auf¬ gebrochen, die jungen Leute fingen auch an müde zu werden und zerstreuten sich, und so wurde es nach und nach ganz still und leer vor dem Wirthshause. Auch das Mädchen, das mir den Wein gereicht hatte, ging nun nach dem Dorfe zu, aber sie ging sehr langsam, und sah sich zuweilen um, als ob sie was vergessen hätte. Endlich blieb sie stehen und suchte etwas auf der Erde, aber ich sah wohl, daß sie, wenn sie sich bückte, unter dem Arme hindurch nach mir zurück¬ blickte. Ich hatte auf dem Schlosse Lebensart ge¬ lernt, ich sprang also geschwind herzu und sagte: "Haben Sie etwas verloren, schönste Mamsell?" -- "Ach nein," sagte sie und wurde über und über roth, "es war nur eine Rose -- will Er sie haben?" -- Ich dankte und steckte die Rose ins Knopfloch. Sie sah mich sehr freundlich an und sagte: "Er spielt recht schön," -- "Ja," versetzte ich, "das ist so eine Gabe Gottes." -- "Die Musikanten sind hier in der Ge¬ gend sehr rar," hub das Mädchen dann wieder an und stockte und hatte die Augen beständig niedergeschlagen. "Er könnte sich hier ein gutes Stück Geld verdienen -- auch mein Vater spielt etwas die Geige und hört gern von der Fremde erzählen -- und mein Vater ist sehr reich." -- Dann lachte sie auf und sagte: "Wenn Er nur nicht immer solche Grimassen machen möchte, mit dem Kopfe, beim Geigen!" -- "Theuerste Jungfer," erwiederte ich, "erstlich: nennen Sie mich nur nicht immer Er; sodann mit dem Kopf-Tremulentzen, das ist
Die Alten waren unterdeß von ihrem Spiel auf¬ gebrochen, die jungen Leute fingen auch an muͤde zu werden und zerſtreuten ſich, und ſo wurde es nach und nach ganz ſtill und leer vor dem Wirthshauſe. Auch das Maͤdchen, das mir den Wein gereicht hatte, ging nun nach dem Dorfe zu, aber ſie ging ſehr langſam, und ſah ſich zuweilen um, als ob ſie was vergeſſen haͤtte. Endlich blieb ſie ſtehen und ſuchte etwas auf der Erde, aber ich ſah wohl, daß ſie, wenn ſie ſich buͤckte, unter dem Arme hindurch nach mir zuruͤck¬ blickte. Ich hatte auf dem Schloſſe Lebensart ge¬ lernt, ich ſprang alſo geſchwind herzu und ſagte: „Haben Sie etwas verloren, ſchoͤnſte Mamſell?“ — „Ach nein,“ ſagte ſie und wurde uͤber und uͤber roth, „es war nur eine Roſe — will Er ſie haben?“ — Ich dankte und ſteckte die Roſe ins Knopfloch. Sie ſah mich ſehr freundlich an und ſagte: „Er ſpielt recht ſchoͤn,“ — „Ja,“ verſetzte ich, „das iſt ſo eine Gabe Gottes.“ — „Die Muſikanten ſind hier in der Ge¬ gend ſehr rar,“ hub das Maͤdchen dann wieder an und ſtockte und hatte die Augen beſtaͤndig niedergeſchlagen. „Er koͤnnte ſich hier ein gutes Stuͤck Geld verdienen — auch mein Vater ſpielt etwas die Geige und hoͤrt gern von der Fremde erzaͤhlen — und mein Vater iſt ſehr reich.“ — Dann lachte ſie auf und ſagte: „Wenn Er nur nicht immer ſolche Grimaſſen machen moͤchte, mit dem Kopfe, beim Geigen!“ — „Theuerſte Jungfer,“ erwiederte ich, „erſtlich: nennen Sie mich nur nicht immer Er; ſodann mit dem Kopf-Tremulentzen, das iſt
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Die Alten waren unterdeß von ihrem Spiel auf¬
gebrochen, die jungen Leute fingen auch an muͤde zu
werden und zerſtreuten ſich, und ſo wurde es nach und
nach ganz ſtill und leer vor dem Wirthshauſe. Auch
das Maͤdchen, das mir den Wein gereicht hatte, ging
nun nach dem Dorfe zu, aber ſie ging ſehr langſam,
und ſah ſich zuweilen um, als ob ſie was vergeſſen
haͤtte. Endlich blieb ſie ſtehen und ſuchte etwas auf
der Erde, aber ich ſah wohl, daß ſie, wenn ſie ſich
buͤckte, unter dem Arme hindurch nach mir zuruͤck¬
blickte. Ich hatte auf dem Schloſſe Lebensart ge¬
lernt, ich ſprang alſo geſchwind herzu und ſagte:
„Haben Sie etwas verloren, ſchoͤnſte Mamſell?“ —
„Ach nein,“ ſagte ſie und wurde uͤber und uͤber roth,
„es war nur eine Roſe — will Er ſie haben?“ — Ich
dankte und ſteckte die Roſe ins Knopfloch. Sie ſah
mich ſehr freundlich an und ſagte: „Er ſpielt recht
ſchoͤn,“ — „Ja,“ verſetzte ich, „das iſt ſo eine Gabe
Gottes.“ — „Die Muſikanten ſind hier in der Ge¬
gend ſehr rar,“ hub das Maͤdchen dann wieder an und
ſtockte und hatte die Augen beſtaͤndig niedergeſchlagen.
„Er koͤnnte ſich hier ein gutes Stuͤck Geld verdienen —
auch mein Vater ſpielt etwas die Geige und hoͤrt gern
von der Fremde erzaͤhlen — und mein Vater iſt ſehr
reich.“ — Dann lachte ſie auf und ſagte: „Wenn Er
nur nicht immer ſolche Grimaſſen machen moͤchte, mit
dem Kopfe, beim Geigen!“ — „Theuerſte Jungfer,“
erwiederte ich, „erſtlich: nennen Sie mich nur nicht
immer Er; ſodann mit dem Kopf-Tremulentzen, das iſt
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/52>, abgerufen am 23.07.2024.
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