in Schlafrock und Schlafmütze, rauchte Taback aus dem längsten Rohre, das ich nach dem seligen Einneh¬ mer gefunden hatte, und sah zu, wie die Leute auf der Landstraße hin- und hergingen, fuhren und ritten. Ich wünschte nur immer, daß auch einmal ein paar Leute aus meinem Dorfe, die immer sagten, aus mir würde mein Lebtage nichts, hier vorüber kommen und mich so sehen möchten. -- Der Schlafrock stand mir schön zu Gesichte, und überhaupt das alles behagte mir sehr gut. So saß ich denn da und dachte mir mancherlei hin und her, wie aller Anfang schwer ist, wie das vor¬ nehmere Leben doch eigentlich recht kommode sei, und faßte heimlich den Entschluß, nunmehr alles Reisen zu lassen, auch Geld zu sparen wie die andern, und es mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu bringen. Inzwischen vergaß ich über meinen Ent¬ schlüssen, Sorgen und Geschäften die allerschönste Frau keineswegs.
Die Kartoffeln und anderes Gemüse, das ich in meinem kleinen Gärtchen fand, warf ich hinaus und bebaute es ganz mit den auserlesensten Blumen, wor¬ über mich der Portier vom Schlosse mit der großen kurfürstlichen Nase, der, seitdem ich hier wohnte, oft zu mir kam und mein intimer Freund geworden war, bedenklich von der Seite ansah, und mich für ei¬ nen hielt, den sein plötzliches Glück verrückt gemacht hätte. Ich aber ließ mich das nicht anfechten. Denn nicht weit von mir im herrschaftlichen Garten hörte ich feine Stimmen sprechen, unter denen ich die mei¬
in Schlafrock und Schlafmuͤtze, rauchte Taback aus dem laͤngſten Rohre, das ich nach dem ſeligen Einneh¬ mer gefunden hatte, und ſah zu, wie die Leute auf der Landſtraße hin- und hergingen, fuhren und ritten. Ich wuͤnſchte nur immer, daß auch einmal ein paar Leute aus meinem Dorfe, die immer ſagten, aus mir wuͤrde mein Lebtage nichts, hier voruͤber kommen und mich ſo ſehen moͤchten. — Der Schlafrock ſtand mir ſchoͤn zu Geſichte, und uͤberhaupt das alles behagte mir ſehr gut. So ſaß ich denn da und dachte mir mancherlei hin und her, wie aller Anfang ſchwer iſt, wie das vor¬ nehmere Leben doch eigentlich recht kommode ſei, und faßte heimlich den Entſchluß, nunmehr alles Reiſen zu laſſen, auch Geld zu ſparen wie die andern, und es mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu bringen. Inzwiſchen vergaß ich uͤber meinen Ent¬ ſchluͤſſen, Sorgen und Geſchaͤften die allerſchoͤnſte Frau keineswegs.
