gar. Die schöne Frau welche eine Lilie in der Hand hielt, saß dicht am Bord des Schiffleins und sah still¬ lächelnd in die klaren Wellen hinunter, die sie mit der Lilie berührte, so daß ihr ganzes Bild zwischen den wiederscheinenden Wolken und Bäumen im Wasser noch einmal zu sehen war, wie ein Engel, der leise durch den tiefen blauen Himmelsgrund zieht.
Wie ich noch so auf sie hinsehe, fällt's auf einmal der andern lustigen Dicken von meinen zwei Damen ein, ich sollte ihr während der Fahrt Eins singen. Ge¬ schwind dreht sich ein sehr zierlicher junger Herr mit einer Brille auf der Nase, der neben ihr saß, zu ihr herum, küßt ihr sanft die Hand und sagt: "Ich danke ihnen für den sinnigen Einfall! ein Volkslied, gesun¬ gen vom Volk in freiem Feld und Wald, ist ein Al¬ penröslein auf der Alpe selbst, -- die Wunderhörner sind nur Herbarien, -- ist die Seele der National- Seele." Ich aber sagte, ich wisse nichts zu singen, was für solche Herrschaften schön genug wäre. Da sagte die schnippische Kammerjungfer, die mit einem Korbe voll Tassen und Flaschen hart neben mir stand und die ich bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte: "Weiß Er doch ein recht hübsches Liedchen von einer viel¬ schönen Fraue." -- "Ja, ja, das sing Er nur recht dreist weg," rief darauf sogleich die Dame wieder. Ich wurde über und über roth. -- Indem blickte auch die schöne Frau auf einmal vom Wasser auf, und sah mich an, daß es mir durch Leib und Seele ging. Da be¬
gar. Die ſchoͤne Frau welche eine Lilie in der Hand hielt, ſaß dicht am Bord des Schiffleins und ſah ſtill¬ laͤchelnd in die klaren Wellen hinunter, die ſie mit der Lilie beruͤhrte, ſo daß ihr ganzes Bild zwiſchen den wiederſcheinenden Wolken und Baͤumen im Waſſer noch einmal zu ſehen war, wie ein Engel, der leiſe durch den tiefen blauen Himmelsgrund zieht.
Wie ich noch ſo auf ſie hinſehe, faͤllt's auf einmal der andern luſtigen Dicken von meinen zwei Damen ein, ich ſollte ihr waͤhrend der Fahrt Eins ſingen. Ge¬ ſchwind dreht ſich ein ſehr zierlicher junger Herr mit einer Brille auf der Naſe, der neben ihr ſaß, zu ihr herum, kuͤßt ihr ſanft die Hand und ſagt: „Ich danke ihnen fuͤr den ſinnigen Einfall! ein Volkslied, geſun¬ gen vom Volk in freiem Feld und Wald, iſt ein Al¬ penroͤslein auf der Alpe ſelbſt, — die Wunderhoͤrner ſind nur Herbarien, — iſt die Seele der National- Seele.“ Ich aber ſagte, ich wiſſe nichts zu ſingen, was fuͤr ſolche Herrſchaften ſchoͤn genug waͤre. Da ſagte die ſchnippiſche Kammerjungfer, die mit einem Korbe voll Taſſen und Flaſchen hart neben mir ſtand und die ich bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte: „Weiß Er doch ein recht huͤbſches Liedchen von einer viel¬ ſchoͤnen Fraue.“ — „Ja, ja, das ſing Er nur recht dreiſt weg,“ rief darauf ſogleich die Dame wieder. Ich wurde uͤber und uͤber roth. — Indem blickte auch die ſchoͤne Frau auf einmal vom Waſſer auf, und ſah mich an, daß es mir durch Leib und Seele ging. Da be¬
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gar. Die ſchoͤne Frau welche eine Lilie in der Hand
hielt, ſaß dicht am Bord des Schiffleins und ſah ſtill¬
laͤchelnd in die klaren Wellen hinunter, die ſie mit der
Lilie beruͤhrte, ſo daß ihr ganzes Bild zwiſchen den
wiederſcheinenden Wolken und Baͤumen im Waſſer
noch einmal zu ſehen war, wie ein Engel, der leiſe
durch den tiefen blauen Himmelsgrund zieht.
Wie ich noch ſo auf ſie hinſehe, faͤllt's auf einmal
der andern luſtigen Dicken von meinen zwei Damen
ein, ich ſollte ihr waͤhrend der Fahrt Eins ſingen. Ge¬
ſchwind dreht ſich ein ſehr zierlicher junger Herr mit
einer Brille auf der Naſe, der neben ihr ſaß, zu ihr
herum, kuͤßt ihr ſanft die Hand und ſagt: „Ich danke
ihnen fuͤr den ſinnigen Einfall! ein Volkslied, geſun¬
gen vom Volk in freiem Feld und Wald, iſt ein Al¬
penroͤslein auf der Alpe ſelbſt, — die Wunderhoͤrner
ſind nur Herbarien, — iſt die Seele der National-
Seele.“ Ich aber ſagte, ich wiſſe nichts zu ſingen,
was fuͤr ſolche Herrſchaften ſchoͤn genug waͤre. Da ſagte
die ſchnippiſche Kammerjungfer, die mit einem Korbe
voll Taſſen und Flaſchen hart neben mir ſtand und
die ich bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte: „Weiß
Er doch ein recht huͤbſches Liedchen von einer viel¬
ſchoͤnen Fraue.“ — „Ja, ja, das ſing Er nur recht dreiſt
weg,“ rief darauf ſogleich die Dame wieder. Ich
wurde uͤber und uͤber roth. — Indem blickte auch die
ſchoͤne Frau auf einmal vom Waſſer auf, und ſah mich
an, daß es mir durch Leib und Seele ging. Da be¬
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/24>, abgerufen am 16.02.2025.
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