Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

die Augen niedergeschlagen und ging nun auch fort
und sagte gar nichts. -- Mir aber standen die Thrä¬
nen in den Augen schon wie ich noch sang, das Herz
wollte mir zerspringen von dem Liede vor Schaam
und vor Schmerz, es fiel mir jetzt auf einmal alles
recht ein, wie Sie so schön ist und ich so arm bin
und verspottet und verlassen von der Welt, -- und
als sie alle hinter den Büschen verschwunden waren,
da konnt' ich mich nicht länger halten, ich warf mich
in das Gras hin und weinte bitterlich.


Zweites Kapitel.

Dicht am herrschaftlichen Garten ging die Land¬
straße vorüber, nur durch eine hohe Mauer von der¬
selben geschieden. Ein gar sauberes Zollhäuschen mit
rothem Ziegeldache war da erbaut, und hinter demsel¬
ben ein kleines buntumzäuntes Blumengärtchen, das
durch eine Lücke in der Mauer des Schloßgartens hin¬
durch an den schattigsten und verborgensten Theil des
letzteren stieß. Dort war eben der Zolleinnehmer ge¬
storben, der das alles sonst bewohnte. Da kam des ei¬
nen Morgens frühzeitig, da ich noch im tiefsten
Schlafe lag, der Schreiber vom Schlosse zu mir und
rief mich schleunigst zum Herrn Amtmann. Ich zog
mich geschwind an und schlenderte hinter dem lustigen
Schreiber her, der unterwegs bald da bald dort eine
Blume abbrach und vorn an den Rock steckte, bald mit

die Augen niedergeſchlagen und ging nun auch fort
und ſagte gar nichts. — Mir aber ſtanden die Thraͤ¬
nen in den Augen ſchon wie ich noch ſang, das Herz
wollte mir zerſpringen von dem Liede vor Schaam
und vor Schmerz, es fiel mir jetzt auf einmal alles
recht ein, wie Sie ſo ſchoͤn iſt und ich ſo arm bin
und verſpottet und verlaſſen von der Welt, — und
als ſie alle hinter den Buͤſchen verſchwunden waren,
da konnt' ich mich nicht laͤnger halten, ich warf mich
in das Gras hin und weinte bitterlich.


Zweites Kapitel.

