kamen. Das Mondlicht fiel eben wechselnd zwischen den Bäumen auf ihre Gestalt. Da kam es ihm auch vor, als sey sie nun größer, schlanker und edler, als vorhin beim Tanze und am Springbrunnen.
Sie waren indeß bis an den Ausgang des Gar¬ tens gekommen. Keine Lampe brannte mehr hier, nur manchmal hörte man noch eine Stimme in der Ferne verhallend. Draußen ruhte der weite Kreis der Gegend still und feierlich im prächtigen Mondschein. Auf ei¬ ner Wiese, die vor ihnen lag, bemerkte Florio mehrere Pferde und Menschen, in dem Dämmerlichte halb¬ kenntlich durch einander wirrend.
Hier blieb seine Begleiterin plötzlich stehen. "Es wird mich freuen," sagte sie, "Euch einmal in meinem Hause zu sehen. Unser Freund wird Euch hingelei¬ ten. -- Lebt wohl!" -- Bei diesen Worten schlug sie den Schleier zurück, und Florio fuhr erschrocken zu¬ sammen. -- Es war die wunderbare Schöne, deren Gesang er in jenem mittagschwülen Garten belauscht. -- Aber ihr Gesicht, das der Mond hell beschien, kam ihm bleich und regungslos vor, fast wie damals das Mar¬ morbild am Weiher.
Er sah nun, wie sie über die Wiese dahinging, von mehreren reichgeschmückten Dienern empfangen wurde, und in einem schnell umgeworfenen schimmern¬ den Jagdkleide einen schneeweißen Zelter bestieg. Wie festgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen Grauen, das ihn innerlichst überschlich, blieb er ste¬
kamen. Das Mondlicht fiel eben wechſelnd zwiſchen den Baͤumen auf ihre Geſtalt. Da kam es ihm auch vor, als ſey ſie nun groͤßer, ſchlanker und edler, als vorhin beim Tanze und am Springbrunnen.
Sie waren indeß bis an den Ausgang des Gar¬ tens gekommen. Keine Lampe brannte mehr hier, nur manchmal hoͤrte man noch eine Stimme in der Ferne verhallend. Draußen ruhte der weite Kreis der Gegend ſtill und feierlich im praͤchtigen Mondſchein. Auf ei¬ ner Wieſe, die vor ihnen lag, bemerkte Florio mehrere Pferde und Menſchen, in dem Daͤmmerlichte halb¬ kenntlich durch einander wirrend.
Hier blieb ſeine Begleiterin ploͤtzlich ſtehen. „Es wird mich freuen,“ ſagte ſie, „Euch einmal in meinem Hauſe zu ſehen. Unſer Freund wird Euch hingelei¬ ten. — Lebt wohl!“ — Bei dieſen Worten ſchlug ſie den Schleier zuruͤck, und Florio fuhr erſchrocken zu¬ ſammen. — Es war die wunderbare Schoͤne, deren Geſang er in jenem mittagſchwuͤlen Garten belauſcht. — Aber ihr Geſicht, das der Mond hell beſchien, kam ihm bleich und regungslos vor, faſt wie damals das Mar¬ morbild am Weiher.
