der wie in ein goldnes Liebesnetz verstrickt, in das nur die Masken mit ihren ungeselligen Parodien manche komische Lücke rissen. Besonders hatte Fortunato sich diesen Abend mehreremal verkleidet und trieb fortwäh¬ rend seltsam wechselnd sinnreichen Spuk, immer neu und unerkannt, und oft sich selber überraschend durch die Kühnheit und tiefe Bedeutsamkeit seines Spieles, so daß er manchmal plötzlich still wurde vor Wehmuth, wenn die andern sich halb todt lachen wollten. --
Die schöne Griechin ließ sich indeß nirgends sehen, sie schien es absichtlich zu vermeiden, dem Florio wie¬ der zu begegnen.
Dagegen hatte ihn der Herr vom Hause recht in Beschlag genommen. Künstlich und weit ausholend befragte ihn derselbe weitläuftig um sein früheres Leben, seine Reisen und seinen künftigen Lebensplan. Florio konnte dabei gar nicht vertraulich werden, denn Pie¬ tro, so hieß jener, sah fortwährend so beobachtend aus, als läge hinter alle den feinen Redensarten irgend ein besonderer Anschlag auf der Lauer. Vergebens sann er hin und her, dem Grunde dieser zudringlichen Neu¬ gier auf die Spur zu kommen.
Er hatte sich so eben wieder von ihm losgemacht, als er, um den Ausgang einer Allee herumbeugend, meh¬ reren Masken begegnete, unter denen er unerwartet die Griechin wieder erblickte. Die Masken sprachen viel und seltsam durcheinander, die eine Stimme schien ihm be¬ kannt, doch konnte er sich nicht deutlich besinnen. Bald dar¬ auf verlor sich eine Gestalt nach der andern, bis er sich am
der wie in ein goldnes Liebesnetz verſtrickt, in das nur die Masken mit ihren ungeſelligen Parodien manche komiſche Luͤcke riſſen. Beſonders hatte Fortunato ſich dieſen Abend mehreremal verkleidet und trieb fortwaͤh¬ rend ſeltſam wechſelnd ſinnreichen Spuk, immer neu und unerkannt, und oft ſich ſelber uͤberraſchend durch die Kuͤhnheit und tiefe Bedeutſamkeit ſeines Spieles, ſo daß er manchmal ploͤtzlich ſtill wurde vor Wehmuth, wenn die andern ſich halb todt lachen wollten. —
Die ſchoͤne Griechin ließ ſich indeß nirgends ſehen, ſie ſchien es abſichtlich zu vermeiden, dem Florio wie¬ der zu begegnen.
Dagegen hatte ihn der Herr vom Hauſe recht in Beſchlag genommen. Kuͤnſtlich und weit ausholend befragte ihn derſelbe weitlaͤuftig um ſein fruͤheres Leben, ſeine Reiſen und ſeinen kuͤnftigen Lebensplan. Florio konnte dabei gar nicht vertraulich werden, denn Pie¬ tro, ſo hieß jener, ſah fortwaͤhrend ſo beobachtend aus, als laͤge hinter alle den feinen Redensarten irgend ein beſonderer Anſchlag auf der Lauer. Vergebens ſann er hin und her, dem Grunde dieſer zudringlichen Neu¬ gier auf die Spur zu kommen.
Er hatte ſich ſo eben wieder von ihm losgemacht, als er, um den Ausgang einer Allee herumbeugend, meh¬ reren Masken begegnete, unter denen er unerwartet die Griechin wieder erblickte. Die Masken ſprachen viel und ſeltſam durcheinander, die eine Stimme ſchien ihm be¬ kannt, doch konnte er ſich nicht deutlich beſinnen. Bald dar¬ auf verlor ſich eine Geſtalt nach der andern, bis er ſich am
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der wie in ein goldnes Liebesnetz verſtrickt, in das nur
die Masken mit ihren ungeſelligen Parodien manche
komiſche Luͤcke riſſen. Beſonders hatte Fortunato ſich
dieſen Abend mehreremal verkleidet und trieb fortwaͤh¬
rend ſeltſam wechſelnd ſinnreichen Spuk, immer neu
und unerkannt, und oft ſich ſelber uͤberraſchend durch
die Kuͤhnheit und tiefe Bedeutſamkeit ſeines Spieles,
ſo daß er manchmal ploͤtzlich ſtill wurde vor Wehmuth,
wenn die andern ſich halb todt lachen wollten. —
Die ſchoͤne Griechin ließ ſich indeß nirgends ſehen,
ſie ſchien es abſichtlich zu vermeiden, dem Florio wie¬
der zu begegnen.
Dagegen hatte ihn der Herr vom Hauſe recht in
Beſchlag genommen. Kuͤnſtlich und weit ausholend
befragte ihn derſelbe weitlaͤuftig um ſein fruͤheres Leben,
ſeine Reiſen und ſeinen kuͤnftigen Lebensplan. Florio
konnte dabei gar nicht vertraulich werden, denn Pie¬
tro, ſo hieß jener, ſah fortwaͤhrend ſo beobachtend aus,
als laͤge hinter alle den feinen Redensarten irgend ein
beſonderer Anſchlag auf der Lauer. Vergebens ſann
er hin und her, dem Grunde dieſer zudringlichen Neu¬
gier auf die Spur zu kommen.
Er hatte ſich ſo eben wieder von ihm losgemacht,
als er, um den Ausgang einer Allee herumbeugend, meh¬
reren Masken begegnete, unter denen er unerwartet die
Griechin wieder erblickte. Die Masken ſprachen viel und
ſeltſam durcheinander, die eine Stimme ſchien ihm be¬
kannt, doch konnte er ſich nicht deutlich beſinnen. Bald dar¬
auf verlor ſich eine Geſtalt nach der andern, bis er ſich am
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/183>, abgerufen am 27.07.2024.
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