"Pfui, der garstige Schlafrock!" rief diese aus, da sie mich auf einmal so in meinem Aufzuge im Freien sah. Das ärgerte mich, ich wollte auch nicht dahinter bleiben in der Galanterie, und machte einige artige Kapriolen, um sie zu erhaschen und zu küssen. Aber unglücklicher Weise verwickelte sich mir dabei der Schlafrock, der mir viel zu lang war, unter den Fü¬ ßen, und ich fiel der Länge nach auf die Erde. Als ich mich wieder zusammen raffte, war die Kammerjung¬ fer schon weit fort, und ich hörte sie noch von Ferne lachen, daß sie sich die Seiten halten mußte.
Nun aber hatt' ich was zu sinnen und mich zu freuen. Sie dachte ja noch immer an mich und mei¬ ne Blumen! Ich ging in mein Gärtchen und riß ha¬ stig alles Unkraut von den Beeten, und warf es hoch über meinen Kopf weg in die schimmernde Luft, als zög' ich alle Uebel und Melancholie mit der Wurzel heraus. Die Rosen waren nun wieder wie ihr Mund, die himmelblauen Winden wie ihre Augen, die schnee¬ weiße Lilie mit ihrem schwermüthig gesenkten Köpf¬ chen sah ganz aus wie Sie. Ich legte alle sorgfältig in einem Körbchen zusammen. Es war ein stiller schö¬ ner Abend und kein Wölkchen am Himmel. Einzelne Sterne traten schon am Firmamente hervor, von wei¬ tem rauschte die Donau über die Felder herüber, in den hohen Bäumen im herrschaftlichen Garten neben mir sangen unzählige Vögel lustig durcheinander. Ach, ich war so glücklich!
Als endlich die Nacht hereinbrach, nahm ich mein
„Pfui, der garſtige Schlafrock!“ rief dieſe aus, da ſie mich auf einmal ſo in meinem Aufzuge im Freien ſah. Das aͤrgerte mich, ich wollte auch nicht dahinter bleiben in der Galanterie, und machte einige artige Kapriolen, um ſie zu erhaſchen und zu kuͤſſen. Aber ungluͤcklicher Weiſe verwickelte ſich mir dabei der Schlafrock, der mir viel zu lang war, unter den Fuͤ¬ ßen, und ich fiel der Laͤnge nach auf die Erde. Als ich mich wieder zuſammen raffte, war die Kammerjung¬ fer ſchon weit fort, und ich hoͤrte ſie noch von Ferne lachen, daß ſie ſich die Seiten halten mußte.
Nun aber hatt' ich was zu ſinnen und mich zu freuen. Sie dachte ja noch immer an mich und mei¬ ne Blumen! Ich ging in mein Gaͤrtchen und riß ha¬ ſtig alles Unkraut von den Beeten, und warf es hoch uͤber meinen Kopf weg in die ſchimmernde Luft, als zoͤg' ich alle Uebel und Melancholie mit der Wurzel heraus. Die Roſen waren nun wieder wie ihr Mund, die himmelblauen Winden wie ihre Augen, die ſchnee¬ weiße Lilie mit ihrem ſchwermuͤthig geſenkten Koͤpf¬ chen ſah ganz aus wie Sie. Ich legte alle ſorgfaͤltig in einem Koͤrbchen zuſammen. Es war ein ſtiller ſchoͤ¬ ner Abend und kein Woͤlkchen am Himmel. Einzelne Sterne traten ſchon am Firmamente hervor, von wei¬ tem rauſchte die Donau uͤber die Felder heruͤber, in den hohen Baͤumen im herrſchaftlichen Garten neben mir ſangen unzaͤhlige Voͤgel luſtig durcheinander. Ach, ich war ſo gluͤcklich!
Als endlich die Nacht hereinbrach, nahm ich mein
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„Pfui, der garſtige Schlafrock!“ rief dieſe aus, da
ſie mich auf einmal ſo in meinem Aufzuge im Freien
ſah. Das aͤrgerte mich, ich wollte auch nicht dahinter
bleiben in der Galanterie, und machte einige artige
Kapriolen, um ſie zu erhaſchen und zu kuͤſſen. Aber
ungluͤcklicher Weiſe verwickelte ſich mir dabei der
Schlafrock, der mir viel zu lang war, unter den Fuͤ¬
ßen, und ich fiel der Laͤnge nach auf die Erde. Als
ich mich wieder zuſammen raffte, war die Kammerjung¬
fer ſchon weit fort, und ich hoͤrte ſie noch von Ferne
lachen, daß ſie ſich die Seiten halten mußte.
Nun aber hatt' ich was zu ſinnen und mich zu
freuen. Sie dachte ja noch immer an mich und mei¬
ne Blumen! Ich ging in mein Gaͤrtchen und riß ha¬
ſtig alles Unkraut von den Beeten, und warf es hoch
uͤber meinen Kopf weg in die ſchimmernde Luft, als
zoͤg' ich alle Uebel und Melancholie mit der Wurzel
heraus. Die Roſen waren nun wieder wie ihr Mund,
die himmelblauen Winden wie ihre Augen, die ſchnee¬
weiße Lilie mit ihrem ſchwermuͤthig geſenkten Koͤpf¬
chen ſah ganz aus wie Sie. Ich legte alle ſorgfaͤltig
in einem Koͤrbchen zuſammen. Es war ein ſtiller ſchoͤ¬
ner Abend und kein Woͤlkchen am Himmel. Einzelne
Sterne traten ſchon am Firmamente hervor, von wei¬
tem rauſchte die Donau uͤber die Felder heruͤber, in
den hohen Baͤumen im herrſchaftlichen Garten neben
mir ſangen unzaͤhlige Voͤgel luſtig durcheinander. Ach,
ich war ſo gluͤcklich!
Als endlich die Nacht hereinbrach, nahm ich mein
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/35>, abgerufen am 16.02.2025.
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