Er ſah nun, wie ſie uͤber die Wieſe dahinging, von mehreren reichgeſchmuͤckten Dienern empfangen wurde, und in einem ſchnell umgeworfenen ſchimmern¬ den Jagdkleide einen ſchneeweißen Zelter beſtieg. Wie feſtgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen Grauen, das ihn innerlichſt uͤberſchlich, blieb er ſte¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0185"n="175"/>
kamen. Das Mondlicht fiel eben wechſelnd zwiſchen<lb/>
den Baͤumen auf ihre Geſtalt. Da kam es ihm auch<lb/>
vor, als ſey ſie nun groͤßer, ſchlanker und edler, als<lb/>
vorhin beim Tanze und am Springbrunnen.</p><lb/><p>Sie waren indeß bis an den Ausgang des Gar¬<lb/>
tens gekommen. Keine Lampe brannte mehr hier, nur<lb/>
manchmal hoͤrte man noch eine Stimme in der Ferne<lb/>
verhallend. Draußen ruhte der weite Kreis der Gegend<lb/>ſtill und feierlich im praͤchtigen Mondſchein. Auf ei¬<lb/>
ner Wieſe, die vor ihnen lag, bemerkte Florio mehrere<lb/>
Pferde und Menſchen, in dem Daͤmmerlichte halb¬<lb/>
kenntlich durch einander wirrend.</p><lb/><p>Hier blieb ſeine Begleiterin ploͤtzlich ſtehen. „Es<lb/>
wird mich freuen,“ſagte ſie, „Euch einmal in meinem<lb/>
Hauſe zu ſehen. Unſer Freund wird Euch hingelei¬<lb/>
ten. — Lebt wohl!“— Bei dieſen Worten ſchlug ſie<lb/>
den Schleier zuruͤck, und Florio fuhr erſchrocken zu¬<lb/>ſammen. — Es war die wunderbare Schoͤne, deren<lb/>
Geſang er in jenem mittagſchwuͤlen Garten belauſcht. —<lb/>
Aber ihr Geſicht, das der Mond hell beſchien, kam ihm<lb/>
bleich und regungslos vor, faſt wie damals das Mar¬<lb/>
morbild am Weiher.</p><lb/><p>Er ſah nun, wie ſie uͤber die Wieſe dahinging,<lb/>
von mehreren reichgeſchmuͤckten Dienern empfangen<lb/>
wurde, und in einem ſchnell umgeworfenen ſchimmern¬<lb/>
den Jagdkleide einen ſchneeweißen Zelter beſtieg. Wie<lb/>
feſtgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen<lb/>
Grauen, das ihn innerlichſt uͤberſchlich, blieb er ſte¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[175/0185]
kamen. Das Mondlicht fiel eben wechſelnd zwiſchen
den Baͤumen auf ihre Geſtalt. Da kam es ihm auch
vor, als ſey ſie nun groͤßer, ſchlanker und edler, als
vorhin beim Tanze und am Springbrunnen.
Sie waren indeß bis an den Ausgang des Gar¬
tens gekommen. Keine Lampe brannte mehr hier, nur
manchmal hoͤrte man noch eine Stimme in der Ferne
verhallend. Draußen ruhte der weite Kreis der Gegend
ſtill und feierlich im praͤchtigen Mondſchein. Auf ei¬
ner Wieſe, die vor ihnen lag, bemerkte Florio mehrere
Pferde und Menſchen, in dem Daͤmmerlichte halb¬
kenntlich durch einander wirrend.
Hier blieb ſeine Begleiterin ploͤtzlich ſtehen. „Es
wird mich freuen,“ ſagte ſie, „Euch einmal in meinem
Hauſe zu ſehen. Unſer Freund wird Euch hingelei¬
ten. — Lebt wohl!“ — Bei dieſen Worten ſchlug ſie
den Schleier zuruͤck, und Florio fuhr erſchrocken zu¬
ſammen. — Es war die wunderbare Schoͤne, deren
Geſang er in jenem mittagſchwuͤlen Garten belauſcht. —
Aber ihr Geſicht, das der Mond hell beſchien, kam ihm
bleich und regungslos vor, faſt wie damals das Mar¬
morbild am Weiher.
Er ſah nun, wie ſie uͤber die Wieſe dahinging,
von mehreren reichgeſchmuͤckten Dienern empfangen
wurde, und in einem ſchnell umgeworfenen ſchimmern¬
den Jagdkleide einen ſchneeweißen Zelter beſtieg. Wie
feſtgebannt von Staunen, Freude und einem heimlichen
Grauen, das ihn innerlichſt uͤberſchlich, blieb er ſte¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/185>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.