Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

seinem Spazierstöckchen künstlich in der Luft herum¬
focht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlirte,
wovon ich aber nichts verstand, weil mir die Augen
und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die
Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, sah
der Amtmann hinter einem ungeheuren Dintenfasse
und Stößen von Papier und Büchern und einer an¬
sehnlichen Perücke, wie die Eule aus ihrem Nest, auf
mich und hob an: "Wie heißt Er? Woher ist Er?
Kann Er schreiben, lesen und rechnen?" Da ich das
bejahte, versetzte er: "Na, die gnädige Herrschaft hat
Ihm, in Betrachtung Seiner guten Aufführung und
besondern Meriten, die ledige Einnehmer-Stelle zuge¬
dacht." -- Ich überdachte in der Geschwindigkeit für
mich meine bisherige Aufführung und Manieren, und
ich mußte gestehen, ich fand am Ende selber, daß der
Amtmann Recht hatte. -- Und so war ich denn wirk¬
lich Zolleinnehmer, ehe ich mich's versah.

Ich bezog nun sogleich meine neue Wohnung und
war in kurzer Zeit eingerichtet. Ich hatte noch meh¬
rere Geräthschaften gefunden, die der selige Einneh¬
mer seinem Nachfolger hinterlassen, unter andern ei¬
nen prächtigen rothen Schlafrock mit gelben Punkten,
grüne Pantoffeln, eine Schlafmütze und einige Pfeifen
mit langen Röhren. Das alles hatte ich mir schon ein¬
mal gewünscht als ich noch zu Hause war, wo ich im¬
mer unsern Pfarrer so kommode herumgehen sah.
Den ganzen Tag, (zu thun hatte ich weiter nichts)
saß ich daher auf dem Bänkchen vor meinem Hause

B

ſeinem Spazierſtoͤckchen kuͤnſtlich in der Luft herum¬
focht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlirte,
wovon ich aber nichts verſtand, weil mir die Augen
und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die
Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, ſah
der Amtmann hinter einem ungeheuren Dintenfaſſe
und Stoͤßen von Papier und Buͤchern und einer an¬
ſehnlichen Peruͤcke, wie die Eule aus ihrem Neſt, auf
mich und hob an: „Wie heißt Er? Woher iſt Er?
Kann Er ſchreiben, leſen und rechnen?“ Da ich das
bejahte, verſetzte er: „Na, die gnaͤdige Herrſchaft hat
Ihm, in Betrachtung Seiner guten Auffuͤhrung und
beſondern Meriten, die ledige Einnehmer-Stelle zuge¬
dacht.“ — Ich uͤberdachte in der Geſchwindigkeit fuͤr
mich meine bisherige Auffuͤhrung und Manieren, und
ich mußte geſtehen, ich fand am Ende ſelber, daß der
Amtmann Recht hatte. — Und ſo war ich denn wirk¬
lich Zolleinnehmer, ehe ich mich's verſah.

Ich bezog nun ſogleich meine neue Wohnung und
war in kurzer Zeit eingerichtet. Ich hatte noch meh¬
rere Geraͤthſchaften gefunden, die der ſelige Einneh¬
mer ſeinem Nachfolger hinterlaſſen, unter andern ei¬
nen praͤchtigen rothen Schlafrock mit gelben Punkten,
gruͤne Pantoffeln, eine Schlafmuͤtze und einige Pfeifen
mit langen Roͤhren. Das alles hatte ich mir ſchon ein¬
mal gewuͤnſcht als ich noch zu Hauſe war, wo ich im¬
mer unſern Pfarrer ſo kommode herumgehen ſah.
Den ganzen Tag, (zu thun hatte ich weiter nichts)
ſaß ich daher auf dem Baͤnkchen vor meinem Hauſe

