sehen konnte, daß sie bis an die Stirn roth wurde. -- "Nun denn," sagte Herr Leonhard, "Fräulein Flora die hier so eben thun will, als hörte und wüßte sie von der ganzen Geschichte nichts, hatte in aller Ge¬ schwindigkeit ihr Herzchen mit Jemandem vertauscht. Darüber kommt ein Andrer und bringt ihr mit Pro¬ logen, Trompeten und Pauken wiederum sein Herz dar und will ihr Herz dagegen. Ihr Herz ist aber schon bei Jemand, und Jemands Herz bei ihr, und der Jemand will sein Herz nicht wieder haben, und ihr Herz nicht wieder zurück geben. Alle Welt schreit -- aber Du hast wohl noch keinen Roman gelesen?" -- Ich verneinte es. -- "Nun, so hast Du doch einen mitgespielt. Kurz: das war eine solche Konfusion mit den Herzen, daß der Jemand -- das heißt ich -- mich zuletzt selbst ins Mittel legen mußte. Ich schwang mich bei lauer Sommernacht auf mein Roß, hob das Fräulein als Maler Guido auf das andere und so ging es fort nach Süden, um sie in einem meiner einsamen Schlösser in Italien zu verbergen, bis das Geschrei wegen der Herzen vorüber wäre. Unterweges aber kam man uns auf die Spur, und von dem Balkon des welschen Wirthshauses, vor dem Du so vortrefflich Wache schliefst, erblickte Flora plötzlich unsere Verfol¬ ger." -- "Also der bucklichte Signor?" -- "War ein Spion. Wir zogen uns daher heimlich in die Wälder, und ließen Dich auf dem vorbestellten Postkurse allein fortfahren. Das täuschte unsere Verfolger, und zum Ueberfluß auch noch meine Leute auf dem Bergschlosse,
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ſehen konnte, daß ſie bis an die Stirn roth wurde. — „Nun denn,“ ſagte Herr Leonhard, „Fraͤulein Flora die hier ſo eben thun will, als hoͤrte und wuͤßte ſie von der ganzen Geſchichte nichts, hatte in aller Ge¬ ſchwindigkeit ihr Herzchen mit Jemandem vertauſcht. Daruͤber kommt ein Andrer und bringt ihr mit Pro¬ logen, Trompeten und Pauken wiederum ſein Herz dar und will ihr Herz dagegen. Ihr Herz iſt aber ſchon bei Jemand, und Jemands Herz bei ihr, und der Jemand will ſein Herz nicht wieder haben, und ihr Herz nicht wieder zuruͤck geben. Alle Welt ſchreit — aber Du haſt wohl noch keinen Roman geleſen?“ — Ich verneinte es. — „Nun, ſo haſt Du doch einen mitgeſpielt. Kurz: das war eine ſolche Konfuſion mit den Herzen, daß der Jemand — das heißt ich — mich zuletzt ſelbſt ins Mittel legen mußte. Ich ſchwang mich bei lauer Sommernacht auf mein Roß, hob das Fraͤulein als Maler Guido auf das andere und ſo ging es fort nach Suͤden, um ſie in einem meiner einſamen Schloͤſſer in Italien zu verbergen, bis das Geſchrei wegen der Herzen voruͤber waͤre. Unterweges aber kam man uns auf die Spur, und von dem Balkon des welſchen Wirthshauſes, vor dem Du ſo vortrefflich Wache ſchliefſt, erblickte Flora ploͤtzlich unſere Verfol¬ ger.“ — „Alſo der bucklichte Signor?“ — „War ein Spion. Wir zogen uns daher heimlich in die Waͤlder, und ließen Dich auf dem vorbeſtellten Poſtkurſe allein fortfahren. Das taͤuſchte unſere Verfolger, und zum Ueberfluß auch noch meine Leute auf dem Bergſchloſſe,
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ſehen konnte, daß ſie bis an die Stirn roth wurde. —
„Nun denn,“ ſagte Herr Leonhard, „Fraͤulein Flora
die hier ſo eben thun will, als hoͤrte und wuͤßte ſie
von der ganzen Geſchichte nichts, hatte in aller Ge¬
ſchwindigkeit ihr Herzchen mit Jemandem vertauſcht.
Daruͤber kommt ein Andrer und bringt ihr mit Pro¬
logen, Trompeten und Pauken wiederum ſein Herz
dar und will ihr Herz dagegen. Ihr Herz iſt aber
ſchon bei Jemand, und Jemands Herz bei ihr, und
der Jemand will ſein Herz nicht wieder haben, und
ihr Herz nicht wieder zuruͤck geben. Alle Welt ſchreit
— aber Du haſt wohl noch keinen Roman geleſen?“ —
Ich verneinte es. — „Nun, ſo haſt Du doch einen
mitgeſpielt. Kurz: das war eine ſolche Konfuſion
mit den Herzen, daß der Jemand — das heißt ich —
mich zuletzt ſelbſt ins Mittel legen mußte. Ich ſchwang
mich bei lauer Sommernacht auf mein Roß, hob das
Fraͤulein als Maler Guido auf das andere und ſo ging
es fort nach Suͤden, um ſie in einem meiner einſamen
Schloͤſſer in Italien zu verbergen, bis das Geſchrei
wegen der Herzen voruͤber waͤre. Unterweges aber
kam man uns auf die Spur, und von dem Balkon des
welſchen Wirthshauſes, vor dem Du ſo vortrefflich
Wache ſchliefſt, erblickte Flora ploͤtzlich unſere Verfol¬
ger.“ — „Alſo der bucklichte Signor?“ — „War ein
Spion. Wir zogen uns daher heimlich in die Waͤlder,
und ließen Dich auf dem vorbeſtellten Poſtkurſe allein
fortfahren. Das taͤuſchte unſere Verfolger, und zum
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/141>, abgerufen am 28.07.2024.
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