Dicht am herrſchaftlichen Garten ging die Land¬
ſtraße voruͤber, nur durch eine hohe Mauer von der¬
ſelben geſchieden. Ein gar ſauberes Zollhaͤuschen mit
rothem Ziegeldache war da erbaut, und hinter demſel¬
ben ein kleines buntumzaͤuntes Blumengaͤrtchen, das
durch eine Luͤcke in der Mauer des Schloßgartens hin¬
durch an den ſchattigſten und verborgenſten Theil des
letzteren ſtieß. Dort war eben der Zolleinnehmer ge¬
ſtorben, der das alles ſonſt bewohnte. Da kam des ei¬
nen Morgens fruͤhzeitig, da ich noch im tiefſten
Schlafe lag, der Schreiber vom Schloſſe zu mir und
rief mich ſchleunigſt zum Herrn Amtmann. Ich zog
mich geſchwind an und ſchlenderte hinter dem luſtigen
Schreiber her, der unterwegs bald da bald dort eine
Blume abbrach und vorn an den Rock ſteckte, bald mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0026" n="16"/>
die Augen niederge&#x017F;chlagen und ging nun auch fort<lb/>
und &#x017F;agte gar nichts. &#x2014; Mir aber &#x017F;tanden die Thra&#x0364;¬<lb/>
nen in den Augen &#x017F;chon wie ich noch &#x017F;ang, das Herz<lb/>
wollte mir zer&#x017F;pringen von dem Liede vor Schaam<lb/>
und vor Schmerz, es fiel mir jetzt auf einmal alles<lb/>
recht ein, wie <hi rendition="#g">Sie</hi> &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t und ich &#x017F;o arm bin<lb/>
und ver&#x017F;pottet und verla&#x017F;&#x017F;en von der Welt, &#x2014; und<lb/>
als &#x017F;ie alle hinter den Bu&#x0364;&#x017F;chen ver&#x017F;chwunden waren,<lb/>
da konnt' ich mich nicht la&#x0364;nger halten, ich warf mich<lb/>
in das Gras hin und weinte bitterlich.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Zweites Kapitel</hi>.<lb/></head>
          <p>Dicht am herr&#x017F;chaftlichen Garten ging die Land¬<lb/>
&#x017F;traße voru&#x0364;ber, nur durch eine hohe Mauer von der¬<lb/>
&#x017F;elben ge&#x017F;chieden. Ein gar &#x017F;auberes Zollha&#x0364;uschen mit<lb/>
rothem Ziegeldache war da erbaut, und hinter dem&#x017F;el¬<lb/>
ben ein kleines buntumza&#x0364;untes Blumenga&#x0364;rtchen, das<lb/>
durch eine Lu&#x0364;cke in der Mauer des Schloßgartens hin¬<lb/>
durch an den &#x017F;chattig&#x017F;ten und verborgen&#x017F;ten Theil des<lb/>
letzteren &#x017F;tieß. Dort war eben der Zolleinnehmer ge¬<lb/>
&#x017F;torben, der das alles &#x017F;on&#x017F;t bewohnte. Da kam des ei¬<lb/>
nen Morgens fru&#x0364;hzeitig, da ich noch im tief&#x017F;ten<lb/>
Schlafe lag, der Schreiber vom Schlo&#x017F;&#x017F;e zu mir und<lb/>
rief mich &#x017F;chleunig&#x017F;t zum Herrn Amtmann. Ich zog<lb/>
mich ge&#x017F;chwind an und &#x017F;chlenderte hinter dem <choice><sic>luftigen</sic><corr>lu&#x017F;tigen</corr></choice><lb/>
Schreiber her, der unterwegs bald da bald dort eine<lb/>
Blume abbrach und vorn an den Rock &#x017F;teckte, bald mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0026] die Augen niedergeſchlagen und ging nun auch fort und ſagte gar nichts. — Mir aber ſtanden die Thraͤ¬ nen in den Augen ſchon wie ich noch ſang, das Herz wollte mir zerſpringen von dem Liede vor Schaam und vor Schmerz, es fiel mir jetzt auf einmal alles recht ein, wie Sie ſo ſchoͤn iſt und ich ſo arm bin und verſpottet und verlaſſen von der Welt, — und als ſie alle hinter den Buͤſchen verſchwunden waren, da konnt' ich mich nicht laͤnger halten, ich warf mich in das Gras hin und weinte bitterlich. Zweites Kapitel. Dicht am herrſchaftlichen Garten ging die Land¬ ſtraße voruͤber, nur durch eine hohe Mauer von der¬ ſelben geſchieden. Ein gar ſauberes Zollhaͤuschen mit rothem Ziegeldache war da erbaut, und hinter demſel¬ ben ein kleines buntumzaͤuntes Blumengaͤrtchen, das durch eine Luͤcke in der Mauer des Schloßgartens hin¬ durch an den ſchattigſten und verborgenſten Theil des letzteren ſtieß. Dort war eben der Zolleinnehmer ge¬ ſtorben, der das alles ſonſt bewohnte. Da kam des ei¬ nen Morgens fruͤhzeitig, da ich noch im tiefſten Schlafe lag, der Schreiber vom Schloſſe zu mir und rief mich ſchleunigſt zum Herrn Amtmann. Ich zog mich geſchwind an und ſchlenderte hinter dem luſtigen Schreiber her, der unterwegs bald da bald dort eine Blume abbrach und vorn an den Rock ſteckte, bald mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/26
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/26>, abgerufen am 22.12.2024.