den Waldhornsklängen und wechselnden Abendlichtern unter den hohen Bäumen hervor kam, -- ich konnte nicht vom Fleck. Sie aber erschrack heftig, als sie mich auf einmal gewahr wurde, und hielt fast unwillkühr¬ lich still. Ich war wie betrunken vor Angst, Herzklop¬ fen und großer Freude, und da ich bemerkte, daß sie wirklich meinen Blumenstrauß von gestern an der Brust hatte, konnte ich mich nicht länger halten, sondern sagte ganz verwirrt: "Schönste gnädige Frau, nehmt auch noch diesen Blumenstrauß von mir, und alle Blu¬ men aus meinem Garten und alles was ich habe. Ach könnt' ich nur für Euch in's Feuer springen!" -- Sie hatte mich gleich anfangs so ernsthaft und fast böse an¬ geblickt, daß es mir durch Mark und Bein ging, dann aber hielt sie, so lange ich redete, die Augen tief nie¬ dergeschlagen. So eben ließen sich einige Reuter und Stimmen im Gebüsch hören. Da ergriff sie schnell den Strauß aus meiner Hand und war bald, ohne ein Wort zu sagen, am andern Ende des Bogenganges verschwunden.
Seit diesem Abend hatte ich weder Ruh' noch Rast mehr. Es war mir beständig zu Muthe wie sonst immer, wenn der Frühling anfangen sollte, so unruhig und fröhlich, ohne daß ich wußte warum, als stünde mir ein großes Glück oder sonst etwas Außerordentli¬ ches bevor. Besonders das fatale Rechnen wollte mir nun erst gar nicht mehr von der Hand, und ich hatte, wenn der Sonnenschein durch den Kastanienbaum vor dem Fenster grüngolden auf die Ziffern fiel, und so fix
den Waldhornsklaͤngen und wechſelnden Abendlichtern unter den hohen Baͤumen hervor kam, — ich konnte nicht vom Fleck. Sie aber erſchrack heftig, als ſie mich auf einmal gewahr wurde, und hielt faſt unwillkuͤhr¬ lich ſtill. Ich war wie betrunken vor Angſt, Herzklop¬ fen und großer Freude, und da ich bemerkte, daß ſie wirklich meinen Blumenſtrauß von geſtern an der Bruſt hatte, konnte ich mich nicht laͤnger halten, ſondern ſagte ganz verwirrt: „Schoͤnſte gnaͤdige Frau, nehmt auch noch dieſen Blumenſtrauß von mir, und alle Blu¬ men aus meinem Garten und alles was ich habe. Ach koͤnnt' ich nur fuͤr Euch in's Feuer ſpringen!“ — Sie hatte mich gleich anfangs ſo ernſthaft und faſt boͤſe an¬ geblickt, daß es mir durch Mark und Bein ging, dann aber hielt ſie, ſo lange ich redete, die Augen tief nie¬ dergeſchlagen. So eben ließen ſich einige Reuter und Stimmen im Gebuͤſch hoͤren. Da ergriff ſie ſchnell den Strauß aus meiner Hand und war bald, ohne ein Wort zu ſagen, am andern Ende des Bogenganges verſchwunden.
Seit dieſem Abend hatte ich weder Ruh' noch Raſt mehr. Es war mir beſtaͤndig zu Muthe wie ſonſt immer, wenn der Fruͤhling anfangen ſollte, ſo unruhig und froͤhlich, ohne daß ich wußte warum, als ſtuͤnde mir ein großes Gluͤck oder ſonſt etwas Außerordentli¬ ches bevor. Beſonders das fatale Rechnen wollte mir nun erſt gar nicht mehr von der Hand, und ich hatte, wenn der Sonnenſchein durch den Kaſtanienbaum vor dem Fenſter gruͤngolden auf die Ziffern fiel, und ſo fix
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den Waldhornsklaͤngen und wechſelnden Abendlichtern
unter den hohen Baͤumen hervor kam, — ich konnte
nicht vom Fleck. Sie aber erſchrack heftig, als ſie mich
auf einmal gewahr wurde, und hielt faſt unwillkuͤhr¬
lich ſtill. Ich war wie betrunken vor Angſt, Herzklop¬
fen und großer Freude, und da ich bemerkte, daß ſie
wirklich meinen Blumenſtrauß von geſtern an der Bruſt
hatte, konnte ich mich nicht laͤnger halten, ſondern
ſagte ganz verwirrt: „Schoͤnſte gnaͤdige Frau, nehmt
auch noch dieſen Blumenſtrauß von mir, und alle Blu¬
men aus meinem Garten und alles was ich habe. Ach
koͤnnt' ich nur fuͤr Euch in's Feuer ſpringen!“ — Sie
hatte mich gleich anfangs ſo ernſthaft und faſt boͤſe an¬
geblickt, daß es mir durch Mark und Bein ging, dann
aber hielt ſie, ſo lange ich redete, die Augen tief nie¬
dergeſchlagen. So eben ließen ſich einige Reuter und
Stimmen im Gebuͤſch hoͤren. Da ergriff ſie ſchnell
den Strauß aus meiner Hand und war bald, ohne
ein Wort zu ſagen, am andern Ende des Bogenganges
verſchwunden.
Seit dieſem Abend hatte ich weder Ruh' noch
Raſt mehr. Es war mir beſtaͤndig zu Muthe wie ſonſt
immer, wenn der Fruͤhling anfangen ſollte, ſo unruhig
und froͤhlich, ohne daß ich wußte warum, als ſtuͤnde
mir ein großes Gluͤck oder ſonſt etwas Außerordentli¬
ches bevor. Beſonders das fatale Rechnen wollte mir
nun erſt gar nicht mehr von der Hand, und ich hatte,
wenn der Sonnenſchein durch den Kaſtanienbaum vor
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/31>, abgerufen am 25.07.2024.
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