Die Kartoffeln und anderes Gemuͤſe, das ich in meinem kleinen Gaͤrtchen fand, warf ich hinaus und bebaute es ganz mit den auserleſenſten Blumen, wor¬ uͤber mich der Portier vom Schloſſe mit der großen kurfuͤrſtlichen Naſe, der, ſeitdem ich hier wohnte, oft zu mir kam und mein intimer Freund geworden war, bedenklich von der Seite anſah, und mich fuͤr ei¬ nen hielt, den ſein ploͤtzliches Gluͤck verruͤckt gemacht haͤtte. Ich aber ließ mich das nicht anfechten. Denn nicht weit von mir im herrſchaftlichen Garten hoͤrte ich feine Stimmen ſprechen, unter denen ich die mei¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0028"n="18"/>
in Schlafrock und Schlafmuͤtze, rauchte Taback aus<lb/>
dem laͤngſten Rohre, das ich nach dem ſeligen Einneh¬<lb/>
mer gefunden hatte, und ſah zu, wie die Leute auf der<lb/>
Landſtraße hin- <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> hergingen, fuhren und ritten. Ich<lb/>
wuͤnſchte nur immer, daß auch einmal ein paar Leute<lb/>
aus meinem Dorfe, die immer ſagten, aus mir wuͤrde<lb/>
mein Lebtage nichts, hier voruͤber kommen und mich<lb/>ſo ſehen moͤchten. — Der Schlafrock ſtand mir ſchoͤn<lb/>
zu Geſichte, und uͤberhaupt das alles behagte mir ſehr<lb/>
gut. So ſaß ich denn da und dachte mir mancherlei<lb/>
hin und her, wie aller Anfang ſchwer iſt, wie das vor¬<lb/>
nehmere Leben doch eigentlich recht kommode ſei, und<lb/>
faßte heimlich den Entſchluß, nunmehr alles Reiſen zu<lb/>
laſſen, auch Geld zu ſparen wie die andern, und es<lb/>
mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu<lb/>
bringen. Inzwiſchen vergaß ich uͤber meinen Ent¬<lb/>ſchluͤſſen, Sorgen und Geſchaͤften die allerſchoͤnſte Frau<lb/>
keineswegs.</p><lb/><p>Die Kartoffeln und anderes Gemuͤſe, das ich in<lb/>
meinem kleinen Gaͤrtchen fand, warf ich hinaus und<lb/>
bebaute es ganz mit den auserleſenſten Blumen, wor¬<lb/>
uͤber mich der Portier vom Schloſſe mit der großen<lb/>
kurfuͤrſtlichen Naſe, der, ſeitdem ich hier wohnte, oft<lb/>
zu mir kam und mein intimer Freund geworden<lb/>
war, bedenklich von der Seite anſah, und mich fuͤr ei¬<lb/>
nen hielt, den ſein ploͤtzliches Gluͤck verruͤckt gemacht<lb/>
haͤtte. Ich aber ließ mich das nicht anfechten. Denn<lb/>
nicht weit von mir im herrſchaftlichen Garten hoͤrte<lb/>
ich feine Stimmen ſprechen, unter denen ich die mei¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[18/0028]
in Schlafrock und Schlafmuͤtze, rauchte Taback aus
dem laͤngſten Rohre, das ich nach dem ſeligen Einneh¬
mer gefunden hatte, und ſah zu, wie die Leute auf der
Landſtraße hin- und hergingen, fuhren und ritten. Ich
wuͤnſchte nur immer, daß auch einmal ein paar Leute
aus meinem Dorfe, die immer ſagten, aus mir wuͤrde
mein Lebtage nichts, hier voruͤber kommen und mich
ſo ſehen moͤchten. — Der Schlafrock ſtand mir ſchoͤn
zu Geſichte, und uͤberhaupt das alles behagte mir ſehr
gut. So ſaß ich denn da und dachte mir mancherlei
hin und her, wie aller Anfang ſchwer iſt, wie das vor¬
nehmere Leben doch eigentlich recht kommode ſei, und
faßte heimlich den Entſchluß, nunmehr alles Reiſen zu
laſſen, auch Geld zu ſparen wie die andern, und es
mit der Zeit gewiß zu etwas Großem in der Welt zu
bringen. Inzwiſchen vergaß ich uͤber meinen Ent¬
ſchluͤſſen, Sorgen und Geſchaͤften die allerſchoͤnſte Frau
keineswegs.
Die Kartoffeln und anderes Gemuͤſe, das ich in
meinem kleinen Gaͤrtchen fand, warf ich hinaus und
bebaute es ganz mit den auserleſenſten Blumen, wor¬
uͤber mich der Portier vom Schloſſe mit der großen
kurfuͤrſtlichen Naſe, der, ſeitdem ich hier wohnte, oft
zu mir kam und mein intimer Freund geworden
war, bedenklich von der Seite anſah, und mich fuͤr ei¬
nen hielt, den ſein ploͤtzliches Gluͤck verruͤckt gemacht
haͤtte. Ich aber ließ mich das nicht anfechten. Denn
nicht weit von mir im herrſchaftlichen Garten hoͤrte
ich feine Stimmen ſprechen, unter denen ich die mei¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/28>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.