chen. "Da schickt Euch die vielschöne gnädige Frau was, das sollt Ihr auf ihre Gesundheit trinken. Eine gute Nacht auch!" Damit setzte sie mir fix eine Fla¬ sche Wein auf's Fenster und war sogleich wieder zwi¬ schen den Blumen und Hecken verschwunden, wie eine Eidechse.
Ich aber stand noch lange vor der wundersamen Flasche, und wußte nicht wie mir geschehen war. -- Und hatte ich vorher lustig die Geige gestrichen, so spielt' und sang ich jetzt erst recht, und sang das Lied von der schönen Frau ganz aus und alle meine Lieder, die ich nur wußte, bis alle Nachtigallen draußen erwach¬ ten und Mond und Sterne schon lange über dem Garten standen. Ja, das war einmal eine gute schöne Nacht!
Es wird keinem an der Wiege gesungen, was künf¬ tig aus ihm wird, eine blinde Henne find't manchmal auch ein Korn, wer zuletzt lacht, lacht am besten, un¬ verhofft kommt oft, der Mensch denkt und Gott lenkt, so meditirt' ich, als ich am folgenden Tage wieder mit meiner Pfeife im Garten saß und es mir dabei, da ich so aufmerksam an mir herunter sah, fast vorkom¬ men wollte, als wäre ich doch eigentlich ein rechter Lump. -- Ich stand nunmehr, ganz wider meine sonstige Gewohnheit, alle Tage sehr zeitig auf, eh' sich noch der Gärtner und die andern Arbeiter rührten. Da war es so wunderschön draußen im Garten. Die Blumen, die Springbrunnen, die Rosenbüsche und der ganze Garten funkelten von der Morgensonne wie lau¬ ter Gold und Edelstein. Und in den hohen Buchen¬
chen. „Da ſchickt Euch die vielſchoͤne gnaͤdige Frau was, das ſollt Ihr auf ihre Geſundheit trinken. Eine gute Nacht auch!“ Damit ſetzte ſie mir fix eine Fla¬ ſche Wein auf's Fenſter und war ſogleich wieder zwi¬ ſchen den Blumen und Hecken verſchwunden, wie eine Eidechſe.
Ich aber ſtand noch lange vor der wunderſamen Flaſche, und wußte nicht wie mir geſchehen war. — Und hatte ich vorher luſtig die Geige geſtrichen, ſo ſpielt' und ſang ich jetzt erſt recht, und ſang das Lied von der ſchoͤnen Frau ganz aus und alle meine Lieder, die ich nur wußte, bis alle Nachtigallen draußen erwach¬ ten und Mond und Sterne ſchon lange uͤber dem Garten ſtanden. Ja, das war einmal eine gute ſchoͤne Nacht!
Es wird keinem an der Wiege geſungen, was kuͤnf¬ tig aus ihm wird, eine blinde Henne find't manchmal auch ein Korn, wer zuletzt lacht, lacht am beſten, un¬ verhofft kommt oft, der Menſch denkt und Gott lenkt, ſo meditirt' ich, als ich am folgenden Tage wieder mit meiner Pfeife im Garten ſaß und es mir dabei, da ich ſo aufmerkſam an mir herunter ſah, faſt vorkom¬ men wollte, als waͤre ich doch eigentlich ein rechter Lump. — Ich ſtand nunmehr, ganz wider meine ſonſtige Gewohnheit, alle Tage ſehr zeitig auf, eh' ſich noch der Gaͤrtner und die andern Arbeiter ruͤhrten. Da war es ſo wunderſchoͤn draußen im Garten. Die Blumen, die Springbrunnen, die Roſenbuͤſche und der ganze Garten funkelten von der Morgenſonne wie lau¬ ter Gold und Edelſtein. Und in den hohen Buchen¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0020"n="10"/>
chen. „Da ſchickt Euch die vielſchoͤne gnaͤdige Frau<lb/>
was, das ſollt Ihr auf ihre Geſundheit trinken. Eine<lb/>
