vom Transport bis zum Latus und wieder hinauf und hinab addirte, gar seltsame Gedanken dabei, so daß ich manchmal ganz verwirrt wurde, und wahrhaftig nicht bis drei zählen konnte. Denn die acht kam mir immer vor wie meine dicke enggeschnürte Dame mit dem breiten Kopfputz, die böse sieben war gar wie ein ewig rückwärts zeigender Wegweiser oder Gal¬ gen. -- Am meisten Spaß machte mir noch die neun, die sich mir so oft, eh' ich mich's versah, lustig als sechs auf den Kopf stellte, während die zwei wie ein Fragezeichen so pfiffig drein sah, als wollte sie mich fragen: Wo soll das am Ende noch hinaus mit Dir, Du arme Null? Ohne Sie, diese schlanke Eins und Alles, bleibst Du doch ewig Nichts!
Auch das Sitzen draußen vor der Thür wollte mir nicht mehr behagen Ich nahm mir, um es kommoder zu haben, einen Schemel mit heraus und streckte die Füße darauf, ich flickte ein altes Parasol vom Einneh¬ mer, und steckte es gegen die Sonne wie ein chinesi¬ sches Lusthaus über mich. Aber es half nichts. Es schien mir, wie ich so saß und rauchte und spekulirte, als würden mir allmählig die Beine immer länger vor Langerweile, und die Nase wüchse mir vom Nichts¬ thun, wenn ich so stundenlang an ihr herunter sah. -- Und wenn denn manchmal noch vor Tagesanbruch eine Extrapost vorbei kam, und ich trat halb verschlafen in die kühle Luft hinaus, und ein niedliches Gesichtchen, von dem man in der Dämmerung nur die funkelnden Augen sah, bog sich neugierig zum Wagen hervor und
vom Transport bis zum Latus und wieder hinauf und hinab addirte, gar ſeltſame Gedanken dabei, ſo daß ich manchmal ganz verwirrt wurde, und wahrhaftig nicht bis drei zaͤhlen konnte. Denn die acht kam mir immer vor wie meine dicke enggeſchnuͤrte Dame mit dem breiten Kopfputz, die boͤſe ſieben war gar wie ein ewig ruͤckwaͤrts zeigender Wegweiſer oder Gal¬ gen. — Am meiſten Spaß machte mir noch die neun, die ſich mir ſo oft, eh' ich mich's verſah, luſtig als ſechs auf den Kopf ſtellte, waͤhrend die zwei wie ein Fragezeichen ſo pfiffig drein ſah, als wollte ſie mich fragen: Wo ſoll das am Ende noch hinaus mit Dir, Du arme Null? Ohne Sie, dieſe ſchlanke Eins und Alles, bleibſt Du doch ewig Nichts!
Auch das Sitzen draußen vor der Thuͤr wollte mir nicht mehr behagen Ich nahm mir, um es kommoder zu haben, einen Schemel mit heraus und ſtreckte die Fuͤße darauf, ich flickte ein altes Paraſol vom Einneh¬ mer, und ſteckte es gegen die Sonne wie ein chineſi¬ ſches Luſthaus uͤber mich. Aber es half nichts. Es ſchien mir, wie ich ſo ſaß und rauchte und ſpekulirte, als wuͤrden mir allmaͤhlig die Beine immer laͤnger vor Langerweile, und die Naſe wuͤchſe mir vom Nichts¬ thun, wenn ich ſo ſtundenlang an ihr herunter ſah. — Und wenn denn manchmal noch vor Tagesanbruch eine Extrapoſt vorbei kam, und ich trat halb verſchlafen in die kuͤhle Luft hinaus, und ein niedliches Geſichtchen, von dem man in der Daͤmmerung nur die funkelnden Augen ſah, bog ſich neugierig zum Wagen hervor und
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vom Transport bis zum Latus und wieder hinauf und
hinab addirte, gar ſeltſame Gedanken dabei, ſo daß
ich manchmal ganz verwirrt wurde, und wahrhaftig
nicht bis drei zaͤhlen konnte. Denn die acht kam
mir immer vor wie meine dicke enggeſchnuͤrte Dame
mit dem breiten Kopfputz, die boͤſe ſieben war gar wie
ein ewig ruͤckwaͤrts zeigender Wegweiſer oder Gal¬
gen. — Am meiſten Spaß machte mir noch die neun,
die ſich mir ſo oft, eh' ich mich's verſah, luſtig als
ſechs auf den Kopf ſtellte, waͤhrend die zwei wie ein
Fragezeichen ſo pfiffig drein ſah, als wollte ſie mich
fragen: Wo ſoll das am Ende noch hinaus mit Dir,
Du arme Null? Ohne Sie, dieſe ſchlanke Eins und
Alles, bleibſt Du doch ewig Nichts!
Auch das Sitzen draußen vor der Thuͤr wollte mir
nicht mehr behagen Ich nahm mir, um es kommoder
zu haben, einen Schemel mit heraus und ſtreckte die
Fuͤße darauf, ich flickte ein altes Paraſol vom Einneh¬
mer, und ſteckte es gegen die Sonne wie ein chineſi¬
ſches Luſthaus uͤber mich. Aber es half nichts. Es
ſchien mir, wie ich ſo ſaß und rauchte und ſpekulirte,
als wuͤrden mir allmaͤhlig die Beine immer laͤnger vor
Langerweile, und die Naſe wuͤchſe mir vom Nichts¬
thun, wenn ich ſo ſtundenlang an ihr herunter ſah. —
Und wenn denn manchmal noch vor Tagesanbruch eine
Extrapoſt vorbei kam, und ich trat halb verſchlafen in
die kuͤhle Luft hinaus, und ein niedliches Geſichtchen,
von dem man in der Daͤmmerung nur die funkelnden
Augen ſah, bog ſich neugierig zum Wagen hervor und
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/32>, abgerufen am 25.07.2024.
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