schlagt den seeligen Mantel um Euch, daß die ganze andere Welt rings um Euch untergeht -- liebt Euch wie die Kaninchen und seyd glücklich!"
Der Herr Leonhard war mit seinem Sermon kaum erst fertig, so kam auch die andere junge Dame, die vorhin das Liedchen gesungen hatte, auf mich los, setzte mir schnell einen frischen Mirthenkranz auf den Kopf, und sang dazu sehr neckisch, während sie mir den Kranz in den Haaren festrückte und ihr Gesichtchen dabei dicht vor mir war:
Darum bin ich Dir gewogen, Darum wird Dein Haupt geschmückt, Weil der Strich von Deinem Bogen Oefters hat mein Herz entzückt.
Dann trat sie wieder ein paar Schritte zurück. -- "Kennst Du die Räuber noch, die Dich damals in der Nacht vom Baume schüttelten?" sagte sie, indem sie einen Knix mir machte und mich so anmuthig und fröhlich ansah, daß mir ordentlich das Herz im Leibe lachte. Darauf ging sie, ohne meine Antwort abzuwar¬ ten, rings um mich herum. "Wahrhaftig noch ganz der Alte, ohne allen welschen Beischmack! aber nein, sieh doch nur einmal die dicken Taschen an!" rief sie plötz¬ lich zu der schönen gnädigen Frau, "Violine, Wäsche, Barbiermesser, Reisekoffer, alles durcheinander!" Sie drehte mich dabei nach allen Seiten, und konnte sich vor Lachen gar nicht zu Gute geben. Die schöne gnä¬ dige Frau war unterdeß noch immer still, und mochte gar nicht die Augen aufschlagen vor Schaam und Ver¬
I
ſchlagt den ſeeligen Mantel um Euch, daß die ganze andere Welt rings um Euch untergeht — liebt Euch wie die Kaninchen und ſeyd gluͤcklich!“
Der Herr Leonhard war mit ſeinem Sermon kaum erſt fertig, ſo kam auch die andere junge Dame, die vorhin das Liedchen geſungen hatte, auf mich los, ſetzte mir ſchnell einen friſchen Mirthenkranz auf den Kopf, und ſang dazu ſehr neckiſch, waͤhrend ſie mir den Kranz in den Haaren feſtruͤckte und ihr Geſichtchen dabei dicht vor mir war:
Darum bin ich Dir gewogen, Darum wird Dein Haupt geſchmückt, Weil der Strich von Deinem Bogen Oefters hat mein Herz entzückt.
Dann trat ſie wieder ein paar Schritte zuruͤck. — „Kennſt Du die Raͤuber noch, die Dich damals in der Nacht vom Baume ſchuͤttelten?“ ſagte ſie, indem ſie einen Knix mir machte und mich ſo anmuthig und froͤhlich anſah, daß mir ordentlich das Herz im Leibe lachte. Darauf ging ſie, ohne meine Antwort abzuwar¬ ten, rings um mich herum. „Wahrhaftig noch ganz der Alte, ohne allen welſchen Beiſchmack! aber nein, ſieh doch nur einmal die dicken Taſchen an!“ rief ſie ploͤtz¬ lich zu der ſchoͤnen gnaͤdigen Frau, „Violine, Waͤſche, Barbiermeſſer, Reiſekoffer, alles durcheinander!“ Sie drehte mich dabei nach allen Seiten, und konnte ſich vor Lachen gar nicht zu Gute geben. Die ſchoͤne gnaͤ¬ dige Frau war unterdeß noch immer ſtill, und mochte gar nicht die Augen aufſchlagen vor Schaam und Ver¬
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ſchlagt den ſeeligen Mantel um Euch, daß die ganze
andere Welt rings um Euch untergeht — liebt Euch
wie die Kaninchen und ſeyd gluͤcklich!“
Der Herr Leonhard war mit ſeinem Sermon kaum
erſt fertig, ſo kam auch die andere junge Dame, die
vorhin das Liedchen geſungen hatte, auf mich los, ſetzte
mir ſchnell einen friſchen Mirthenkranz auf den Kopf,
und ſang dazu ſehr neckiſch, waͤhrend ſie mir den Kranz
in den Haaren feſtruͤckte und ihr Geſichtchen dabei
dicht vor mir war:
Darum bin ich Dir gewogen,
Darum wird Dein Haupt geſchmückt,
Weil der Strich von Deinem Bogen
Oefters hat mein Herz entzückt.
Dann trat ſie wieder ein paar Schritte zuruͤck. —
„Kennſt Du die Raͤuber noch, die Dich damals in der
Nacht vom Baume ſchuͤttelten?“ ſagte ſie, indem ſie
einen Knix mir machte und mich ſo anmuthig und
froͤhlich anſah, daß mir ordentlich das Herz im Leibe
lachte. Darauf ging ſie, ohne meine Antwort abzuwar¬
ten, rings um mich herum. „Wahrhaftig noch ganz der
Alte, ohne allen welſchen Beiſchmack! aber nein, ſieh
doch nur einmal die dicken Taſchen an!“ rief ſie ploͤtz¬
lich zu der ſchoͤnen gnaͤdigen Frau, „Violine, Waͤſche,
Barbiermeſſer, Reiſekoffer, alles durcheinander!“ Sie
drehte mich dabei nach allen Seiten, und konnte ſich
vor Lachen gar nicht zu Gute geben. Die ſchoͤne gnaͤ¬
dige Frau war unterdeß noch immer ſtill, und mochte
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/139>, abgerufen am 17.02.2025.
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