gute Nacht auch!“ Damit ſetzte ſie mir fix eine Fla¬<lb/>ſche Wein auf's Fenſter und war ſogleich wieder zwi¬<lb/>ſchen den Blumen und Hecken verſchwunden, wie eine<lb/>
Eidechſe.</p><lb/><p>Ich aber ſtand noch lange vor der wunderſamen<lb/>
Flaſche, und wußte nicht wie mir geſchehen war. —<lb/>
Und hatte ich vorher luſtig die Geige geſtrichen, ſo<lb/>ſpielt' und ſang ich jetzt erſt recht, und ſang das Lied<lb/>
von der ſchoͤnen Frau ganz aus und alle meine Lieder,<lb/>
die ich nur wußte, bis alle Nachtigallen draußen erwach¬<lb/>
ten und Mond und Sterne ſchon lange uͤber dem Garten<lb/>ſtanden. Ja, das war einmal eine gute ſchoͤne Nacht!</p><lb/><p>Es wird keinem an der Wiege geſungen, was kuͤnf¬<lb/>
tig aus ihm wird, eine blinde Henne find't manchmal<lb/>
auch ein Korn, wer zuletzt lacht, lacht am beſten, un¬<lb/>
verhofft kommt oft, der Menſch denkt und Gott lenkt,<lb/>ſo meditirt' ich, als ich am folgenden Tage wieder mit<lb/>
meiner Pfeife im Garten ſaß und es mir dabei, da<lb/>
ich ſo aufmerkſam an mir herunter ſah, faſt vorkom¬<lb/>
men wollte, als waͤre ich doch eigentlich ein rechter<lb/>
Lump. — Ich ſtand nunmehr, ganz wider meine<lb/>ſonſtige Gewohnheit, alle Tage ſehr zeitig auf, eh' ſich<lb/>
noch der Gaͤrtner und die andern Arbeiter ruͤhrten.<lb/>
Da war es ſo wunderſchoͤn draußen im Garten. Die<lb/>
Blumen, die Springbrunnen, die Roſenbuͤſche und der<lb/>
ganze Garten funkelten von der Morgenſonne wie lau¬<lb/>
ter Gold und Edelſtein. Und in den hohen Buchen¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[10/0020]
chen. „Da ſchickt Euch die vielſchoͤne gnaͤdige Frau
was, das ſollt Ihr auf ihre Geſundheit trinken. Eine
gute Nacht auch!“ Damit ſetzte ſie mir fix eine Fla¬
ſche Wein auf's Fenſter und war ſogleich wieder zwi¬
ſchen den Blumen und Hecken verſchwunden, wie eine
Eidechſe.
Ich aber ſtand noch lange vor der wunderſamen
Flaſche, und wußte nicht wie mir geſchehen war. —
Und hatte ich vorher luſtig die Geige geſtrichen, ſo
ſpielt' und ſang ich jetzt erſt recht, und ſang das Lied
von der ſchoͤnen Frau ganz aus und alle meine Lieder,
die ich nur wußte, bis alle Nachtigallen draußen erwach¬
ten und Mond und Sterne ſchon lange uͤber dem Garten
ſtanden. Ja, das war einmal eine gute ſchoͤne Nacht!
Es wird keinem an der Wiege geſungen, was kuͤnf¬
tig aus ihm wird, eine blinde Henne find't manchmal
auch ein Korn, wer zuletzt lacht, lacht am beſten, un¬
verhofft kommt oft, der Menſch denkt und Gott lenkt,
ſo meditirt' ich, als ich am folgenden Tage wieder mit
meiner Pfeife im Garten ſaß und es mir dabei, da
ich ſo aufmerkſam an mir herunter ſah, faſt vorkom¬
men wollte, als waͤre ich doch eigentlich ein rechter
Lump. — Ich ſtand nunmehr, ganz wider meine
ſonſtige Gewohnheit, alle Tage ſehr zeitig auf, eh' ſich
noch der Gaͤrtner und die andern Arbeiter ruͤhrten.
Da war es ſo wunderſchoͤn draußen im Garten. Die
Blumen, die Springbrunnen, die Roſenbuͤſche und der
ganze Garten funkelten von der Morgenſonne wie lau¬
ter Gold und Edelſtein. Und in den hohen Buchen¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/20>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.