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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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Bache waschen, und einer den andern rasiren wollten.
Die neue Kammerjungfer endlich ging mit ihrem Ka¬
narienvogel und ihrem Bündel unterm Arm nach dem
Wirthshause unter dem Schloßberge, um bei der Frau
Wirthin, die ich ihr als eine gute Person rekommandirt
hatte, ein besseres Kleid anzulegen, ehe sie sich oben im
Schlosse vorstellte. Mir aber leuchtete der schöne Abend
recht durchs Herz, und als sie sich nun alle verlaufen
hatten, bedachte ich mich nicht lange und rannte so¬
gleich nach dem herrschaftlichen Garten hin.

Mein Zollhaus, an dem ich vorbei mußte, stand
noch auf der alten Stelle, die hohen Bäume aus dem
herrschaftlichen Garten rauschten noch immer darüber
hin, ein Goldammer, der damals auf dem Kastanien¬
baume vor dem Fenster jedesmal bei Sonnenuntergang
sein Abendlied gesungen hatte, sang auch wieder, als
wäre seitdem gar nichts in der Welt vorgegangen. Das
Fenster im Zollhause stand offen, ich lief voller Freuden
hin und steckte den Kopf in die Stube hinein. Es war
Niemand darin, aber die Wanduhr pickte noch immer
ruhig fort, der Schreibtisch stand am Fenster, und die
lange Pfeife in einem Winkel, wie damals. Ich konnte
nicht widerstehen, ich sprang durch das Fenster hinein,
und setzte mich an den Schreibtisch vor das große Re¬
chenbuch hin. Da fiel der Sonnenschein durch den
Kastanienbaum vor dem Fenster wieder grüngolden auf
die Ziffern in dem aufgeschlagenen Buche, die Bienen
summten wieder an dem offnen Fenster hin und her, der
Goldammer draußen auf dem Baume sang fröhlich

Bache waſchen, und einer den andern raſiren wollten.
Die neue Kammerjungfer endlich ging mit ihrem Ka¬
narienvogel und ihrem Buͤndel unterm Arm nach dem
Wirthshauſe unter dem Schloßberge, um bei der Frau
Wirthin, die ich ihr als eine gute Perſon rekommandirt
hatte, ein beſſeres Kleid anzulegen, ehe ſie ſich oben im
Schloſſe vorſtellte. Mir aber leuchtete der ſchoͤne Abend
recht durchs Herz, und als ſie ſich nun alle verlaufen
hatten, bedachte ich mich nicht lange und rannte ſo¬
gleich nach dem herrſchaftlichen Garten hin.

Mein Zollhaus, an dem ich vorbei mußte, ſtand
noch auf der alten Stelle, die hohen Baͤume aus dem
herrſchaftlichen Garten rauſchten noch immer daruͤber
hin, ein Goldammer, der damals auf dem Kaſtanien¬
baume vor dem Fenſter jedesmal bei Sonnenuntergang
ſein Abendlied geſungen hatte, ſang auch wieder, als
waͤre ſeitdem gar nichts in der Welt vorgegangen. Das
Fenſter im Zollhauſe ſtand offen, ich lief voller Freuden
hin und ſteckte den Kopf in die Stube hinein. Es war
Niemand darin, aber die Wanduhr pickte noch immer
ruhig fort, der Schreibtiſch ſtand am Fenſter, und die
lange Pfeife in einem Winkel, wie damals. Ich konnte
nicht widerſtehen, ich ſprang durch das Fenſter hinein,
und ſetzte mich an den Schreibtiſch vor das große Re¬
chenbuch hin. Da fiel der Sonnenſchein durch den
Kaſtanienbaum vor dem Fenſter wieder gruͤngolden auf
die Ziffern in dem aufgeſchlagenen Buche, die Bienen
ſummten wieder an dem offnen Fenſter hin und her, der
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[124/0134] Bache waſchen, und einer den andern raſiren wollten. Die neue Kammerjungfer endlich ging mit ihrem Ka¬ narienvogel und ihrem Buͤndel unterm Arm nach dem Wirthshauſe unter dem Schloßberge, um bei der Frau Wirthin, die ich ihr als eine gute Perſon rekommandirt hatte, ein beſſeres Kleid anzulegen, ehe ſie ſich oben im Schloſſe vorſtellte. Mir aber leuchtete der ſchoͤne Abend recht durchs Herz, und als ſie ſich nun alle verlaufen hatten, bedachte ich mich nicht lange und rannte ſo¬ gleich nach dem herrſchaftlichen Garten hin. Mein Zollhaus, an dem ich vorbei mußte, ſtand noch auf der alten Stelle, die hohen Baͤume aus dem herrſchaftlichen Garten rauſchten noch immer daruͤber hin, ein Goldammer, der damals auf dem Kaſtanien¬ baume vor dem Fenſter jedesmal bei Sonnenuntergang ſein Abendlied geſungen hatte, ſang auch wieder, als waͤre ſeitdem gar nichts in der Welt vorgegangen. Das Fenſter im Zollhauſe ſtand offen, ich lief voller Freuden hin und ſteckte den Kopf in die Stube hinein. Es war Niemand darin, aber die Wanduhr pickte noch immer ruhig fort, der Schreibtiſch ſtand am Fenſter, und die lange Pfeife in einem Winkel, wie damals. Ich konnte nicht widerſtehen, ich ſprang durch das Fenſter hinein, und ſetzte mich an den Schreibtiſch vor das große Re¬ chenbuch hin. Da fiel der Sonnenſchein durch den Kaſtanienbaum vor dem Fenſter wieder gruͤngolden auf die Ziffern in dem aufgeſchlagenen Buche, die Bienen ſummten wieder an dem offnen Fenſter hin und her, der Goldammer draußen auf dem Baume ſang froͤhlich

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/134>, abgerufen am 23.11.2024.