Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie einsam die Räume!
Ach, Niemand ist mein!
Herz, wie so allein!
Laß fahren die Träume!
Der Herr wird Dich führen,
Tief kann ich ja spüren
Der Sterne still Walten.
Der Erde Gestalten
Kaum hörbar sich rühren;
Durch Nacht und durch Graus
Gen Morgen nach Haus --
Ja, Gott wird mich führen.

Angedenken.
Wenn Zwei geschieden sind von Herz und Munde,
Da zieh'n Gedanken über Berg' und Schlüfte,
Wie Tauben säuselnd durch die blauen Lüfte,
Und tragen hin und wieder süsse Kunde.
Ich schweif' umsonst, so weit der Erde Runde,
Und stieg' ich hoch auch über alle Klüfte:
Dein Haus ist höher noch als diese Lüfte,
Da reicht kein Laut hin, noch zurück zum Grunde.
Ja, seit Du todt -- mit seinen blüh'nden Borden
Wich ringsumher das Leben mir zurücke,
Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden.
Doch ist Dein Bild zum Sterne mir geworden,
Der nach der Heimath weist mit stillem Blicke,
Daß fromm der Schiffer streite mit den Winden.

Wie einſam die Raͤume!
Ach, Niemand iſt mein!
Herz, wie ſo allein!
Laß fahren die Traͤume!
Der Herr wird Dich fuͤhren,
Tief kann ich ja ſpuͤren
Der Sterne ſtill Walten.
Der Erde Geſtalten
Kaum hoͤrbar ſich ruͤhren;
Durch Nacht und durch Graus
Gen Morgen nach Haus —
Ja, Gott wird mich fuͤhren.

Angedenken.
Wenn Zwei geſchieden ſind von Herz und Munde,
Da zieh'n Gedanken uͤber Berg' und Schluͤfte,
Wie Tauben ſaͤuſelnd durch die blauen Luͤfte,
Und tragen hin und wieder ſuͤſſe Kunde.
Ich ſchweif' umſonſt, ſo weit der Erde Runde,
Und ſtieg' ich hoch auch uͤber alle Kluͤfte:
Dein Haus iſt hoͤher noch als dieſe Luͤfte,
Da reicht kein Laut hin, noch zuruͤck zum Grunde.
Ja, ſeit Du todt — mit ſeinen bluͤh'nden Borden
Wich ringsumher das Leben mir zuruͤcke,
Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden.
Doch iſt Dein Bild zum Sterne mir geworden,
Der nach der Heimath weiſt mit ſtillem Blicke,
Daß fromm der Schiffer ſtreite mit den Winden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0242" n="232"/>
            <lg n="8">
              <l>Wie ein&#x017F;am die Ra&#x0364;ume!</l><lb/>
              <l>Ach, Niemand i&#x017F;t mein!</l><lb/>
              <l>Herz, wie &#x017F;o allein!</l><lb/>
              <l>Laß fahren die Tra&#x0364;ume!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l>Der Herr wird Dich fu&#x0364;hren,</l><lb/>
              <l>Tief kann ich ja &#x017F;pu&#x0364;ren</l><lb/>
              <l>Der Sterne &#x017F;till Walten.</l><lb/>
              <l>Der Erde Ge&#x017F;talten</l><lb/>
              <l>Kaum ho&#x0364;rbar &#x017F;ich ru&#x0364;hren;</l><lb/>
              <l>Durch Nacht und durch Graus</l><lb/>
              <l>Gen Morgen nach Haus &#x2014;</l><lb/>
              <l>Ja, Gott wird mich fu&#x0364;hren.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="3">
          <head> <hi rendition="#g">Angedenken.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>enn Zwei ge&#x017F;chieden &#x017F;ind von Herz und Munde,</l><lb/>
              <l>Da zieh'n Gedanken u&#x0364;ber Berg' und Schlu&#x0364;fte,</l><lb/>
              <l>Wie Tauben &#x017F;a&#x0364;u&#x017F;elnd durch die blauen Lu&#x0364;fte,</l><lb/>
              <l>Und tragen hin und wieder &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Kunde.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Ich &#x017F;chweif' um&#x017F;on&#x017F;t, &#x017F;o weit der Erde Runde,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tieg' ich hoch auch u&#x0364;ber alle Klu&#x0364;fte:</l><lb/>
              <l>Dein Haus i&#x017F;t ho&#x0364;her noch als die&#x017F;e Lu&#x0364;fte,</l><lb/>
              <l>Da reicht kein Laut hin, noch zuru&#x0364;ck zum Grunde.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Ja, &#x017F;eit Du todt &#x2014; mit &#x017F;einen blu&#x0364;h'nden Borden</l><lb/>
              <l>Wich ringsumher das Leben mir zuru&#x0364;cke,</l><lb/>
              <l>Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Doch i&#x017F;t Dein Bild zum Sterne mir geworden,</l><lb/>
              <l>Der nach der Heimath wei&#x017F;t mit &#x017F;tillem Blicke,</l><lb/>
              <l>Daß fromm der Schiffer &#x017F;treite mit den Winden.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0242] Wie einſam die Raͤume! Ach, Niemand iſt mein! Herz, wie ſo allein! Laß fahren die Traͤume! Der Herr wird Dich fuͤhren, Tief kann ich ja ſpuͤren Der Sterne ſtill Walten. Der Erde Geſtalten Kaum hoͤrbar ſich ruͤhren; Durch Nacht und durch Graus Gen Morgen nach Haus — Ja, Gott wird mich fuͤhren. Angedenken. Wenn Zwei geſchieden ſind von Herz und Munde, Da zieh'n Gedanken uͤber Berg' und Schluͤfte, Wie Tauben ſaͤuſelnd durch die blauen Luͤfte, Und tragen hin und wieder ſuͤſſe Kunde. Ich ſchweif' umſonſt, ſo weit der Erde Runde, Und ſtieg' ich hoch auch uͤber alle Kluͤfte: Dein Haus iſt hoͤher noch als dieſe Luͤfte, Da reicht kein Laut hin, noch zuruͤck zum Grunde. Ja, ſeit Du todt — mit ſeinen bluͤh'nden Borden Wich ringsumher das Leben mir zuruͤcke, Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden. Doch iſt Dein Bild zum Sterne mir geworden, Der nach der Heimath weiſt mit ſtillem Blicke, Daß fromm der Schiffer ſtreite mit den Winden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/242
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/242>, abgerufen am 22.12.2024.