Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.selbe, bei den indeß immer gewaltiger verschwellenden Unten im Garten lag seitwärts der stille Weiher, ſelbe, bei den indeß immer gewaltiger verſchwellenden Unten im Garten lag ſeitwaͤrts der ſtille Weiher, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0198" n="188"/> ſelbe, bei den indeß immer gewaltiger verſchwellenden<lb/> Toͤnen des Geſanges im Garten, immer bleicher und<lb/> bleicher wurde, gleich einer verſinkenden Abendroͤthe,<lb/> worin endlich auch die lieblich ſpielenden Augenſterne<lb/> unterzugehen ſchienen, da erfaßte ihn ein toͤdliches<lb/> Grauen. Denn auch die hohen Blumen in den Ge¬<lb/> faͤßen fingen an, ſich wie buntgefleckte baͤumende Schlan¬<lb/> gen graͤßlich durch einander zu winden, alle Ritter auf<lb/> den Wandtapeten ſahen auf einmal aus wie er und<lb/> lachten ihn haͤmiſch an; die beiden Arme, welche die<lb/> Kerzen hielten, rangen und reckten ſich immer laͤnger,<lb/> als wollte ein ungeheurer Mann aus der Wand ſich<lb/> hervorarbeiten, der Saal fuͤllte ſich mehr und mehr,<lb/> die Flammen des Blitzes warfen graͤßliche Scheine<lb/> zwiſchen die Geſtalten, durch deren Gewimmel Florio<lb/> die ſteinernen Bilder mit ſolcher Gewalt auf ſich los¬<lb/> dringen ſah, daß ihm die Haare zu Berge ſtanden.<lb/> Das Grauſen uͤberwaͤltigte alle ſeine Sinne, er ſtuͤrzte<lb/> verworren aus dem Zimmer durch die oͤden wiederhal¬<lb/> lenden Gemaͤcher und Saͤulengaͤnge hinab.</p><lb/> <p>Unten im Garten lag ſeitwaͤrts der ſtille Weiher,<lb/> den er in jener erſten Nacht geſehen, mit dem mar¬<lb/> mornen Venusbilde. — Der Saͤnger Fortunato, ſo<lb/> kam es ihm vor, fuhr abgewendet und hoch aufrecht<lb/> ſtehend im Kahne mitten auf dem Weiher, noch ein¬<lb/> zelne Accorde in ſeine Guitarre greifend. — Florio<lb/> aber hielt auch dieſe Erſcheinung fuͤr ein verwirrendes<lb/> Blendwerk der Nacht und eilte fort und fort, ohne<lb/> ſich umzuſehen, bis Weiher, Garten und Palaſt weit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [188/0198]
ſelbe, bei den indeß immer gewaltiger verſchwellenden
Toͤnen des Geſanges im Garten, immer bleicher und
bleicher wurde, gleich einer verſinkenden Abendroͤthe,
worin endlich auch die lieblich ſpielenden Augenſterne
unterzugehen ſchienen, da erfaßte ihn ein toͤdliches
Grauen. Denn auch die hohen Blumen in den Ge¬
faͤßen fingen an, ſich wie buntgefleckte baͤumende Schlan¬
gen graͤßlich durch einander zu winden, alle Ritter auf
den Wandtapeten ſahen auf einmal aus wie er und
lachten ihn haͤmiſch an; die beiden Arme, welche die
Kerzen hielten, rangen und reckten ſich immer laͤnger,
als wollte ein ungeheurer Mann aus der Wand ſich
hervorarbeiten, der Saal fuͤllte ſich mehr und mehr,
die Flammen des Blitzes warfen graͤßliche Scheine
zwiſchen die Geſtalten, durch deren Gewimmel Florio
die ſteinernen Bilder mit ſolcher Gewalt auf ſich los¬
dringen ſah, daß ihm die Haare zu Berge ſtanden.
Das Grauſen uͤberwaͤltigte alle ſeine Sinne, er ſtuͤrzte
verworren aus dem Zimmer durch die oͤden wiederhal¬
lenden Gemaͤcher und Saͤulengaͤnge hinab.
Unten im Garten lag ſeitwaͤrts der ſtille Weiher,
den er in jener erſten Nacht geſehen, mit dem mar¬
mornen Venusbilde. — Der Saͤnger Fortunato, ſo
kam es ihm vor, fuhr abgewendet und hoch aufrecht
ſtehend im Kahne mitten auf dem Weiher, noch ein¬
zelne Accorde in ſeine Guitarre greifend. — Florio
aber hielt auch dieſe Erſcheinung fuͤr ein verwirrendes
Blendwerk der Nacht und eilte fort und fort, ohne
ſich umzuſehen, bis Weiher, Garten und Palaſt weit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeIm Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr] Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |