Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Sternenhimmel den heiligen Kelch öffnet wie eine Man hatte unterdeß Fortunato'n, der spazieren Florio sah ihm lange nach, bis die Glanzes-Wo¬ Sternenhimmel den heiligen Kelch oͤffnet wie eine Man hatte unterdeß Fortunato'n, der ſpazieren Florio ſah ihm lange nach, bis die Glanzes-Wo¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0168" n="158"/> Sternenhimmel den heiligen Kelch oͤffnet wie eine<lb/> Blume, in der ein Engel wohnt.“ Fortunato ſah den<lb/> Juͤngling verwundert an, dann rief er aus: „Nun<lb/> wahrhaftig, Ihr ſeid recht ordentlich verliebt!“</p><lb/> <p>Man hatte unterdeß Fortunato'n, der ſpazieren<lb/> reiten wollte, ſein Pferd vorgefuͤhrt. Freundlich ſtrei¬<lb/> chelte er den gebogenen Hals des zierlich aufgeputzten<lb/> Roͤßleins, das mit froͤhlicher Ungeduld den Raſen<lb/> ſtampfte. Dann wandte er ſich noch einmal zu Florio<lb/> und reichte ihm gutmuͤthig laͤchelnd die Hand. „Ihr<lb/> thut mir doch leid,“ ſagte er, „es giebt gar zu viele<lb/> ſanfte, gute, beſonders verliebte junge Leute, die ordent¬<lb/> lich verſeſſen ſind auf Ungluͤcklichſeyn. Laßt das, die<lb/> Melancholie, den Mondſchein und alle den Plunder;<lb/> und geht's auch manchmal wirklich ſchlimm, nur friſch<lb/> heraus in Gottes freien Morgen und da draußen ſich<lb/> recht abgeſchuͤttelt; im Gebet aus Herzensgrund —<lb/> und es muͤßte wahrlich mit dem Boͤſen zugehen, wenn<lb/> Ihr nicht ſo recht durch und durch froͤhlich und ſtark<lb/> werdet!“ — Und hiermit ſchwang er ſich ſchnell auf<lb/> ſein Pferd und ritt zwiſchen den Weinbergen und bluͤ¬<lb/> henden Gaͤrten in das farbige, ſchallende Land hinein,<lb/> ſelber ſo bunt und freudig anzuſchauen, wie der Mor¬<lb/> gen vor ihm.</p><lb/> <p>Florio ſah ihm lange nach, bis die Glanzes-Wo¬<lb/> gen uͤber dem fernen Reiter zuſammenſchlugen. Dann<lb/> ging er haſtig unter den Baͤumen auf und nieder. Ein<lb/> tiefes unbeſtimmtes Verlangen war von den Erſchei¬<lb/> nungen der Nacht in ſeiner Seele zuruͤckgeblieben.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [158/0168]
Sternenhimmel den heiligen Kelch oͤffnet wie eine
Blume, in der ein Engel wohnt.“ Fortunato ſah den
Juͤngling verwundert an, dann rief er aus: „Nun
wahrhaftig, Ihr ſeid recht ordentlich verliebt!“
Man hatte unterdeß Fortunato'n, der ſpazieren
reiten wollte, ſein Pferd vorgefuͤhrt. Freundlich ſtrei¬
chelte er den gebogenen Hals des zierlich aufgeputzten
Roͤßleins, das mit froͤhlicher Ungeduld den Raſen
ſtampfte. Dann wandte er ſich noch einmal zu Florio
und reichte ihm gutmuͤthig laͤchelnd die Hand. „Ihr
thut mir doch leid,“ ſagte er, „es giebt gar zu viele
ſanfte, gute, beſonders verliebte junge Leute, die ordent¬
lich verſeſſen ſind auf Ungluͤcklichſeyn. Laßt das, die
Melancholie, den Mondſchein und alle den Plunder;
und geht's auch manchmal wirklich ſchlimm, nur friſch
heraus in Gottes freien Morgen und da draußen ſich
recht abgeſchuͤttelt; im Gebet aus Herzensgrund —
und es muͤßte wahrlich mit dem Boͤſen zugehen, wenn
Ihr nicht ſo recht durch und durch froͤhlich und ſtark
werdet!“ — Und hiermit ſchwang er ſich ſchnell auf
ſein Pferd und ritt zwiſchen den Weinbergen und bluͤ¬
henden Gaͤrten in das farbige, ſchallende Land hinein,
ſelber ſo bunt und freudig anzuſchauen, wie der Mor¬
gen vor ihm.
Florio ſah ihm lange nach, bis die Glanzes-Wo¬
gen uͤber dem fernen Reiter zuſammenſchlugen. Dann
ging er haſtig unter den Baͤumen auf und nieder. Ein
tiefes unbeſtimmtes Verlangen war von den Erſchei¬
nungen der Nacht in ſeiner Seele zuruͤckgeblieben.
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