B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0027" n="17"/>
&#x017F;einem Spazier&#x017F;to&#x0364;ckchen ku&#x0364;n&#x017F;tlich in der Luft herum¬<lb/>
focht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlirte,<lb/>
wovon ich aber nichts ver&#x017F;tand, weil mir die Augen<lb/>
und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die<lb/>
Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, &#x017F;ah<lb/>
der Amtmann hinter einem ungeheuren Dintenfa&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und Sto&#x0364;ßen von Papier und Bu&#x0364;chern und einer an¬<lb/>
&#x017F;ehnlichen Peru&#x0364;cke, wie die Eule aus ihrem Ne&#x017F;t, auf<lb/>
mich und hob an: &#x201E;Wie heißt Er? Woher i&#x017F;t Er?<lb/>
Kann Er &#x017F;chreiben, le&#x017F;en und rechnen?&#x201C; Da ich das<lb/>
bejahte, ver&#x017F;etzte er: &#x201E;Na, die gna&#x0364;dige Herr&#x017F;chaft hat<lb/>
Ihm, in Betrachtung Seiner guten Auffu&#x0364;hrung und<lb/>
be&#x017F;ondern Meriten, die ledige Einnehmer-Stelle zuge¬<lb/>
dacht.&#x201C; &#x2014; Ich u&#x0364;berdachte in der Ge&#x017F;chwindigkeit fu&#x0364;r<lb/>
mich meine bisherige Auffu&#x0364;hrung und Manieren, und<lb/>
ich mußte ge&#x017F;tehen, ich fand am Ende &#x017F;elber, daß der<lb/>
Amtmann Recht hatte. &#x2014; Und &#x017F;o war ich denn wirk¬<lb/>
lich Zolleinnehmer, ehe ich mich's ver&#x017F;ah.</p><lb/>
          <p>Ich bezog nun &#x017F;ogleich meine neue Wohnung und<lb/>
war in kurzer Zeit eingerichtet. Ich hatte noch meh¬<lb/>
rere Gera&#x0364;th&#x017F;chaften gefunden, die der &#x017F;elige Einneh¬<lb/>
mer &#x017F;einem Nachfolger hinterla&#x017F;&#x017F;en, unter andern ei¬<lb/>
nen pra&#x0364;chtigen rothen Schlafrock mit gelben Punkten,<lb/>
gru&#x0364;ne Pantoffeln, eine Schlafmu&#x0364;tze und einige Pfeifen<lb/>
mit langen Ro&#x0364;hren. Das alles hatte ich mir &#x017F;chon ein¬<lb/>
mal gewu&#x0364;n&#x017F;cht als ich noch zu Hau&#x017F;e war, wo ich im¬<lb/>
mer un&#x017F;ern Pfarrer &#x017F;o kommode herumgehen &#x017F;ah.<lb/>
Den ganzen Tag, (zu thun hatte ich weiter nichts)<lb/>
&#x017F;aß ich daher auf dem Ba&#x0364;nkchen vor meinem Hau&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0027] ſeinem Spazierſtoͤckchen kuͤnſtlich in der Luft herum¬ focht und allerlei zu mir in den Wind hineinparlirte, wovon ich aber nichts verſtand, weil mir die Augen und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die Kanzlei trat, wo es noch gar nicht recht Tag war, ſah der Amtmann hinter einem ungeheuren Dintenfaſſe und Stoͤßen von Papier und Buͤchern und einer an¬ ſehnlichen Peruͤcke, wie die Eule aus ihrem Neſt, auf mich und hob an: „Wie heißt Er? Woher iſt Er? Kann Er ſchreiben, leſen und rechnen?“ Da ich das bejahte, verſetzte er: „Na, die gnaͤdige Herrſchaft hat Ihm, in Betrachtung Seiner guten Auffuͤhrung und beſondern Meriten, die ledige Einnehmer-Stelle zuge¬ dacht.“ — Ich uͤberdachte in der Geſchwindigkeit fuͤr mich meine bisherige Auffuͤhrung und Manieren, und ich mußte geſtehen, ich fand am Ende ſelber, daß der Amtmann Recht hatte. — Und ſo war ich denn wirk¬ lich Zolleinnehmer, ehe ich mich's verſah. Ich bezog nun ſogleich meine neue Wohnung und war in kurzer Zeit eingerichtet. Ich hatte noch meh¬ rere Geraͤthſchaften gefunden, die der ſelige Einneh¬ mer ſeinem Nachfolger hinterlaſſen, unter andern ei¬ nen praͤchtigen rothen Schlafrock mit gelben Punkten, gruͤne Pantoffeln, eine Schlafmuͤtze und einige Pfeifen mit langen Roͤhren. Das alles hatte ich mir ſchon ein¬ mal gewuͤnſcht als ich noch zu Hauſe war, wo ich im¬ mer unſern Pfarrer ſo kommode herumgehen ſah. Den ganzen Tag, (zu thun hatte ich weiter nichts) ſaß ich daher auf dem Baͤnkchen vor meinem Hauſe B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/27
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/27>, abgerufen am 23.11.2024.