was profitiren kann. Aber es konnte gar nicht zu ei¬ nem recht vernünftigen Diskurse kommen. Denn dem einen Studenten war vorhin angst geworden, weil die Vakanz so bald zu Ende gehen sollte. Er hatte daher hurtig sein Klarinett zusammen gesetzt, ein Notenblatt vor sich auf das aufgestemmte Knie hingelegt, und exer¬ zirte sich eine schwierige Passage aus einer Messe ein, die er mitblasen sollte, wenn sie nach Prag zurückkamen. Da saß er nun und fingerte und pfiff dazwischen manch¬ mal so falsch, daß es einem durch Mark und Bein ging und man oft sein eigenes Wort nicht verstehen konnte.
Auf einmal schrie der Waldhornist mit seiner Ba߬ stimme. "Topp, da hab' ich es," er schlug dabei fröh¬ lich auf die Landkarte neben ihm. Der Andere ließ auf einen Augenblick von seinem fleißigen Blasen ab, und sah ihn verwundert an. "Hört," sagte der Wald¬ hornist, "nicht weit von Wien ist ein Schloß, auf dem Schloße ist Portier, und der Portier ist mein Vet¬ ter! Theuerste Kondiszipels, da müssen wir hin, ma¬ chen dem Herrn Vetter unser Kompliment, und er wird dann schon dafür sorgen, wie er uns wieder wei¬ ter fortbringt!" -- Als ich das hörte, fuhr ich ge¬ schwind auf. "Bläst er nicht auf dem Fagott?" rief ich, "und ist von langer grader Leibesbeschaffenheit, und hat eine große vornehme Nase?" -- Der Wald¬ hornist nickte mit dem Kopfe. Ich aber embrassirte ihn vor Freuden, daß ihm der Dreistutzer vom Kopfe fiel, und wir beschlossen nun sogleich, alle miteinander im
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was profitiren kann. Aber es konnte gar nicht zu ei¬ nem recht vernuͤnftigen Diskurſe kommen. Denn dem einen Studenten war vorhin angſt geworden, weil die Vakanz ſo bald zu Ende gehen ſollte. Er hatte daher hurtig ſein Klarinett zuſammen geſetzt, ein Notenblatt vor ſich auf das aufgeſtemmte Knie hingelegt, und exer¬ zirte ſich eine ſchwierige Paſſage aus einer Meſſe ein, die er mitblaſen ſollte, wenn ſie nach Prag zuruͤckkamen. Da ſaß er nun und fingerte und pfiff dazwiſchen manch¬ mal ſo falſch, daß es einem durch Mark und Bein ging und man oft ſein eigenes Wort nicht verſtehen konnte.
Auf einmal ſchrie der Waldhorniſt mit ſeiner Ba߬ ſtimme. „Topp, da hab' ich es,“ er ſchlug dabei froͤh¬ lich auf die Landkarte neben ihm. Der Andere ließ auf einen Augenblick von ſeinem fleißigen Blaſen ab, und ſah ihn verwundert an. „Hoͤrt,“ ſagte der Wald¬ horniſt, „nicht weit von Wien iſt ein Schloß, auf dem Schloße iſt Portier, und der Portier iſt mein Vet¬ ter! Theuerſte Kondiszipels, da muͤſſen wir hin, ma¬ chen dem Herrn Vetter unſer Kompliment, und er wird dann ſchon dafuͤr ſorgen, wie er uns wieder wei¬ ter fortbringt!“ — Als ich das hoͤrte, fuhr ich ge¬ ſchwind auf. „Blaͤſt er nicht auf dem Fagott?“ rief ich, „und iſt von langer grader Leibesbeſchaffenheit, und hat eine große vornehme Naſe?“ — Der Wald¬ horniſt nickte mit dem Kopfe. Ich aber embraſſirte ihn vor Freuden, daß ihm der Dreiſtutzer vom Kopfe fiel, und wir beſchloſſen nun ſogleich, alle miteinander im
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was profitiren kann. Aber es konnte gar nicht zu ei¬
nem recht vernuͤnftigen Diskurſe kommen. Denn dem
einen Studenten war vorhin angſt geworden, weil die
Vakanz ſo bald zu Ende gehen ſollte. Er hatte daher
hurtig ſein Klarinett zuſammen geſetzt, ein Notenblatt
vor ſich auf das aufgeſtemmte Knie hingelegt, und exer¬
zirte ſich eine ſchwierige Paſſage aus einer Meſſe ein,
die er mitblaſen ſollte, wenn ſie nach Prag zuruͤckkamen.
Da ſaß er nun und fingerte und pfiff dazwiſchen manch¬
mal ſo falſch, daß es einem durch Mark und Bein
ging und man oft ſein eigenes Wort nicht verſtehen
konnte.
Auf einmal ſchrie der Waldhorniſt mit ſeiner Ba߬
ſtimme. „Topp, da hab' ich es,“ er ſchlug dabei froͤh¬
lich auf die Landkarte neben ihm. Der Andere ließ
auf einen Augenblick von ſeinem fleißigen Blaſen ab,
und ſah ihn verwundert an. „Hoͤrt,“ ſagte der Wald¬
horniſt, „nicht weit von Wien iſt ein Schloß, auf dem
Schloße iſt Portier, und der Portier iſt mein Vet¬
ter! Theuerſte Kondiszipels, da muͤſſen wir hin, ma¬
chen dem Herrn Vetter unſer Kompliment, und er
wird dann ſchon dafuͤr ſorgen, wie er uns wieder wei¬
ter fortbringt!“ — Als ich das hoͤrte, fuhr ich ge¬
ſchwind auf. „Blaͤſt er nicht auf dem Fagott?“ rief
ich, „und iſt von langer grader Leibesbeſchaffenheit,
und hat eine große vornehme Naſe?“ — Der Wald¬
horniſt nickte mit dem Kopfe. Ich aber embraſſirte ihn
vor Freuden, daß ihm der Dreiſtutzer vom Kopfe fiel,
und wir beſchloſſen nun ſogleich, alle miteinander im
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/125>, abgerufen am 17.02.2025.
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