mieth' mich!" nun in der schönen Frühlingszeit wie¬ der ganz stolz und lustig vom Baume rufen hörte: "Bauer, behalt Deinen Dienst!" -- Ich ging also in das Haus hinein und holte meine Geige, die ich recht artig spielte, von der Wand, mein Vater gab mir noch einige Groschen Geld mit auf den Weg, und so schlenderte ich durch das lange Dorf hinaus. Ich hatte recht meine heimliche Freud', als ich da alle meine alten Bekannten und Kammeraden rechts und links, wie gestern und vorgestern und immerdar, zur Arbeit hinausziehen, graben und pflügen sah, während ich so in die freie Welt hinausstrich. Ich rief den ar¬ men Leuten nach allen Seiten recht stolz und zufrieden Adjes zu, aber es kümmerte sich eben keiner sehr dar¬ um. Mir war es wie ein ewiger Sonntag im Gemü¬ the. Und als ich endlich ins freie Feld hinaus kam, da nahm ich meine liebe Geige vor, und spielte und sang, auf der Landstraße fortgehend:
Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt, Dem will er seine Wunder weisen In Feld und Wald und Strom und Feld.
Die Trägen, die zu Hause liegen, Erquicket nicht das Morgenroth, Sie wissen nur vom Kinderwiegen Von Sorgen, Last und Noth um Brodt.
Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt' ich nicht mit ihnen singen Aus voller Kehl' und frischer Brust?
mieth' mich!“ nun in der ſchoͤnen Fruͤhlingszeit wie¬ der ganz ſtolz und luſtig vom Baume rufen hoͤrte: „Bauer, behalt Deinen Dienſt!“ — Ich ging alſo in das Haus hinein und holte meine Geige, die ich recht artig ſpielte, von der Wand, mein Vater gab mir noch einige Groſchen Geld mit auf den Weg, und ſo ſchlenderte ich durch das lange Dorf hinaus. Ich hatte recht meine heimliche Freud', als ich da alle meine alten Bekannten und Kammeraden rechts und links, wie geſtern und vorgeſtern und immerdar, zur Arbeit hinausziehen, graben und pfluͤgen ſah, waͤhrend ich ſo in die freie Welt hinausſtrich. Ich rief den ar¬ men Leuten nach allen Seiten recht ſtolz und zufrieden Adjes zu, aber es kuͤmmerte ſich eben keiner ſehr dar¬ um. Mir war es wie ein ewiger Sonntag im Gemuͤ¬ the. Und als ich endlich ins freie Feld hinaus kam, da nahm ich meine liebe Geige vor, und ſpielte und ſang, auf der Landſtraße fortgehend:
Wem Gott will rechte Gunſt erweiſen, Den ſchickt er in die weite Welt, Dem will er ſeine Wunder weiſen In Feld und Wald und Strom und Feld.
Die Traͤgen, die zu Hauſe liegen, Erquicket nicht das Morgenroth, Sie wiſſen nur vom Kinderwiegen Von Sorgen, Laſt und Noth um Brodt.
Die Baͤchlein von den Bergen ſpringen, Die Lerchen ſchwirren hoch vor Luſt, Was ſollt' ich nicht mit ihnen ſingen Aus voller Kehl' und friſcher Bruſt?
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mieth' mich!“ nun in der ſchoͤnen Fruͤhlingszeit wie¬
der ganz ſtolz und luſtig vom Baume rufen hoͤrte:
„Bauer, behalt Deinen Dienſt!“ — Ich ging alſo
in das Haus hinein und holte meine Geige, die ich
recht artig ſpielte, von der Wand, mein Vater gab
mir noch einige Groſchen Geld mit auf den Weg, und
ſo ſchlenderte ich durch das lange Dorf hinaus. Ich
hatte recht meine heimliche Freud', als ich da alle
meine alten Bekannten und Kammeraden rechts und
links, wie geſtern und vorgeſtern und immerdar, zur
Arbeit hinausziehen, graben und pfluͤgen ſah, waͤhrend
ich ſo in die freie Welt hinausſtrich. Ich rief den ar¬
men Leuten nach allen Seiten recht ſtolz und zufrieden
Adjes zu, aber es kuͤmmerte ſich eben keiner ſehr dar¬
um. Mir war es wie ein ewiger Sonntag im Gemuͤ¬
the. Und als ich endlich ins freie Feld hinaus kam,
da nahm ich meine liebe Geige vor, und ſpielte und
ſang, auf der Landſtraße fortgehend:
Wem Gott will rechte Gunſt erweiſen,
Den ſchickt er in die weite Welt,
Dem will er ſeine Wunder weiſen
In Feld und Wald und Strom und Feld.
Die Traͤgen, die zu Hauſe liegen,
Erquicket nicht das Morgenroth,
Sie wiſſen nur vom Kinderwiegen
Von Sorgen, Laſt und Noth um Brodt.
Die Baͤchlein von den Bergen ſpringen,
Die Lerchen ſchwirren hoch vor Luſt,
Was ſollt' ich nicht mit ihnen ſingen
Aus voller Kehl' und friſcher Bruſt?
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/14>, abgerufen am 28.07.2024.
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