In diesem Schlosse ging es mir wunderlich. Zu¬ erst wie ich mich in der weiten kühlen Vorhalle um¬ schaue, klopft mir Jemand mit dem Stocke auf die Schulter. Ich kehre mich schnell herum, da steht ein großer Herr in Staatskleidern, ein breites Bandelier von Gold und Seide bis an die Hüften übergehängt, mit einem oben versilberten Stabe in der Hand, und einer außerordentlich langen gebognen kurfürstlichen Nase im Gesicht, breit und prächtig wie ein aufgebla¬ sener Puter, der mich frägt, was ich hier will. Ich war ganz verblüfft und konnte vor Schreck und Er¬ staunen nichts hervor bringen. Darauf kamen mehrere Bedienten die Treppe herauf und herunter gerennt, die sagten gar nichts, sondern sahen mich nur von oben bis unten an. Sodann kam eine Kammerjung¬ fer (wie ich nachher hörte) grade auf mich los und sagte: ich wäre ein scharmanter Junge, und die gnä¬ dige Herrschaft ließe mich fragen, ob ich hier als Gärt¬ nerbursche dienen wollte? -- Ich griff nach der Weste; meine paar Groschen, weiß Gott, sie müssen beim her¬ um tanzen auf dem Wagen aus der Tasche gesprun¬ gen seyn, waren weg, ich hatte nichts als mein Gei¬ genspiel, für das mir überdies auch der Herr mit dem Stabe, wie er mir im Vorbeigehn sagte, nicht einen Heller geben wollte. Ich sagte daher in meiner Her¬ zensangst zu der Kammerjungfer: Ja, noch immer die Augen von der Seite auf die unheimliche Gestalt ge¬ richtet, die immerfort wie der Perpendickel einer Thurmuhr in der Halle auf und ab wandelte, und
In dieſem Schloſſe ging es mir wunderlich. Zu¬ erſt wie ich mich in der weiten kuͤhlen Vorhalle um¬ ſchaue, klopft mir Jemand mit dem Stocke auf die Schulter. Ich kehre mich ſchnell herum, da ſteht ein großer Herr in Staatskleidern, ein breites Bandelier von Gold und Seide bis an die Huͤften uͤbergehaͤngt, mit einem oben verſilberten Stabe in der Hand, und einer außerordentlich langen gebognen kurfuͤrſtlichen Naſe im Geſicht, breit und praͤchtig wie ein aufgebla¬ ſener Puter, der mich fraͤgt, was ich hier will. Ich war ganz verbluͤfft und konnte vor Schreck und Er¬ ſtaunen nichts hervor bringen. Darauf kamen mehrere Bedienten die Treppe herauf und herunter gerennt, die ſagten gar nichts, ſondern ſahen mich nur von oben bis unten an. Sodann kam eine Kammerjung¬ fer (wie ich nachher hoͤrte) grade auf mich los und ſagte: ich waͤre ein ſcharmanter Junge, und die gnaͤ¬ dige Herrſchaft ließe mich fragen, ob ich hier als Gaͤrt¬ nerburſche dienen wollte? — Ich griff nach der Weſte; meine paar Groſchen, weiß Gott, ſie muͤſſen beim her¬ um tanzen auf dem Wagen aus der Taſche geſprun¬ gen ſeyn, waren weg, ich hatte nichts als mein Gei¬ genſpiel, fuͤr das mir uͤberdies auch der Herr mit dem Stabe, wie er mir im Vorbeigehn ſagte, nicht einen Heller geben wollte. Ich ſagte daher in meiner Her¬ zensangſt zu der Kammerjungfer: Ja, noch immer die Augen von der Seite auf die unheimliche Geſtalt ge¬ richtet, die immerfort wie der Perpendickel einer Thurmuhr in der Halle auf und ab wandelte, und
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In dieſem Schloſſe ging es mir wunderlich. Zu¬
erſt wie ich mich in der weiten kuͤhlen Vorhalle um¬
ſchaue, klopft mir Jemand mit dem Stocke auf die
Schulter. Ich kehre mich ſchnell herum, da ſteht ein
großer Herr in Staatskleidern, ein breites Bandelier
von Gold und Seide bis an die Huͤften uͤbergehaͤngt,
mit einem oben verſilberten Stabe in der Hand, und
einer außerordentlich langen gebognen kurfuͤrſtlichen
Naſe im Geſicht, breit und praͤchtig wie ein aufgebla¬
ſener Puter, der mich fraͤgt, was ich hier will. Ich
war ganz verbluͤfft und konnte vor Schreck und Er¬
ſtaunen nichts hervor bringen. Darauf kamen mehrere
Bedienten die Treppe herauf und herunter gerennt,
die ſagten gar nichts, ſondern ſahen mich nur von
oben bis unten an. Sodann kam eine Kammerjung¬
fer (wie ich nachher hoͤrte) grade auf mich los und
ſagte: ich waͤre ein ſcharmanter Junge, und die gnaͤ¬
dige Herrſchaft ließe mich fragen, ob ich hier als Gaͤrt¬
nerburſche dienen wollte? — Ich griff nach der Weſte;
meine paar Groſchen, weiß Gott, ſie muͤſſen beim her¬
um tanzen auf dem Wagen aus der Taſche geſprun¬
gen ſeyn, waren weg, ich hatte nichts als mein Gei¬
genſpiel, fuͤr das mir uͤberdies auch der Herr mit dem
Stabe, wie er mir im Vorbeigehn ſagte, nicht einen
Heller geben wollte. Ich ſagte daher in meiner Her¬
zensangſt zu der Kammerjungfer: Ja, noch immer die
Augen von der Seite auf die unheimliche Geſtalt ge¬
richtet, die immerfort wie der Perpendickel einer
Thurmuhr in der Halle auf und ab wandelte, und
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/17>, abgerufen am 22.11.2024.
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