vorwärts; aber vergeblich; je emsiger er suchte, je un¬ bekannter und ganz anders kam ihm alles vor.
Lange war er so umhergeirrt. Die Vögel schwie¬ gen schon, der Kreis der Hügel wurde nach und nach immer stiller, die Strahlen der Mittagssonne schiller¬ ten segnend über der ganzen Gegend draußen, die wie unter einem Schleier von Schwüle zu schlummern und zu träumen schien. Da kam er unerwartet an ein Thor von Eisengittern, zwischen dessen zierlich vergol¬ deten Stäben hindurch man in einen weiten prächti¬ gen Lustgarten hineinsehen konnte. Ein Strom von Kühle und Duft wehte den Ermüdeten erquickend dar¬ aus an. Das Thor war nicht verschlossen, er öffnete es leise und trat hinein.
Hohe Buchenhallen empfingen ihn da mit ihren feierlichen Schatten, zwischen denen goldene Vögel wie abgewehte Blüthen hin und wieder flatterten, während große seltsame Blumen, wie sie Florio niemals gese¬ hen, traumhaft mit ihren gelben und rothen Glocken in dem leisen Winde hin und her schwankten. Unzäh¬ lige Springbrunnen plätscherten, mit vergoldeten Ku¬ geln spielend, einförmig in der großen Einsamkeit. Zwischen den Bäumen hindurch sah man in der Ferne einen prächtigen Palast mit hohen schlanken Säulen hereinschimmern. Kein Mensch war ringsum zu sehen, tiefe Stille herrschte überall. Nur hin und wieder er¬ wachte manchmal eine Nachtigall und sang wie im Schlummer fast schluchzend. Florio betrachtete ver¬ wundert Bäume, Brunnen und Blumen, denn es war
vorwaͤrts; aber vergeblich; je emſiger er ſuchte, je un¬ bekannter und ganz anders kam ihm alles vor.
Lange war er ſo umhergeirrt. Die Voͤgel ſchwie¬ gen ſchon, der Kreis der Huͤgel wurde nach und nach immer ſtiller, die Strahlen der Mittagsſonne ſchiller¬ ten ſegnend uͤber der ganzen Gegend draußen, die wie unter einem Schleier von Schwuͤle zu ſchlummern und zu traͤumen ſchien. Da kam er unerwartet an ein Thor von Eiſengittern, zwiſchen deſſen zierlich vergol¬ deten Staͤben hindurch man in einen weiten praͤchti¬ gen Luſtgarten hineinſehen konnte. Ein Strom von Kuͤhle und Duft wehte den Ermuͤdeten erquickend dar¬ aus an. Das Thor war nicht verſchloſſen, er oͤffnete es leiſe und trat hinein.
Hohe Buchenhallen empfingen ihn da mit ihren feierlichen Schatten, zwiſchen denen goldene Voͤgel wie abgewehte Bluͤthen hin und wieder flatterten, waͤhrend große ſeltſame Blumen, wie ſie Florio niemals geſe¬ hen, traumhaft mit ihren gelben und rothen Glocken in dem leiſen Winde hin und her ſchwankten. Unzaͤh¬ lige Springbrunnen plaͤtſcherten, mit vergoldeten Ku¬ geln ſpielend, einfoͤrmig in der großen Einſamkeit. Zwiſchen den Baͤumen hindurch ſah man in der Ferne einen praͤchtigen Palaſt mit hohen ſchlanken Saͤulen hereinſchimmern. Kein Menſch war ringsum zu ſehen, tiefe Stille herrſchte uͤberall. Nur hin und wieder er¬ wachte manchmal eine Nachtigall und ſang wie im Schlummer faſt ſchluchzend. Florio betrachtete ver¬ wundert Baͤume, Brunnen und Blumen, denn es war
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vorwaͤrts; aber vergeblich; je emſiger er ſuchte, je un¬
bekannter und ganz anders kam ihm alles vor.
Lange war er ſo umhergeirrt. Die Voͤgel ſchwie¬
gen ſchon, der Kreis der Huͤgel wurde nach und nach
immer ſtiller, die Strahlen der Mittagsſonne ſchiller¬
ten ſegnend uͤber der ganzen Gegend draußen, die wie
unter einem Schleier von Schwuͤle zu ſchlummern und
zu traͤumen ſchien. Da kam er unerwartet an ein
Thor von Eiſengittern, zwiſchen deſſen zierlich vergol¬
deten Staͤben hindurch man in einen weiten praͤchti¬
gen Luſtgarten hineinſehen konnte. Ein Strom von
Kuͤhle und Duft wehte den Ermuͤdeten erquickend dar¬
aus an. Das Thor war nicht verſchloſſen, er oͤffnete
es leiſe und trat hinein.
Hohe Buchenhallen empfingen ihn da mit ihren
feierlichen Schatten, zwiſchen denen goldene Voͤgel wie
abgewehte Bluͤthen hin und wieder flatterten, waͤhrend
große ſeltſame Blumen, wie ſie Florio niemals geſe¬
hen, traumhaft mit ihren gelben und rothen Glocken
in dem leiſen Winde hin und her ſchwankten. Unzaͤh¬
lige Springbrunnen plaͤtſcherten, mit vergoldeten Ku¬
geln ſpielend, einfoͤrmig in der großen Einſamkeit.
Zwiſchen den Baͤumen hindurch ſah man in der Ferne
einen praͤchtigen Palaſt mit hohen ſchlanken Saͤulen
hereinſchimmern. Kein Menſch war ringsum zu ſehen,
tiefe Stille herrſchte uͤberall. Nur hin und wieder er¬
wachte manchmal eine Nachtigall und ſang wie im
Schlummer faſt ſchluchzend. Florio betrachtete ver¬
wundert Baͤume, Brunnen und Blumen, denn es war
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/170>, abgerufen am 27.07.2024.
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